75 Jahre Grundgesetz: Aufruf und Forderungen zum Schutz von Menschenwürde und Asylrecht

24.05.2024 Das Grundgesetz wurde dieser Tage oft zitiert und groß gefeiert. Unbestritten: Es ist von hoher Qualität. Doch noch besser wäre es, wenn die Aussagen auch tatsächlich Wirklichkeit wären, z. B. das Diskriminierungsverbot. Und es gibt weitere Schatten. So wurde in der Vergangenheit mehrmals das Asylrecht eingeschränkt, auf Druck von Rechts. Außerdem wird gerade die Gefahr deutlich sichtbar, die der Demokratie von der äußersten Rechten droht. Von NGOs wird deshalb gemahnt. Wir zitieren eine Pressemitteilung von Pro Asyl, die auf den Aufruf zum Schutz von Menschenwürde und Asylrecht hinweist.

Auch der Flüchtlingsrat NRW fordert auf: 75 Jahre Grundgesetz: Rechte Schutzsuchender entschieden verteidigen!

Anlässlich des 75. Jahrestags des Grundgesetzes wurde am 22. Mai 2024 der „Grundrechte-Report 2024. Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland“ im Haus der Demokratie und Menschenrechte in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt. Wir zitieren die Pressemitteilung von Pro Asyl: Grundrechte-Report 2024 thematisiert Rechtsruck und Angriffe auf Flüchtlingsrechte. Der Report versteht sich als „alternativer Verfassungsschutzbericht“ und bespricht Entscheidungen von Parlamenten, Behörden und Gerichten, aber auch von Privatunternehmen. Er wird von zehn Bürgerrechtsorganisationen herausgegeben.

 

23.05.2024 Deutschland feiert den 75. Geburtstag des Grundgesetzes – eine historische Errungenschaft und eine Lehre aus der Nazizeit. PRO ASYL erinnert mit sechs weiteren Organisationen daran, dass es Demokratie ohne die einklagbare Achtung und den einklagbaren Schutz der Menschenrechte nicht gibt. Dazu gehört das individuelle Grundrecht auf Asyl.

„Nie wieder sollte die staatliche Gewalt in Deutschland Menschen ihrer Würde berauben. Und nie wieder sollten diejenigen, die aus ihrem Land flüchten müssen, vor verschlossenen Grenzen stehen. Beides drückt sich aus in der im Grundgesetz festgeschriebenen Verpflichtung allen staatlichen Handelns, die Würde des Menschen zu achten und zu schützen“, heißt es im Aufruf. Dies ist der Geist des Grundgesetzes, den es zu erhalten gilt – auch am 9. Juni bei der Europawahl. Den gesamten Aufruf finden Sie hier.

Unterschrieben haben neben PRO ASYL: Die Stiftung gegen Rassismus, der Paritätische Hessen, der Hessische Flüchtlingsrat, die Diakonie Hessen, der Initiativausschuss für Migrationspolitik und der Flüchtlingsrat Rheinland-Pfalz.

Aufruf zum Schutz von Menschenwürde und Asylrecht

Deutschland feiert das Grundgesetz –eine historische Errungenschaft und eine Lehre aus der Nazizeit. Nie wieder sollte die staatliche Gewalt in Deutschland Menschen ihrer Würde berauben. Und nie wieder sollten diejenigen, die aus ihrem Land flüchten müssen, vor verschlossenen Grenzen stehen. Beides drückt sich aus in der im Grundgesetz festgeschriebenen Verpflichtung allen staatlichen Handelns, die Würde des Menschen zu achten und zu schützen.

Kurz vor dem 75. Geburtstag des Grundgesetzes erinnern wir daran, dass es Demokratie ohne die einklagbare Achtung und den einklagbaren Schutz der Menschenrechte nicht gibt. Dazu gehört das individuelle Grundrecht auf Asyl.

Rechtsextremismus, Rassismus und andere Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit sind überall in Europa und auch in Deutschland eine reale Gefahr für die
Demokratie: Die extreme Rechte hetzt inner- und außerhalb der Parlamente. Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit sind für sie nichts anderes als Hemmschuhe für ihre menschenfeindliche und völkisch-nationalistische Agenda.

Gefährlich wird es, wenn dieses Gedankengut immer weiter in die Mitte der Gesellschaft vordringt. Hieran wirken leider auch Kräfte aus demokratischen Parteien in Deutschland mit. Denn
auch sie stellen das Recht auf Asyl und das Recht, nie wieder vor verschlossenen Grenzen zu stehen, immer unverhohlener in Frage. Anstatt Grund- und Menschenrechte zu verteidigen,
weichen sie zurück und machen die extreme Rechte dadurch noch stärker.

Umso mehr kommt es jetzt auf uns und die kritische Zivilgesellschaft an! Denn noch können wir für Grund- und Menschenrechte, den Schutz von Geflüchteten und ein offenes Europa eintreten. Und noch können wir für all das auf die Straße gehen, können wir Menschenrechte einklagen und dabei auf die Unabhängigkeit der Justiz vertrauen. Noch haben wir die Wahl!

Das Bekenntnis zur Demokratie braucht das Bekenntnis zur Unteilbarkeit der Menschenwürde
und zum Grundrecht auf Asyl! Dazu fordern wir die demokratischen Parteien vor der Wahl zum
Europaparlament am 9. Juni 2024 eindringlich auf. Gleichzeitig rufen wir alle, die berechtigt sind, dazu auf, sich am 9. Juni 2024 an der Europawahl zu beteiligen, und genau darauf zu achten, welche Parteien nicht nur mit Beteuerungen, sondern auch in ihrer Programmatik Menschen- und Grundrechte achten und schützen.

 

23.05.2024 Presseerklärung des FRNRW:

Vor 75 Jahren, am 23.05.1949, wurde das deutsche Grundgesetz (GG) verkündet. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen zweier Weltkriege und des NS-Unrechtsstaats garantiert es grundlegende, unveräußerliche Rechte, darunter den Schutz verfolgter Menschen durch das individuelle Grundrecht auf Asyl. Dieses ist derzeit wieder erheblichen Angriffen bis hin zur Diskussion über seine gänzliche (faktische) Abschaffung ausgesetzt: So fordert etwa die CDU in ihrem neuen Grundsatzprogramm die Auslagerung von Asylverfahren und Schutzgewährung in Drittstaaten außerhalb der EU.

Jegliche Beeinträchtigung des Asylgrundrechts stellt eine Niederlage für unsere Gesellschaft, unseren Rechtsstaat und unsere Demokratie dar. Zu Recht heißt es in der Gründungserklärung des Flüchtlingsrats NRW von 1986: „Das Grundrecht auf Asyl ist unser aller Menschenrecht. Seine Einschränkung bedroht nicht nur die Flüchtlinge, sondern stellt eine Vorstufe zur Einschränkung unserer bürgerlichen Freiheiten dar. Der Umgang mit Flüchtlingen ist einer der Prüfsteine für das Funktionieren der Demokratie.“

Auch andere Grundrechte schutzsuchender Menschen geraten durch massive, von der nordrheinwestfälischen Landesregierung mitgetragene Gesetzesverschärfungen in Gefahr. So laufen jüngste sozialrechtliche Einschränkungen einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zuwider, nach dem „[d]ie in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde […] migrationspolitisch nicht zu relativieren“ ist (1 BvL 10/10). Verschärfungen im Bereich Abschiebungen und Abschiebungshaft greifen u. a. in das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung und die Freiheitsrechte ein.

Birgit Naujoks, Geschäftsführerin des Flüchtlingsrats NRW: „Die menschenrechtlichen Grundrechte gelten für jeden und das zu jeder Zeit. Die Landesregierung darf die, politischen Befindlichkeiten geschuldeten, vorgesehenen Grundrechtseinschränkungen nicht umsetzen, sondern muss die Grundrechte vollumfänglich für Schutzsuchende innerhalb ihrer Verantwortungsbereiche gewährleisten.“

Wir fordern daher:

  • Das individuelle Grundrecht auf Asyl muss vollumfänglich erhalten bleiben – die Landesregierung muss sich gegenüber der Bundesebene für faire Asylverfahren und gegen jegliche Einschränkungsversuche einsetzen!

  • Zu einem menschenwürdigen, selbstbestimmten Leben gehören auskömmliche, in bar zur Verfügung stehende Sozialleistungen. Die körperliche Unversehrtheit geflüchteter Menschen muss durch ausreichenden Gewaltschutz bei der Unterbringung und angemessene Gesundheitsversorgung garantiert werden!

  • Familien dürfen nicht durch Abschiebungen auseinandergerissen werden. Abschiebungshaft als Freiheitsentzug ohne Straftat gehört gänzlich abgeschafft!

 

22.05.2024 Pressemitteilung von Pro Asyl

Anlässlich des 75. Jahrestags des Grundgesetzes wurde heute der „Grundrechte-Report 2024. Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland“ im Haus der Demokratie und Menschenrechte in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt. PRO ASYL gehört seit vielen Jahren zum Kreis der Herausgeber*innen. 

Schwerpunkte des 28. Grundrechte-Reports sind die Gefährdung von Grundrechten durch den Aufstieg der radikalen Rechten sowie die Angriffe auf die Rechte von geflüchteten Menschen und anderen marginalisierten Gruppen infolge des gesellschaftlichen Rechtsrucks. Diskutiert werden zudem Einschränkungen bei liberalen Kernthemen wie der Versammlungs- und Meinungsfreiheit sowie Fragen der geschlechtlichen Selbstbestimmung. Betont werden auch die sozialen Grundrechte, etwa beim Thema Kindergrundsicherung, dem Recht auf Wohnen und der Überwachung am Arbeitsplatz.

Der Report versteht sich als „alternativer Verfassungsschutzbericht“ und bespricht Entscheidungen von Parlamenten, Behörden und Gerichten, aber auch von Privatunternehmen. Er wird von zehn Bürgerrechtsorganisationen herausgegeben.

Dr. Gerhart Baum, ehemaliger Bundesminister des Inneren, präsentierte den Grundrechte-Report heute per Zuschaltung in Berlin. Er betonte die Bedeutung der Verteidigung von Grundrechten: „Wir kritisieren heftig die Menschenrechtsverletzungen überall auf der Welt. Aber nur dann sind wir dabei glaubwürdig, wenn wir solche Verletzungen auch in unserer Demokratie benennen und bekämpfen. Das tut der Grundrechte-Report in jedem Jahr.“

Stefanie Tiepelmann-Halm ist bei schrankenlos e.V. im Thüringischen Nordhausen aktiv und betreibt ein interkulturelles Café. Sie beschrieb ihre Situation vor Ort: „Die Bedrohung von rechts greift lokal ganz subtil um sich, zum Beispiel in Gesprächen, Blicken auf der Straße. Der Hass gegen Minderheiten ist alltagstauglich geworden. In Kommunalparlamenten wird die Arbeit von Vereinen bereits erschwert, sogar offene Drohungen werden ausgesprochen. Dagegen müssen wir uns stellen.“

Hedi Tounsi, Vertrauensmann von ver.di und Betriebsratsmitglied bei Amazon, berichtete von der Dauerüberwachung im Logistik-Unternehmen und resümierte: „Amazon interessiert der Schutz der Kolleg*innen nicht wirklich, für das Unternehmen zählt nur: Wie viele Pakete schaffst du in der Stunde? In dieser Situation müssen wir jeden Tag für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen.“

Marie Volkmann, die Rechtswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin studiert und Mitglied im Bundesarbeitskreis kritischer Juragruppen ist, verdeutlichte die Ziele der Redaktion des Grundrechte-Reports: „Der Report will eine Brücke schlagen. Indem er über die Lage der Menschenrechte informiert, soll er zugleich Grundlage und Bestärkung für die aktivistische Arbeit sein.“ 

Das Buch ist ab dem 29. Mai 2024 über den Buchhandel und die Webseite der Herausgeber zu beziehen, Rezensionsexemplare (auch als pdf) zu Pressezwecken können über die Humanistische Union (HU) bestellt werden (service@humanistische-union.de).

Zum Hintergrund

Der Grundrechte-Report 2024 ist ein gemeinsames Projekt von: Humanistische Union, vereinigt mit der Gustav Heinemann-Initiative • Bundesarbeitskreis Kritischer Juragruppen • Internationale Liga für Menschenrechte • Komitee für Grundrechte und Demokratie • Neue Richter*innenvereinigung • PRO ASYL • Republikanischer Anwältinnen-und Anwälteverein • Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen • Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung • Gesellschaft für Freiheitsrechte