02.09.2025 Vermehrt Abschiebungen schon vor dem Regierungswechsel. Zahlen und Vorgänge dabei wurden mit dem Jahresbericht der unabhängigen Abschiebungsbeobachtung NRW in einer Pressekonferenz veröffentlicht: Markante Aussagen aus dem Bericht des WDR:
Allein aus NRW fanden rund 3.000 Abschiebungen statt.
Laut Bericht erfolgten die meisten Abschiebungen im Jahr 2024 in die Zielstaaten Georgien, Nord-Mazedonien, Albanien und die Türkei. Erstmals seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 fand zudem am 30. August 2024 wieder eine Sammelabschiebung nach Afghanistan statt. Insgesamt wurden dabei 28 Personen abgeschoben.
Fast jede vierte abgeschobene Person im vergangenen Jahr war demnach ein Kind. Dabei kam es nach Ansicht der Beobachter mehrfach zu Situationen, in denen das Kindeswohl gefährdet gewesen sei.
Die Unabhängige Abschiebungsbeobachtung NRW (ABEO) empfiehlt der Politik: Von der Abschiebung von unbegleiteten Minderjährigen sei "generell abzusehen" - besonders, wenn damit eine Familientrennung verbunden sei. Sie bringe "erhebliche Belastungen für die betroffenen Kinder und Jugendlichen", die dem Vorrang des Kindeswohls widerspreche.
Mitarbeitende von Ausländerbehörden seien oft zu wenig oder gar nicht geschult im Umgang mit Abschiebesituationen...
... bei der Bundespolizei ... sei der Umgang mit den Geflüchteten wesentlich professioneller. Die Beamten seien hier gut geschult und würden in der Regel deeskalierend auf die Menschen einwirken...
Kirche fordert mehr Transparenz Der steigende politische Druck beim Thema Abschiebung führe zu mehr Komplikationen, sagte Rafael Nikodemus vom Kirchenrat. "Wo mehr abgeschoben wird, kann es auch zu mehr Vorfällen kommen." Besonders mit Blick auf Kranke, Kinder und Familien gebe es dringenden Handlungsbedarf in der Politik. Der Kirchenmann forderte "mehr Transparenz, weniger Verdächtigungen" im Umgang mit den Ausreisepflichtigen.
Für die Beobachter bleiben die Abläufe während des Fluges weiter ungewiss. Um die Abschiebepraxis transparenter zu machen, fordert die ABEO eine Ausweitung ihrer Beobachtungsmöglichkeiten - von der Abholung an der Unterkunft bis zu Ankunft im Heimatland. Eigentlich schreibt eine EU-Verordnung das bereits seit 2008 vor. Deutschland gehöre aber zu den wenigen europäischen Ländern, die die Beobachter nach wie vor auf einen kleinen Abschnitt der Abschiebung beschränken.
Der WDR berichtet:
Die Zahl der Abschiebungen vom Flughafen Düsseldorf aus steigt. Dort sind Beobachter zugelassen. Doch sie fordern mehr Transparenz.
Die Forderung nach mehr Abschiebungen ist gerade jetzt in Wahlkampfzeiten verstärkt zu hören. Dabei steigt die Zahl rasant: Etwas mehr als 20.000 Menschen wurden 2024 aus Deutschland in ihre Heimatländer abgeschoben - 22 Prozent mehr als im Jahr davor.
Allein aus NRW fanden rund 3.000 Abschiebungen statt. Außer von Frankfurt aus werden nirgendwo in Deutschland so viele Menschen zur "Rückführung" in Flugzeuge gesetzt wie am Flughafen Düsseldorf.
Seit 24 Jahren begleitet die Diakonie in NRW diese Rückführungen mit sogenannten Abschiebungsbeobachtern: Von der Ankunft der Personen am Flughafen bis zum Eintritt ins Flugzeug sind die unabhängigen Beobachter dabei. Sie können zumindest in dieser Phase sehen, wie mit den Abgeschobenen umgegangen wird, unter welchen Umständen die Abschiebung abläuft.
Kinder leiden besonders unter Abschiebung
Am Dienstag legte die "Unabhängige Abschiebungsbeobachtung NRW" (ABEO) ihren Jahresbericht 2024 vor. Der Fokus liegt diesmal besonders auf dem Thema Kindeswohl und der Situation von Familien: Fast jede vierte abgeschobene Person im vergangenen Jahr war demnach ein Kind. Dabei kam es nach Ansicht der Beobachter mehrfach zu Situationen, in denen das Kindeswohl gefährdet gewesen sei.
Abschiebungsbeobachter Mert Sayim berichtete von einem Fall, in dem eine Mutter mit ihren zwei Töchtern im Grundschulalter am Flughafen ankam. Die Ausländerbehörde hatte sie überraschend abgeholt, der Vater lag zu der Zeit im Krankenhaus. Die drei seien verängstigt und weinend ins Flugzeug nach Armenien geführt worden - nicht wissend, ob und wann sie den Ehemann und Vater wiedersehen würden.
In einem anderen Fall empfingen die Beobachter zwei Teenager mit gefesselten Händen am Flughafen. Da die Mutter bei der Abholung im Flüchtlingsheim nicht anwesend war, hätte man ihre beiden Kinder einfach ohne die Mutter mitgenommen, um sie nach Nordmazedonien abzuschieben. Ob dort jemand auf sie warten würde, blieb für die Beobachter unklar.
In solchen Fällen, so Sayim, benachrichtige die ABEO das Ministerium für Geflüchtete im Nachhinein und fordere Klärung. Im Fall der auseinandergerissenen Familie aus Armenien gab das Ministerium an, dass der Zentralen Ausländerbehörde die Information über den Klinikaufenthalt des Vaters nicht vorgelegen hätte. Dennoch sollte der Vorfall durch das Verwaltungsgericht Münster geprüft werden.
Bei den Jugendlichen aus Nordmazedonien erklärte das Ministerium, dass der Vater der beiden im Heimatland vorab kontaktiert worden sei.
Empfehlungen an das Ministerium
Schließlich spricht die ABEO Empfehlungen an die Politik aus. In diesen Fällen zum Beispiel: Von der Abschiebung von unbegleiteten Minderjährigen sei "generell abzusehen" - besonders, wenn damit eine Familientrennung verbunden sei. Sie bringe "erhebliche Belastungen für die betroffenen Kinder und Jugendlichen", die dem Vorrang des Kindeswohls widerspreche.
Mitarbeitende von Ausländerbehörden seien oft zu wenig oder gar nicht geschult im Umgang mit Abschiebesituationen, kritisiert Beobachter Sayim. Die Standards seien sehr unterschiedlich. Ob Personen zum Beispiel für die Fahrt zum Flughafen generell gefesselt würden, hänge oft von der Leitung einer Ausländerbehörde ab.
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Abschiebungen aus NRW
WDR aktuell - Der Tag. 02.09.2025. 10:04 Min.. Verfügbar bis 02.09.2026. WDR 3.
Kirche fordert mehr Transparenz
Der steigende politische Druck beim Thema Abschiebung führe zu mehr Komplikationen, sagte Rafael Nikodemus vom Kirchenrat. "Wo mehr abgeschoben wird, kann es auch zu mehr Vorfällen kommen." Besonders mit Blick auf Kranke, Kinder und Familien gebe es dringenden Handlungsbedarf in der Politik. Der Kirchenmann forderte "mehr Transparenz, weniger Verdächtigungen" im Umgang mit den Ausreisepflichtigen.
Manuel Kamp aus der Abteilung Flucht beim Ministerium wies darauf hin, dass die kommunalen Ausländerbehörden nicht verpflichtet seien, ihre Mitarbeitenden in dieser Aufgabe zu schulen. Die ABEO fordert in ihrem Bericht daher verpflichtende Schulungen, in denen die Mitarbeitenden darauf hingewiesen werden, "dass sich die Rückzuführenden in einer Ausnahmesituation befinden".
Bundespolizei besser vorbereitet
Etwas besser sieht es offenbar bei der Bundespolizei aus: Hier sei der Umgang mit den Geflüchteten wesentlich professioneller, sagte Sayim. Die Beamten seien hier gut geschult und würden in der Regel deeskalierend auf die Menschen einwirken.
Anja Kleimann, stellvertretende Inspektionsleiterin der Bundespolizei am Flughafen Düsseldorf, berichtete von zwei Räumen für Kinder am Düsseldorfer Flughafen, ausgestattet mit Spielzeug und Teddys. "Wenn es gelingt, die Kinder zu beruhigen, werden die Eltern auch eher ruhig." Man versuche, "elementare Bedürfnisse" wie Trinken oder Telefonate mit Familienangehörigen vor dem Abflug zu ermöglichen.
Grundsätzlich solle jede Rückführung "menschenwürdig" ablaufen, so Kleimann. Es gelte die "Philosophie" keine Rückführung um jeden Preis. "Immer wieder" räumte sie ein, komme es vor, dass Piloten sich weigerten, zu starten. "Aber auch wir selber brechen einen Prozess ab, wenn beispielsweise eine gesundheitliche Verschlechterung bei einer Person zu sehen ist."
"Sehr selten" komme es vor, dass Abgeschobene im Flugzeug Fesseln oder Beißschutz tragen müssen oder mit Festhaltegurten an den Sitz gebunden werden. Zahlen darüber gebe es nicht.
ABEO fordert ausgeweitetes Monitoring
Für die Beobachter bleiben die Abläufe während des Fluges weiter ungewiss. Um die Abschiebepraxis transparenter zu machen, fordert die ABEO eine Ausweitung ihrer Beobachtungsmöglichkeiten - von der Abholung an der Unterkunft bis zu Ankunft im Heimatland. Eigentlich schreibt eine EU-Verordnung das bereits seit 2008 vor. Deutschland gehöre aber zu den wenigen europäischen Ländern, die die Beobachter nach wie vor auf einen kleinen Abschnitt der Abschiebung beschränken.
Laut Bericht erfolgten die meisten Abschiebungen im Jahr 2024 in die Zielstaaten Georgien, Nord-Mazedonien, Albanien und die Türkei. Erstmals seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 fand zudem am 30. August 2024 wieder eine Sammelabschiebung nach Afghanistan statt. Insgesamt wurden dabei 28 Personen abgeschoben.
Quellen:
- Jahresbericht der unabhängigen Abschiebungsbeobachtung NRW
- Pressekonferenz Diakonie RWL am 02.09.2025