Baden-Württemberg will Schmuck von Asylsuchenden

13.02.2025 Eine neue Variante der Abschreckung Schutzsuchender kommt aus dem baden-württembergischen Justizministerium: die flächendeckende Beschlagnahmung von Wertgegenständen wie zum Beispiel Schmuck.

"Die jüngsten Vorschläge aus dem Justizministerium sind ein weiteres Beispiel dafür, wie im aktuellen Kontext migrationspolitische Härte demonstriert werden soll - und zwar relativ losgelöst von den faktischen Rahmenbedingungen", so Leiterin Anja Bartel vom Flüchtlingsrat in Baden-Württemberg

Dass ein eventuelles Vermögen bei der Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz berücksichtigt werden müsse, sei gesetzlich klar geregelt. "Klar ist aber auch: Wer Asyl beantragt, nutzt ein Grundrecht und das darf nicht mit Kosten verbunden sein".

Der SWR berichtete am 11.02.2025:

Justizministerium will verstärkt Wertgegenstände von Asylbewerbern einbehalten - Flüchtlingsrat kritisiert mögliche Willkür

Um die Flüchtlingszahlen in Baden-Württemberg zu senken, will das Justizministerium das Asylrecht in einigen Punkten verschärfen. Als Vorbild dient Dänemark - doch an dem Vorstoß gibt es Kritik.

Das baden-württembergische Justizministerium will bei der Aufnahme von Geflüchteten verstärkt auf abschreckende Maßnahmen setzen. Unter anderem sollen Asylbewerberinnen und -bewerbern flächendeckend auch Wertgegenstände abgenommen werden. Man müsse klar kommunizieren, dass man Geld und Wertgegenstände im gesetzlichen Rahmen beschlagnahme, sagte Justizstaatssekretär Siegfried Lorek (CDU). Die "Stuttgarter Zeitung" hatte zuerst berichtet.

Flüchtlingsrat: Großteil der Flüchtlinge verfügt nicht über viel Geld oder Schmuck

Der Flüchtlingsrat in Baden-Württemberg kritisierte den Vorstoß aus dem Ministerium. Man stelle die gesetzliche Regelung nicht infrage. Allerdings seien bereits vor Jahren Behörden zu dem Schluss gekommen, dass viele Flüchtlinge ohnehin nicht über nennenswerte Mittel verfügten, die eingezogen werden könnten. Die Durchsuchungen könnten deshalb leicht als Akt der Willkür verstanden werden. "Die jüngsten Vorschläge aus dem Justizministerium sind ein weiteres Beispiel dafür, wie im aktuellen Kontext migrationspolitische Härte demonstriert werden soll - und zwar relativ losgelöst von den faktischen Rahmenbedingungen", so Leiterin Anja Bartel. Dass ein eventuelles Vermögen bei der Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz berücksichtigt werden müsse, sei gesetzlich klar geregelt. "Klar ist aber auch: Wer Asyl beantragt, nutzt ein Grundrecht und das darf nicht mit Kosten verbunden sein", so Bartel.

Umgang mit Flüchtlingen: Justizministerium nimmt sich Dänemark zum Vorbild

Bisher werde das nur vereinzelt gemacht - beispielsweise im Ankunftszentrum Heidelberg und nur für die Untersuchung zur Feststellung der Identität. Künftig soll diese Maßnahme auch in anderen Aufnahmeeinrichtungen in Baden-Württemberg möglich sein. Werden bei der Untersuchung zur Identitätsfeststellung mehr als 200 Euro sichergestellt, werde das Geld beschlagnahmt. Maximal 5.000 Euro würden in so einem Fall einbehalten und mit den Verfahrenskosten verrechnet. Wenn sich das herumspreche, werde das die Zugangszahlen senken, sagte Lorek laut dem Bericht der "Stuttgarter Zeitung".

Ähnlich gehe Dänemark bereits vor. Asylbewerbern würden dort bei der Ankunft Wertgegenstände abgenommen, um somit einen Teil der Kosten zu begleichen. Dies sei auch hierzulande möglich, so Lorek.

Justizministerin Gentges fordert strengeres Asylsystem

Auch mit Blick auf Dänemarks strenges Asylrecht plädiert Landesjustizministerin Marion Gentges (CDU) dafür, das deutsche Asylsystem in manchen Punkten grundlegend neu zu gestalten. Sie wolle prüfen lassen, ob der Rechtsweg bei einem abgelehnten Bescheid verkürzt werden könne. Während in Dänemark nur ein Widerspruch gegen einen abgelehnten Asylantrag möglich ist, können Asylbewerber in Deutschland ihrer Ablehnung bis zu vier Mal widersprechen. "Entscheidend ist die Effizienz. Es gibt nicht, wie bei uns, einen langen Rechtsweg mit vielen separaten Rechtsmitteln. Es kann gegen verschiedene Einzelentscheidungen vorgegangen werden. Wir sollten prüfen, die Verwaltungsgerichtsordnung so zu ändern, dass der Instanzenzug in asylgerichtlichen Verfahren verkürzt wird. Dem steht das EU-Recht nicht im Wege", so Gentges.

In Dänemark gebe es zudem bis zu 3.500 Euro, wenn abgelehnte Asylbewerber auf einen Widerspruch verzichten. Insofern sollte man laut Gentges auch hierzulande darüber sprechen, für freiwillige Ausreisen mehr zu zahlen. Solche Maßnahmen müssten allerdings vom Bund beschlossen werden. Im Bundestag hatte die CDU bereits vor zwei Wochen mit einem Antrag für ein strengeres Migrationsgesetz für Aufsehen gesorgt.

Grüne: CDU betreibt bei Asyl-Politik Wahlkampftaktik

Die SPD zeigte sich erstaunt über den Vorstoß der CDU. Die rechtlichen Rahmenbedingungen, um Asylbewerbern bei ihrer Ankunft bereits Geld und Wertgegenstände abzunehmen, gebe es bereits. "Für diese Erkenntnis braucht es keine Reise nach Dänemark", sagte SPD-Innenexperte Sascha Binder dem SWR. Warum das in Baden-Württemberg bislang nicht passiert sei, müsse die Justizministerin selbst am besten wissen.

Kritik kam von den Grünen. "Der Vorstoß, dänische Methoden zu kopieren, ist nichts anderes als durchsichtige Wahlkampftaktik", so der migrationspolitische Sprecher, Daniel Lede Abal. Im Wahlkampf stelle die CDU ständig neue "populistische Forderungen". Worauf es jetzt ankomme, sei bestehende Regelungen auch wirklich anzuwenden.

 

Auch die fluchtpolitische Sprecherin der Linke-Gruppe im Bundestag, Clara Bünger, bewertete den Vorstoß: »Es spricht nichts dagegen, wenn wohlhabende Asylsuchende selbst für ihre Versorgung aufkommen«, sagt die Abgeordnete zu »nd«. Die allermeisten Geflüchteten seien aber mittellos oder sogar hochverschuldet: »Nicht zuletzt, weil sie riesige Summen für ihre gefährliche Flucht ausgeben mussten«. (Beitrag im nd "Abzocke von Geflüchteten" am 11.02.2025)

Dort heißt es:

Das Justizministerium Baden-Württemberg will bei der Aufnahme von Geflüchteten verstärkt auf abschreckende Maßnahmen setzen. Dazu gehört die flächendeckende Beschlagnahmung von Wertgegenständen, wie der Justizstaatssekretär Siegfried Lorek (CDU) der »Stuttgarter Zeitung« erklärte. Die grün-schwarze Landesregierung orientiert sich dabei an Dänemark, wo bereits seit Jahren ähnliche Regelungen gelten. Derzeit wird in dem Bundesland lediglich in Einzelfällen, beispielsweise im Ankunftszentrum Heidelberg, Geld eingezogen und zur Deckung der Asylverfahrenskosten genutzt. Man werde diesen Ansatz nun »in die Fläche bringen«, sagte ein Sprecher des Justizministeriums zu »nd«.

Grundlage für die Repressalie ist das seit 1993 geltende Asylbewerberleistungsgesetz, das in Paragraf 7 bestimmt, das Einkommen und Vermögen von Leistungsberechtigten und Familienangehörigen »vor Eintritt von Leistungen nach diesem Gesetz aufzubrauchen«. Das soll auch bei einer Unterbringung in einer Einrichtung gelten, in der Sachleistungen gewährt werden.

Beschlagnahmt werden Mittel, die über dem in Baden-Württemberg geltenden Selbstbehalt von 200 Euro liegen, so der Sprecher. Sie werden anschließend auf das Konto des Regierungspräsidiums und von dort an den zuständigen Landkreis überwiesen, erfuhr das »nd« bereits 2016. Maximal können bis zu 5000 Euro einbehalten werden.

Dass nun auch Schmuck und andere Wertgegenstände zu Geld gemacht werden sollen, sorgt für Kritik. Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg verweist darauf, dass die Maßnahme vor allem symbolischen Charakter habe. So sieht es auch die fluchtpolitische Sprecherin der Linke-Gruppe im Bundestag, Clara Bünger. »Es spricht nichts dagegen, wenn wohlhabende Asylsuchende selbst für ihre Versorgung aufkommen«, sagt die Abgeordnete zu »nd«. Die allermeisten Geflüchteten seien aber mittellos oder sogar hochverschuldet: »Nicht zuletzt, weil sie riesige Summen für ihre gefährliche Flucht ausgeben mussten«.