28.03.2023 Der Amnesty Report 2022/23 zur Menschenrechtslage weltweit wurde vorgestellt. Wir zitieren Passagen aus der Pressemitteilung von amnesty.de und aus dem Vorwort von Agnès Callamard, Internationale Generalsekretärin von Amnesty International, zum Bericht 2022/2023 deren Schlussfolgerungen.
Gewalt und Leid zwingen Menschen zu Flucht und Protest
Im Angesicht von Krieg, Krisen und Unterdrückung sind Millionen Menschen in vielen Teilen der Welt auf der Flucht oder gehen für ihre Rechte auf die Straße. Massenhafte Proteste – wie in Iran, Peru oder jüngst in Georgien – sowie eine zunehmende Zahl von schutzsuchenden Menschen – ob aus der Ukraine, Myanmar, Venezuela oder der Demokratischen Republik Kongo – sind zwei zentrale Entwicklungen, die der Amnesty International Report (AIR) 2022/23 aufzeigt. Der Bericht dokumentiert die Menschenrechtslage in 156 Staaten. Das Vorwort, fünf Regionalkapitel und ausgewählte ins Deutsche übersetzte Länderkapitel sind hier zu finden.
- Millionen Menschen weltweit fliehen und protestieren, weil ihre Menschenrechte verletzt und sie ihrer Lebensgrundlagen beraubt werden.
- Eine wachsende Zahl von Regierungen unterdrückt mit Gewalt und Überwachung die Versammlungs-, Vereinigungs- und Meinungsfreiheit.
- In Iran reagierten die Behörden auf die Massenproteste mit tausenden willkürlichen Festnahmen, Folter in Gefängnissen, Schüssen auf Demonstrierende und Hinrichtungen.
- Amnesty International sieht Regierungen mehr denn je in der Pflicht, Menschenrechte und Völkerrecht zu stärken und dafür Sorge zu tragen, dass die Verantwortlichen für Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft gezogen werden.
Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, sagt: "Wer gegen Unterdrückung und Leid auf die Straße geht, braucht Unterstützung durch Öffentlichkeit und politischen Druck von Regierungen. Unterstützung bedeutet auch, dass Deutschland und die Europäische Union den Export von biometrischen Überwachungstechnologien verbieten, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen. Solche Technologien werden in Ländern wie Iran oder Russland willkürlich eingesetzt, um friedlich Protestierende zu identifizieren und zu verfolgen. EU-Parlament und EU-Ministerrat sollten mit einer entsprechenden Regelung in der Verordnung zur Regulierung Künstlicher Intelligenz, dieses wichtige Verbot wirksam verankern." ...
Nie da gewesene Fluchtbewegung: Staaten müssen allen Schutz bieten
Im vergangenen Jahr waren weltweit 103 Millionen Menschen auf der Flucht. Menschen fliehen vor gewaltsamen Konflikten und Kriegsverbrechen, weil ihre Menschenrechte verletzt und sie ihrer Lebensgrundlagen beraubt werden, etwa durch die Folgen der Covid-19-Pandemie und den Nahrungsmittelengpässen in Folge des Angriffes auf die Ukraine. Diesen 2022 weltweit zunehmenden Fluchtursachen steht die eklatante Missachtung vieler Staaten, fliehenden Menschen Schutz zu gewähren, gegenüber.
Beeko sagt: "Europäische Staaten haben schnell und unbürokratisch Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen. Dies zeigt, was möglich ist, wenn der politische Wille vorhanden ist. Dies muss eine Blaupause dafür sein, zukünftig Menschen aus akuten Konflikt- und Krisengebieten den notwendigen Schutz zu bieten. Wer flieht, braucht Schutz – ohne Wenn und Aber. Die kontinuierlichen Menschenrechtsverletzungen an den europäischen Außengrenzen gegenüber Menschen, die vor der Gewalt in Syrien, Afghanistan oder Iran fliehen, müssen ein Ende haben." ...
Aus dem Vorwort von Agnès Callamard, Internationale Generalsekretärin von Amnesty International zum Bericht 2022/2023 ziieren wir die
Schlussfolgerung
Das Jahr 2022 war möglicherweise ein Wendepunkt für die internationale Ordnung. In jedem Fall kam es zu einer Wiederbelebung des Atlantischen Bündnisses und zu einer Zusammenarbeit zwischen den USA und anderen westlichen Mächten, wie sie noch vor einem Jahr, nach dem chaotischen Abzug aus Afghanistan 2021, kaum vorstellbar gewesen wäre.
Keine Wende gab es jedoch auf der Seite der Menschenrechte. Der Verfall setzte sich vielmehr ungehindert fort. Russlands Angriffskrieg führte zur weiteren Destabilisierung eines internationalen multilateralen Systems, das wegen der jahrzehntelangen ungestraften Missachtung des Völkerrechts durch mächtige Staaten bereits geschwächt war. Der Krieg zog Ressourcen und Aufmerksamkeit von der Klimakrise ab und lenkte auch von anderen langjährigen Konflikten und menschlichem Leid weltweit ab.
Die Reaktion des Westens auf den russischen Einmarsch in die Ukraine unterstrich zudem die eigene Doppelmoral, da sie im Gegensatz stand zu früheren folgenlosen Reaktionen auf zahlreiche andere Verstöße gegen die UN-Charta. Das wiederum fachte Instabilität und Straflosigkeit weiter an.
Wenn Russlands Angriffskrieg für die Zukunft der Welt eines zeigt, dann ist es die Bedeutung einer wirkungsvollen und konsequent angewandten Ordnung, die auf Regeln basiert und international gültig ist. Jene, die die Koalition zur Unterstützung der Ukraine anführen, müssen sich verstärkt und gemeinsam mit anderen um ein neuerliches Bekenntnis zu einem internationalen System bemühen, das der Mehrheit der Weltbevölkerung zugutekommt.
Im Jahr 2023 begehen wir den 75. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte – ein Dokument, das aus der Asche eines Weltkriegs geschaffen wurde. Wollen wir abwarten, bis die Welt erneut in Flammen steht, um die Freiheiten und Grundsätze, die auf Kosten von Millionen von Menschenleben errungen wurden, wirklich zu leben? Das Jahr 2023 muss ein Wendepunkt für die Wahrung der Menschenrechte werden. Alles andere wäre ein Verrat der Mächtigen, der die Welt an den Abgrund führen könnte.