Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte - gekippte Stimmung

14.08.2023 Im Juni 2023 wurde bundesweit informiert Zahl der Angriffe auf Flüchtlinge sprunghaft gestiegen. Auch seither gab es wöchentlich Meldungen über Bürgerproteste gegen die Einrichtung der benötigten weiteren Unterkünfte für geflüchtete Menschen. Auch von tätlichen Angriffen wurde weiter berichtet.

Wir zitieren zum Thema einen Kommentar aus der TAZ vom 03.08.2023:

Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte: Die Stimmung wird gekippt

Geflüchtete sind wieder bedroht. Die Ampelkoalition wollte zwar Migration nicht als Problem, sondern als Normalität behandeln, vermittelt aber etwas anderes.

Die Stimmung kippt. Das könnte einem in den Sinn kommen, wenn man liest: Die Zahl der Übergriffe auf Geflüchtetenunterkünfte steigt kontinuierlich. Doch dieser Satz ist gefährlich. Er suggeriert einen Automatismus, den es nicht gibt. Die Stimmung kippt nicht. Sie wird gekippt.

Die Ampel hat im Koalitionsvertrag einen neuen Umgang mit dem Thema versprochen: Migration nicht als Problem, sondern als Normalität. Die zugehörigen Gesetzesvorhaben geht die Regierung auch an. Was sie aber tagtäglich vermittelt, ist ein Bild von Migration und vor allem von Flucht als Bedrohung.

Natürlich ist es eine Herausforderung, wenn in kurzer Zeit viele Menschen Schutz suchen. Aber für Herausforderungen gibt es Lösungen. Die Union bläst aus lauter Angst vor weiterem Stimmverlust inbrünstig in das Horn der AfD – und die Bundesregierung lässt sich mitreißen vom Untergangssound, statt den versprochenen Paradigmenwandel zu verteidigen.

Da ist vom „Kollaps“ der Kommunen die Rede, wenn Kanzleramt und Länder sich auf offener Bühne vorrechnen, dass kein einziger Cent mehr übrig sei, um Menschen Schutz vor Krieg und Gewalt zu bieten. Da wird die Notwendigkeit beschworen, sich mit Zäunen zu schützen, statt Ertrinkende zu retten. Da wird auf jene verwiesen, die „wirklich“ Hilfe brauchen, in Abgrenzung zu jenen, denen unlautere Motive unterstellt werden.

All das holt keine einzige Stimme von rechts außen zurück. Stattdessen befördert es die Stimmung über die Klippe, die AfD noch weiter nach oben in den Umfragen – und ist letztlich Öl auf die Molotowcocktails derer, die Gewalt ausüben.

Um das zu verstehen, reicht ein Blick in die Jahre nach 2015, als flüchtende Menschen als „Welle“, als Naturkatastrophe bezeichnet wurden – und bundesweit Unterkünfte brannten. Oder in die 1990er: Der Mob wütete in Rostock-Lichtenhagen, Bundesregierung und Parlament beugten sich dem Druck von rechts und beschnitten das Grundrecht auf Asyl drastisch. Kurz danach verbrannten in Solingen fünf Menschen.

 

Hier zum Nachlesen der Bericht von evangelisch.de vom 15.06.2023

Zahl der Angriffe auf Flüchtlinge sprunghaft gestiegen

Im ersten Quartal 2023 verzeichneten Ermittler deutlich mehr Straftaten gegen Asylbewerber als im Vorjahresquartal. Die meisten waren demzufolge rechtsradikal motiviert. Die Linksfraktion vermutet einen Zusammenhang mit der gegenwärtigen Asyldebatte.

15.06.2023 Osnabrück (epd). Die Zahl der Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte ist zu Jahresbeginn bundesweit sprunghaft gestiegen. Das ergab eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag, über die zuerst die "Neue Osnabrücker Zeitung" (Donnerstag) berichtet hatte. Die meisten Straftaten haben nach Angaben der Bundesregierung einen rechtsradikalen Hintergrund.

Gemäß den Zahlen der Bundesregierung gab es in den ersten drei Monaten dieses Jahres 45 Angriffe auf Asylbewerberheime, davon 42 rechtsradikal motiviert. Im Vorjahreszeitraum waren es demnach nur 19 Attacken gewesen, davon 16 aus der rechten Ecke. Meist handele es sich um Sachbeschädigung und Propaganda. In einigen wenigen Fällen gehe es auch um Brandstiftung und gefährliche Körperverletzung.

Im ersten Quartal ist demzufolge bereits ein Drittel der Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte des Gesamtjahrs 2022 (123 Taten) erreicht, wobei es schon im letzten Quartal 2022 mit 48 registrierten Straftaten einen beträchtlichen Anstieg im Vergleich zu den anderen Quartalen dieses Jahres gab.

Auch die Zahl der Angriffe auf Flüchtlinge außerhalb von Unterkünften ist den Zahlen zufolge gestiegen. Im ersten Quartal 2023 gab es den Angaben der Bundesregierung zufolge 408 Angriffe, davon 350 rechtsradikal motiviert. Auch das entspricht rund einem Drittel aller Fälle aus dem gesamten Vorjahr (1.248 Taten). Im ersten Quartal 2022 waren es demnach 243 Attacken, davon 223 mit rechtsradikalem Hintergrund.

Die fluchtpolitische Expertin der Linken, Clara Bünger, die die Anfrage gestellt hatte, sieht einen Zusammenhang des sprunghaften Anstiegs mit der gegenwärtigen Asyldebatte. Sie sagte der Zeitung, seit Wochen gebe es "dramatische verbale Angriffe auf das Recht auf Asyl, Rufe nach verschärfter Abschottung und eine unerträgliche 'Das Boot ist voll'-Rhetorik." Bünger warnte: "Sie bereiten den Boden für rassistische Mobilisierungen auf der Straße und Gewalttaten gegen Geflüchtete."