Appelle an CDU: Geben Sie den Flüchtlingsschutz in Europa nicht auf! Verratet die Geflüchteten nicht!

06.05.2024 Zum Parteitag der CDU empfängt die christliche (?) Partei Appelle. Es geht darin um die Beschlussfassung über das neue Grundsatzprogramm, das "eine besonders gefährliche Passage, die einen Rückzug Europas aus dem weltweiten Flüchtlingsschutz vorsieht", wie Pro Asyl schreibt.

Wir zitieren beide Texte:

Die CDU plant in ihrem neuen Grundsatzprogramm, das Recht auf Asyl in Europa abzuschaffen. Jeder Mensch, der in Europa Asyl beantragt, soll direkt in einen sogenannten „sicheren Drittstaat“ abgeschoben werden. Das ist gegen jedes Recht – und soll doch Programm der CDU werden.

Falls diese Entrechtung beim CDU-Bundesparteitag am 6.–8. Mai 2024 beschlossen wird, ist dies der Plan einer Partei, die vielleicht den nächsten Bundeskanzler stellt. Der öffentliche Skandal bleibt bislang aus. Und auch unsere Kirchenleitungen schweigen. Deswegen übernehmen wir als Pfarrerinnen und Pfarrer, als Theologinnen und Theologen die Verantwortung, tun den Mund auf für die Stummen und sagen, was gesagt werden muss: 

Die asylpolitischen Pläne der CDU sind unchristlich! 

Nichts ist unchristlicher als Menschen in Not zurückzulassen und sich der eigenen Verantwortung billig zu entledigen. Nichts ist der Jesuanischen Botschaft fremder als Nationalismus, ethnische Arroganz und deutsche Leitkulturen. Der Platz von Christinnen und Christen ist an der Seite der Schwachen und Schutzsuchenden. Abschottung, Entrechtung und Rassismus sind für uns keine Option. Nicht nur, weil wir als Christen eine weltweite Gemeinschaft sind. Sondern auch, weil wir an den glauben, der als Flüchtlingskind zur Welt kam. Weil wir an den Christus glauben, der uns sagt: „Was ihr einem meiner geringsten Geschwister getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). Weil unser Glaube uns herausfordert, in Jesus Christus den Notleidenden, den Flüchtling, den Mitmenschen zu sehen.

Wir fordern von der CDU:

Stehen Sie für eine Flüchtlingspolitik, die Menschenwürde und Menschenrechte als Maßstab hat. Achten Sie internationales Recht, statt es abzuschaffen. Machen Sie keinen Wahlkampf auf Kosten von Wahrheit und Anstand. Finden Sie Lösungen und eine Sprache, die von Humanität geleitet sind. Bekämpfen Sie Fluchtursachen, nicht die Flüchtlinge. Entscheiden Sie sich für eine Politik der Mitmenschlichkeit.

Wir fordern von unseren Kirchenleitungen:

Setzen Sie sich für Schutzsuchende ein. Setzen Sie sich mutiger, klarer und unmissverständlich ein. Weisen Sie alle politischen Programme zurück, denen nicht Nächstenliebe und Humanität zugrunde liegen. Nehmen Sie keine Rücksicht auf die Politik, sondern ausschließlich auf die Menschen in Not. Besuchen Sie Geflüchtete in ihren Unterkünften. Verteidigen Sie das Kirchenasyl.

Bietet Zuflucht wie ein Schatten, der in der Mittagshitze schützt wie die Nacht. Versteckt die Vertriebenen, verratet die Geflüchteten nicht! Jesaja 16,3

 

Bei ihrem Bundesparteitag vom 6.–8. Mai 2024 debattiert die CDU über ein neues Grundsatzprogramm. Hierzu gehört eine besonders gefährlich Passage, die einen Rückzug Europas aus dem weltweiten Flüchtlingsschutz vorsieht. Das würde das Leben fliehender Menschen noch massiver gefährden, gegen die Genfer Flüchtlingskonvention verstoßen und Europa in Abhängigkeiten von anderen Staaten bringen. 

„Der Vorschlag, alle in Europa schutzsuchenden Menschen in Drittstaaten abzuschieben, ist völkerrechtswidrig und brandgefährlich. Die CDU würde sich mit diesem Vorstoß davon verabschieden, eine Partei zu sein, die Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit für alle Menschen achtet. Die Genfer Flüchtlingskonvention und das europäische Menschenrechtssystem sind Lehren aus den Verbrechen des deutschen Nazi-Regimes. Es ist entsetzlich geschichtsvergessen, diese Errungenschaften aufs Spiel zu setzen“, warnt Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von PRO ASYL.

Auch über 700 Theolog*innen appellieren an die CDU, das Recht auf Asyl im Einklang mit ihren christlichen Werten zu schützen. Die Abschaffung des Asylrechts sei unchristlich, so der Aufruf der Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche.

Wörtlich heißt es in dem Programmentwurf: „Jeder, der in Europa Asyl beantragt, soll in einen sicheren Drittstaat überführt werden und dort ein Verfahren durchlaufen. Im Falle eines positiven Ausgangs wird der sichere Drittstaat dem Antragsteller vor Ort Schutz gewähren.“ Gleichzeitig bekennt sich die Partei in dem Programm klar zur Achtung der Würde des einzelnen Menschen, zu den Grund- und Menschenrechten sowie zum Rechtsstaat. Auch die besondere historische Verantwortung Deutschlands im Kampf gegen Antisemitismus, Rassismus und Menschenverachtung wird angesprochen. Dies passt jedoch nicht zu dem „grundlegenden Wandel des europäischen Asylrechts“, mit dem das Asylrecht in Europa faktisch abgeschafft werden soll. Mit einer solchen Position würde die CDU einen fundamentalen Kurswechsel vornehmen: Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, könnten dann in Europa keinen Schutz mehr bekommen.

Die Auslagerung des Flüchtlingsschutzes ist eine zum Scheitern verurteilte Idee

Eine Auslagerung des Flüchtlingsschutzes an Transit- oder Drittstaaten wird entgegen der Versprechen die Herausforderungen deutscher Kommunen nicht lösen, aber gravierende Menschenrechtsverletzungen, hohe Kosten und Aufwand sowie Abhängigkeiten von Drittstaaten verursachen. PRO ASYL lehnt die Externalisierung des Flüchtlingsschutzes deswegen grundsätzlich ab.

Zudem fehlt in der Diskussion die Perspektive von fliehenden Menschen. Es wird vernachlässigt, dass es für sie gute Gründe gibt, die lebensgefährliche Flucht nach Europa auf sich zu nehmen und dass auch weitere Erschwernisse sie nicht davon abhalten werden. Entsprechende Studien zeigen, dass Abschreckungseffekte ausbleiben (siehe Fakten gegen die Mythen des EU-Türkei-Deals).  Die Externalisierung des Flüchtlingsschutzes ist gerade kein humanitäres Gegenmodell zum bestehenden Flüchtlingsrecht, sondern kann zu noch tödlicheren Routen führen.

Die bisherigen Versuche, den Flüchtlingsschutz zu externalisieren, sollten Mahnung für die CDU sein, diesen Weg nicht weiter zu verfolgen. Sie zeigen, dass entsprechende Rückführungen in Drittstaaten kaum oder gar nicht funktionieren, diese aber viel Leid bei den schutzsuchenden Menschen verursachen, das Asyl- und Aufnahmesystem im eigenen Land massiv beschädigen und sehr kostenintensiv sind (siehe News zum britischen Deal mit Ruanda).

Vorschlag verstößt gegen die Genfer Flüchtlingskonvention

In der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ist nicht vorgesehen, dass ein Staat seine Verantwortung für den Flüchtlingsschutz auf einen anderen Staat überträgt. Stattdessen wird bereits in der Präambel der GFK die internationale Verantwortungsteilung für den Flüchtlingsschutz betont, damit einzelne Staaten nicht überlastet werden. Vorschläge, alle in Europa schutzsuchenden Menschen in Länder außerhalb der EU zu bringen, widersprechen der Verpflichtung zur internationalen Verantwortungsteilung und sind damit konträr zur GFK. Dies hat das UN-Flüchtlingshilfswerk auch bezüglich der Zusammenarbeit des Vereinigten Königreichs mit Ruanda festgestellt.