Afghanistan: Abschiebepläne der EU für das gefährlichste Land der Welt

02.10.2020 aus den News von ProAsyl / 09.10.2020 aus dem Blog des Afghanistan-Analysten Thomas Ruttig

Update 19.10.2020 vorangestellt:

Offener Brief gegen Abschiebungen nach Afghanistan

Sehr geehrter Bundesminister Horst Seehofer,
Sehr geehrter Bundesminister Heiko Maas,

die Bundesregierung beabsichtigt, die Abschiebungen von Deutschland nach Afghanistan, die aufgrund der Corona Pandemie seit März 2020 ausgesetzt waren, ab Oktober 2020 wieder im zuvor gewohnten monatlichen Rhythmus aufzunehmen.

Wir fordern Sie dazu auf,
• alle Abschiebungen von Deutschland nach Afghanistan einzustellen. Wenn ein stabiler und inklusiver Frieden erreicht wurde, der von den demokratischen Organisationen in Afghanistan mitverhandelt und akzeptiert wurde, kann hierher geflüchteten Afghan*innen wieder eine freiwillige Rückkehr angeboten werden.

• das Rückführungsabkommen gegenüber Parlament und Zivilgesellschaft transparent zu machen, und Verhandlungen über seine Verlängerung auszusetzen.
Außerdem sollte die Bundesregierung all ihre Energie dazu verwenden, die rechtlichen Bedingungen und die Lebensverhältnisse von Geflüchteten in Deutschland und in der EU zu verbessern.

Erstunterzeichner:innen und Begründung hier weiterlesen

02.10.2020 aus den News von ProAsyl / 09.10.2020 aus dem Blog des Afghanistan-Analysten Thomas Ruttig

Vor vier Jahren schlossen die Bundesregierung und die EU jeweils Deals mit Afghanistan ab, um Abschiebungen in das Kriegsland zu forcieren. Im Gegenzug wurden dem Land Entwicklungsgelder zugesagt. Der EU-Deal »Joint Way Forward« wurde nun bis 31.12. verlängert, die EU will in den kommenden Wochen aber ein neues Abkommen zum Abschluss bringen.

... Zwischen 13. September 2016 und 30. März 2020 hat die EU mit 73 Frontex-Charterflügen 1.844 Afghan*innen rückgeführt (siehe Antwort der EU-Kommission vom 24. Juli 2020). Zusätzlich wurden auf Linienflügen zwischen 9. Mai 2019 und 30. März 2020 weitere 58 Afghan*innen mit Hilfe von Frontex rückgeführt; weitere mögliche Abschiebungen direkt aus den Mitgliedstaaten sind in der Antwort nicht enthalten.

Die EU schließt sogar Abschiebungen von jungen, unverheirateten Frauen sowie unbegleiteten Minderjährigen nicht aus (JWF, Seite 3) – und behält sich dies auch künftig vor. Bemühungen von afghanischer Seite in den Verhandlungen, diese Gruppen von Abschiebungen auszunehmen, blieben ohne Erfolg.

»Joint Way Forward« wurde inzwischen bis Jahresende 2020 verlängert. Für die Zeit danach verhandelt die EU mit Afghanistan derzeit an einem weiteren Rückführungsdeal, um Abschiebungen in das gefährlichste Land der Welt weiter durchzusetzen."

 

aus dem Blog des Afghanistan-Analysten Thomas Ruttig

09.10.2020: "AA-Asyllagebericht Afghanistan jetzt (teilweise) öffentlich."

Der immer noch teilweise geschwärzte Bericht des Auswärtigen Amtes (Stand Juni 2020), der dort eingesehen werden kann, enthält unter anderem die Aussage:

„Die humanitäre Lage bleibt schwierig. Die Versorgung von hunderttausenden Rückkehrern, vor allem aus den Nachbarländern Iran und Pakistan, sowie Binnenvertriebene stellen das Land vor große Herausforderungen. Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie in der ersten Jahreshälfte 2020 auf das Gesundheitssystem, den Arbeitsmarkt und die Nahrungsmittelversorgung haben den humanitären Bedarf weiter erhöht.“

Gute Gründe für uns, an die Petition Keine Abschiebungen nach Afghanistan! zu erinnern, die mittlerweile von 116.000 Menschen unterschrieben wurde.