Private Seenotrettungsorganisationen werden Zeugen von menschenrechtswidrigen Angriffen auf Geflüchtete

Pressemitteilung von Jugend Rettet e.V. , Berlin, 24.05.2017

Am gestrigen Nachmittag kam es während laufender Rettungsoperationen des Vereins “Jugend Rettet” zu einem bewaffneten Angriff auf zwei Flüchtlingsboote durch die libysche Küstenwache. Unter Schusswaffeneinsatz und Schlägen wurden die Insassen der Schlauchboote in einer illegalen “Push- Back-Aktion” nach Libyen zurückgebracht.

Die Crew des Schiffes IUVENTA war am gestrigen Tag zusammen SOS Méditerranée und Save the Children an der Rettung von 14 Booten mit insgesamt etwa 1.800 Menschen an Bord beteiligt, als mehrere Schnellboote mit Emblemen der libyschen Küstenwache in das Einsatzgebiet einfuhr. Die Rettungsoperationen der NGOs fanden außerhalb der 12-Meilen-Zone auf etwa 14 Seemeilen in internationalen Gewässern statt. Die Besatzung der libyschen Boote war bewaffnet und feuerte nach den Beobachtungen der IUVENTA-Crew zuerst in Richtung eines Fischerbootes und gab danach Schüsse in Richtung der Boote in Seenot ab. Im Anschluss verschafften sich Besatzungsmitglieder der libyschen Boote Zugang zu zwei Holzbooten, um sie schließlich zurück in libysches Hoheitsgebiet zu manövrieren. Den privaten Seenotrettungsorganisationen war es ab diesem Moment nicht mehr möglich, die Rettung der Menschen an Bord der zwei Boote fortzusetzen. Stattdessen kam es durch die Intervention der libyschen Küstenwache zu einer illegalen Rückführung der Geflüchteten nach Libyen und zu Panik, die dazu führte, dass zahlreiche Menschen ins Wasser sprangen. Ob Menschen auf den Booten durch Schusswaffengebrauch zu Schaden kamen, konnte aus der Entfernung nicht beurteilt werden.

(c) Jugend Rettet e.V.

Der Kapitän der IUVENTA berichtet:
"Mehrere Boote der libyschen Küstenwache haben während der Rettung für Unruhe gesorgt, indem ihre Besatzungen auf die Boote der Flüchtenden stieg und nach Angaben meiner Crew auch Schüsse abfeuerten und die Flüchtenden schlugen. Über 100 Menschen sind aus Panik ins Wasser gesprungen. Zum Glück hatten die meisten Rettungswesten an, die wir schon verteilt hatten. Zwei Holzboote sind von der libyschen Küstenwache in libysche Hohheitsgewässer zurückgefahren worden. Für uns selber war die Situation äußerst kritisch: Wir sind hier, um zu helfen, waren aber gezwungen tatenlos zuzusehen, um nicht selber eine Kugel einzufangen."

Ob die Besatzung der libyschen Schnellboote zu der von der Operation Sophia (EUNAVFOR MED ) trainierten Küstenwächtern zählt, ist unklar.
Jugend Rettet e.V. verurteilt sowohl den brutalen Waffeneinsatz als auch die menschenrechtswidrige Rückführung der Geflüchteten nach Libyen. Die Genfer Flüchtlingskonvention enthält den “Grundsatz der Nichtzurückweisung”, der verbietet, einen Flüchtling "auf irgendeine Weise über die Grenzen von Gebieten auszuweisen oder zurückzuweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde." (Art. 33 der 1951 Genfer Flüchtlingskonvention).

Mit der Abwesenheit der Operation SOPHIA im Einsatzgebiet überlässt die Europäische Union private Seenotrettungsvereine und Menschen auf der Flucht bewusst sich selbst und verhindert damit, dass schwerwiegende Rechtsverstöße dieser Tragweite geahndet werden. Eine Staatengemeinschaft, die den Friedensnobelpreis trägt, hat jetzt die moralische und rechtliche Pflicht, zu handeln.
Wir fordern sofortige Unterstützung der Europäischen Union zur Sicherung so vieler Menschenleben wie möglich.

 

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