Abschiebungen und Ausweisungen: Zahlen und Bewertung

25.09.2024 Verschiedene Quellen bringen dieser Tage aktuelles Zahlenmaterial zum umstrittenen Thema der "Abschiebungen" aus Deutschland. Unter Abschiebung sind hier alle Maßnahmen im Zusammenhang mit "Verlust des Aufenthaltsrechts" verstanden:

Zunächst Ausschnitte für den schnellen Überblick:

Im ersten Halbjahr 2024 wurden 9.465 Personen aus Deutschland abgeschoben – rund 20 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. 3.043 Personen wurden im Rahmen der Dublin-III-Verordnung in ein anderes EU-Land überstellt.

Im selben Zeitraum haben 4.095 Personen Deutschland über das Bund-Länder-Förderprogramm REAG/GARP freiwillig verlassen. Insgesamt gab es im ersten Halbjahr 2024 rund 15.800 freiwillige Ausreisen von ausreisepflichtigen Personen mit einer "Grenzübertrittsbescheinigung" (10 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum).  (Mediendienst Integration)

Im ersten Halbjahr 2024 wurden .. 4321 Menschen ausgewiesen, die meisten stammten aus Albanien, Georgien, der Türkei, Moldau und Algerien. Im Gesamtjahr 2023 gab es 8019 Ausweisungen. Zwischen 2020 und 2022 schwankte die Zahl zwischen 7081 und 8257 pro Jahr.

Zum Stichtag 30. Juni 2024 waren im Ausländerzentralregister etwa 330 000 Menschen mit einer Ausweisungsverfügung registriert, davon 6821 als »nicht vollziehbar«. Allerdings halten sich nur rund 35 000 Betroffene tatsächlich in Deutschland auf. Denn die meisten sind entweder längst ausgereist oder abgeschoben worden.

Die hohe Zahl der Gespeicherten erklärt sich durch die Löschfristen. Ihr Datensatz kann bis zu zehn Jahre aufgehoben werden...

... Clara Bünger. Die fluchtpolitische Sprecherin der Bundestagsgruppe kritisiert, dass das Ausweisungsrecht in den vergangenen Jahren mehrfach verschärft wurde und nun bereits relativ geringfügige Taten zu einer Ausweisung führen können... vermehrt Menschen, denen zum Gaza-Krieg Sympathiebekundungen für die Hamas unterstellt werden (nd. DER TAG)

Im ersten Halbjahr 2024 gab es knapp 1.400 Abschiebungen aus Bayern, knapp 1.700 geplante Abschiebungen wurden nicht vollzogen. 

Statistisch erfasst werden den Angaben zufolge Stornierungen wie etwa die Absage von Sammelflügen wegen fehlender Landeerlaubnis oder der Abbruch der Maßnahme etwa wegen Krankheit. (dpa / Zeit)

Im Folgenden die Quellveröffentlichungen im vollen Wortlaut:

nd DER TAG 23.09.2024: Jedes Jahr Tausende Ausweisungen  Regierung nennt Zahlen zum Verlust des Aufenthaltsrechts

Die Zahl der Ausweisungen in Deutschland hat sich auf einem einheitlichen Niveau eingependelt. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Gruppe Die Linke hervor, die dem »nd« vorliegt. Im ersten Halbjahr 2024 wurden demnach 4321 Menschen ausgewiesen, die meisten stammten aus Albanien, Georgien, der Türkei, Moldau und Algerien. Im Gesamtjahr 2023 gab es 8019 Ausweisungen. Zwischen 2020 und 2022 schwankte die Zahl zwischen 7081 und 8257 pro Jahr.

Mit Abstand die meisten Betroffenen sind männlich. Am häufigsten wird die Maßnahme in der Gruppe der 36- bis 60-Jährigen verhängt. Jedoch werden auch Jugendliche und Kinder ausgewiesen. Im ersten Halbjahr 2024 betraf dies 47 Minderjährige und 382 Heranwachsende. Rund ein Viertel aller Verfügungen stammte aus Baden-Württemberg, gefolgt von Bayern (672) und Nordrhein-Westfalen (641).

Eine Ausweisung mit Wiedereinreisesperre ist eine mögliche Maßnahme im Ausländerrecht. Als behördliche Entscheidung beendet sie den rechtmäßigen Aufenthalt und verpflichtet zur Ausreise. Eine rechtskräftige Verurteilung wegen einer Straftat ist nicht zwingend erforderlich; bereits die Billigung oder Werbung für schwere Verbrechen kann ausreichen. Vorher wird eine Einzelfallprüfung durchgeführt, bei der etwa die Aufenthaltsdauer und familiäre Bindungen in Deutschland berücksichtigt werden.

Verlassen die Betroffenen Deutschland nicht, droht ihnen als Zwangsmaßnahme die Abschiebung. In einigen Fällen erhalten sie aufgrund praktischer oder rechtlicher Hindernisse aber ein befristetes oder unbefristetes Aufenthaltsrecht oder eine Duldung.

Zum Stichtag 30. Juni 2024 waren im Ausländerzentralregister etwa 330 000 Menschen mit einer Ausweisungsverfügung registriert, davon 6821 als »nicht vollziehbar«. Allerdings halten sich nur rund 35 000 Betroffene tatsächlich in Deutschland auf. Denn die meisten sind entweder längst ausgereist oder abgeschoben worden.

Die hohe Zahl der Gespeicherten erklärt sich durch die Löschfristen. Ihr Datensatz kann bis zu zehn Jahre aufgehoben werden. Im Falle einer Ausweisung werden die Informationen erst gelöscht, wenn die Betroffenen 90 Jahre alt sind.

Die Anfrage zu den Ausweisungen stammt von der Linke-Politikerin Clara Bünger. Die fluchtpolitische Sprecherin der Bundestagsgruppe kritisiert, dass das Ausweisungsrecht in den vergangenen Jahren mehrfach verschärft wurde und nun bereits relativ geringfügige Taten zu einer Ausweisung führen können. Nach dem 7. Oktober betrifft dies vermehrt Menschen, denen zum Gaza-Krieg Sympathiebekundungen für die Hamas unterstellt werden.

»Es ist Aufgabe der Strafjustiz, Straftaten aufzuklären und die Täter*innen zur Verantwortung zu ziehen«, sagt Bünger unserer Zeitung. »Dabei ist Kriminalität fast immer ein Produkt der Gesellschaft, in der sie sich ereignet. Deshalb muss dort auch die Aufarbeitung stattfinden«, fordert die Linke-Abgeordnete. Ausweisungen folgten hingegen einer absurden »Aus den Augen, aus dem Sinn«-Logik.

 

Mediendienst Integration: Abschiebungen und "freiwillige Ausreisen"

Eine Abschiebung ist eine staatliche Zwangsmaßnahme: Die Polizei bringt einen Drittstaatsangehörigen ohne Aufenthaltsstatus außer Landes – im äußersten Fall mit Gewalt. Immer öfter fordern Politiker ein konsequenteres Durchgreifen bei Abschiebungen. Doch nicht jeder abgelehnte Asylbewerber ist "unmittelbar ausreisepflichtig" und viele verlassen das Land freiwillig.

Wie viele Abschiebungen und "freiwillige Ausreisen" gibt es?

Stand: Sep. 2024

Im ersten Halbjahr 2024 wurden 9.465 Personen aus Deutschland abgeschoben – rund 20 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. 3.043 Personen wurden im Rahmen der Dublin-III-Verordnung in ein anderes EU-Land überstellt.

Im selben Zeitraum haben 4.095 Personen Deutschland über das Bund-Länder-Förderprogramm REAG/GARP freiwillig verlassen. Insgesamt gab es im ersten Halbjahr 2024 rund 15.800 freiwillige Ausreisen von ausreisepflichtigen Personen mit einer "Grenzübertrittsbescheinigung" (10 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum).

Im Gesamtjahr 2023 gab es 16.430 Abschiebungen und 5.053 Überstellungen im Rahmen der Dublin-III-Verordnung. Das sind rund 27 Prozent mehr Abschiebungen als 2022.

Zum Stichtag 31. Dezember 2023 wurden 10.763 Anträge zur geförderteten Ausreise im Rahmen des REAG/GARP-Programms bewilligt. Außerdem haben 29.949 ausreisepflichtige Personen Deutschland freiwillig verlassen – und dabei eine "Grenzübertrittsbescheinung" bekommen.

[Die hier gezeigte Grafik zeigt anschaulich die Entwicklung]

Wie viele Menschen werden an den Grenzen abgewiesen?

Wenn Ausländer*innen "von außen" die Grenze der Bundesrepublik überschreiten wollen und dies von den Grenzbehörden verhindert wird, spricht man von "Zurückweisung". Eine "Zurückschiebung" findet hingegen statt, wenn Ausländer*innen bereits unerlaubt die Grenze überschritten haben.

Im ersten Halbjahr 2024 hat die Bundespolizei etwa 17.000 Personen an den Grenzen zurückgewiesen. Etwa 1.400 Personen wurden zurückgeschoben.

Im Gesamtjahr 2023 gab es 34.860 Zurückweisungen an den Grenzen. 4.776 Personen wurden zurückgeschoben.

 

dpa / Zeit 23.09.2024: Viele Abschiebe-Versuche in Bayern scheitern

Zahlreiche Versuche, Flüchtlinge ohne Aufenthaltserlaubnis abzuschieben, scheitern - aus verschiedenen Gründen, wie das Landesamt für Asyl und Rückführungen mitgeteilt hat. 2023 wurden demnach 2.364 Ausreisepflichtige aus bayerischer Zuständigkeit abgeschoben. 3.110 geplante Abschiebungsmaßnahmen seien storniert oder abgebrochen worden. In vielen Fällen gebe es aber weitere Versuche, bei denen die Abschiebung vollzogen werde. Aus den Zahlen könne deshalb nicht abgeleitet werden, dass die Betroffenen nicht doch noch abgeschoben würden, teilte eine Sprecherin des Landesamts mit. Im ersten Halbjahr 2024 gab es knapp 1.400 Abschiebungen aus Bayern, knapp 1.700 geplante Abschiebungen wurden nicht vollzogen. 

Statistisch erfasst werden den Angaben zufolge Stornierungen wie etwa die Absage von Sammelflügen wegen fehlender Landeerlaubnis oder der Abbruch der Maßnahme etwa wegen Krankheit.

Die Sprecherin wies weiterhin darauf hin, dass die «tatsächliche Beendigung des Aufenthalts durch Abschiebung nicht immer leicht umzusetzen» ist. Insbesondere würden Herkunftsländer häufig nicht kooperieren. Das falle aber in die Verantwortung des Bundes. Die Länder seien für die Durchführung der Rückführungen zuständig, die Rahmenbedingungen bestimme jedoch der Bund.

Eine Rückführung könne auch scheitern, weil der Betroffene beispielsweise vorher untertauche, weil es rechtliche Anordnungen gebe und weil medizinische Gründe vorlägen.