Bald Vereinbarung mit Taliban über Abschiebungen nach Afghanistan: Sollen künftig deutlich leichter, regelmäßiger und in größerem Maßstab erfolgen

14.09.2025 Während die Bundesregierung offenbar bedenkenlos weitere Abschiebungen nach Afghanistan vorbereitet, warnt die Internationale Organisation für Migration (IOM) vor den immensen Schwierigkeiten, vor denen Rückkehrer stehen; sie setzte die Unterstützung für freiwillige Rückkehr aus. Pro Asyl erklärt dazu in einem Pressestatement:

Dass die Bundesregierung nun direkt mit dem Regime der Taliban kooperiert, ist schockierend und ein Skandal. Bundesinnenminister Dobrindt untergräbt mit seiner Abschiebungsobsession die internationale Ächtung der Taliban, die aufgrund ihrer Menschenrechtsverbrechen und der Entrechtung von Frauen geboten ist... (Pro Asyl)

Aus der Tagesschau:

Vertreter Afghanistans und Vertreter des Bundesinnenministeriums würden nun miteinander besprechen, wie diese Abschiebungen laufen können, sagte der CSU-Politiker. "Wir wollen nicht nur mit Charterflügen abschieben, wir wollen auch über Linienflüge Abschiebungen ermöglichen."

"Wir wollen selber Abschiebungen ermöglichen, deswegen gibt es technische Kontakte mit Kollegen aus dem Innenministerium und Vertretern."

Abschiebungen sollten künftig deutlich leichter, regelmäßiger und in größerem Maßstab ablaufen als bisher. Dobrindt rechnet nach eigener Aussage mit einer endgültigen Vereinbarung mit den Taliban in den kommenden Wochen.

"Wir wollen Abschiebungen auch nach Afghanistan und nach Syrien ermöglichen und deswegen muss man natürlich auch mit Vertretern dort vor Ort sprechen." 

Viele der zwangsweise zurückgeführten Menschen täten sich mit dem Neuanfang in der alten Heimat extrem schwer, sagt die Leiterin der IOM-Operation in Afghanistan, Mihyung Park.

Die Chefin von IOM-Afghanistan berichtet, in diesem Jahr hätten Pakistan und der Iran insgesamt etwa zwei Millionen Menschen nach Afghanistan zurückgeführt. Für das Gesamtjahr rechne man mit etwa drei Millionen Rückkehrern. (alles aus Tagesschau, s. unten)

 

Pro Asyl gibt dazu ein Pressestatement ab:

16.09.2025 Die Bun­des­re­gie­rung hat direk­te Ver­hand­lun­gen mit den Tali­ban zum Zweck von Abschie­bun­gen auf­ge­nom­men. Rechts­po­li­ti­sche Spre­che­rin Wieb­ke Judith von PRO ASYL kommentiert:

„Dass die Bun­des­re­gie­rung nun direkt mit dem Regime der Tali­ban koope­riert, ist scho­ckie­rend und ein Skan­dal. Bun­des­in­nen­mi­nis­ter Dob­rindt unter­gräbt mit sei­ner Abschie­bungs­ob­ses­si­on die inter­na­tio­na­le Äch­tung der Tali­ban, die auf­grund ihrer Men­schen­rechts­ver­bre­chen und der Ent­rech­tung von Frau­en gebo­ten ist.

Die Lage in Afgha­ni­stan ist ins­ge­samt kata­stro­phal: Von der Unter­drü­ckung der Bevöl­ke­rung und dra­ko­ni­schen Stra­fen bei Ver­stö­ßen gegen isla­mis­ti­sche Geset­ze hin zu einer huma­ni­tä­ren Kri­se, die gera­de erst durch das fata­le Erd­be­ben ver­stärkt wur­de. Das bedeu­tet, dass Abschie­bun­gen nach Afgha­ni­stan völ­ker­recht­lich ver­bo­ten sind. Bun­des­in­nen­mi­nis­ter Dob­rindt muss drin­gend auf den Boden der Tat­sa­chen und des Rechts­staa­tes zurück­kom­men. Abschie­bun­gen nach Afgha­ni­stan sind sowohl recht­lich als auch poli­tisch fatal.“

 

14.09.2025 Die Bundesregierung will mehr Menschen nach Afghanistan abschieben. Nun führt sie direkte Gespräche mit den islamistischen Taliban. Die Internationale Organisation für Migration sieht jedoch hohe Hürden für Rückkehrer.

Direkte Verhandlungen mit den militant-islamistischen Taliban - das galt lange als Tabu. Nun hat sich die Bundesregierung zu Gesprächen über weitere Abschiebungen nach Afghanistan entschlossen, sagte Innenminister Alexander Dobrindt in einem Interview. Zuvor hatte die Bild-Zeitung darüber berichtet.

Vertreter Afghanistans und Vertreter des Bundesinnenministeriums würden nun miteinander besprechen, wie diese Abschiebungen laufen können, sagte der CSU-Politiker. "Wir wollen nicht nur mit Charterflügen abschieben, wir wollen auch über Linienflüge Abschiebungen ermöglichen." Es gehe um "Fragen wie Identitätsfeststellungen und dergleichen". "Das muss auch abgestimmt werden mit afghanischen Vertretern, das läuft jetzt über technische Kontakte", sagte Dobrindt.

Endgültige Vereinbarung in kommenden Wochen möglich

Die Bundesregierung unterhält keine diplomatischen Beziehungen zu den Taliban, die seit August 2021 wieder in Afghanistan an der Macht und wegen ihrer Missachtung von Menschen- und vor allem Frauenrechten international isoliert sind. Mit der Hilfe von Katar wurden zuletzt zwei Sammelabschiebungen organisiert. Die Unterstützung Katars sei keine dauerhafte Lösung, sagte Dobrindt. "Wir wollen selber Abschiebungen ermöglichen, deswegen gibt es technische Kontakte mit Kollegen aus dem Innenministerium und Vertretern."

Abschiebungen sollten künftig deutlich leichter, regelmäßiger und in größerem Maßstab ablaufen als bisher. Dobrindt rechnet nach eigener Aussage mit einer endgültigen Vereinbarung mit den Taliban in den kommenden Wochen.

Keine Zugeständnisse an Taliban

Die islamistischen Taliban bemühen sich um internationale Anerkennung und nutzen dafür auch gezielt Verhandlungen über Rückführungen. Innenminister Dobrindt sagte jedoch, dass es keine Zugeständnisse von deutscher Seite geben werde. "Es geht nicht um diplomatische Anerkennung, überhaupt nicht", betonte er. "Wir wollen Abschiebungen auch nach Afghanistan und nach Syrien ermöglichen und deswegen muss man natürlich auch mit Vertretern dort vor Ort sprechen."

Der Minister wehrte sich gegen Kritik. "Umgekehrt hat man überhaupt keine Hemmungen, mit Vertretern dort vor Ort zu sprechen, wenn es darum geht, Menschen aus Afghanistan rauszubringen." doch wenn es darum gehe, "Straftäter zurückzubringen, hat man auf einmal Vorbehalte".

IOM hat Unterstützung für freiwillige Ausreise ausgesetzt

Derweil machte die Internationale Organisation für Migration (IOM) auf die Lage der Rückkehrer aufmerksam. Viele der zwangsweise zurückgeführten Menschen täten sich mit dem Neuanfang in der alten Heimat extrem schwer, sagt die Leiterin der IOM-Operation in Afghanistan, Mihyung Park. Nicht umsonst stehe Afghanistan aktuell auf der Liste der Staaten, für die IOM ihre Unterstützung für freiwillige Rückkehr vorübergehend ausgesetzt beziehungsweise eingeschränkt hat.

Park lobt die Unterstützung Deutschlands und der Europäischen Union für die Vereinten Nationen, die Rückkehrer nach Afghanistan an den verschiedenen Grenzübergängen in sogenannten Empfangszentren mit dem Nötigsten versorgen. Dazu gehöre etwa Bargeld, um zumindest die Weiterreise bis zum Zielort innerhalb Afghanistans zu finanzieren. Auch Nichtregierungsorganisationen sind dort aktiv.

Für viele eine Rückkehr ohne Perspektive

Das Ankommen sei jedoch schwierig. "Einige dieser Menschen haben noch nie dort gelebt." Andere hätten, um ihre Flucht oder Auswanderung zu finanzieren, Häuser und Land verkauft, teilweise auch Schulden aufgenommen und stünden deshalb nun vor dem Nichts. Frauen werde zudem der Zugang zum Arbeitsmarkt und zu höheren Bildungsabschlüssen systematisch verwehrt.

Hinzu kommen Menschen, die wegen ihrer Tätigkeit vor dem Machtwechsel in Kabul führende Positionen im Regierungsapparat hatten, beziehungsweise aufgrund ihrer Arbeit als Journalistinnen oder Menschenrechtler Verfolgung durch die islamistischen Taliban befürchten.

Pakistan schiebt ab - darunter Menschen mit deutscher Aufnahmezusage

Nicht nur aus Deutschland werden Menschen nach Afghanistan abgeschoben, die meisten Rückführungen von Afghaninnen und Afghanen gab es seit Anfang 2023 aus dem Iran und Pakistan, das zuletzt mehr als 200 Menschen ins Nachbarland abschob, die eine Aufnahmezusage für Deutschland hatten. Bei ihnen handelt es sich um ehemalige Ortskräfte oder Personen, die als besonders gefährdet gelten.

Da die deutsche Botschaft in Kabul seit dem Fall Afghanistans an die Taliban im August 2021 geschlossen ist, durchlaufen sie in Pakistans Hauptstadt Islamabad ein Prüfverfahren. Mehr als 200 von ihnen waren im August von den pakistanischen Behörden festgenommen und zur afghanischen Grenze gebracht worden. Zudem gab es Hinweise auf weitere Festnahmen.

Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts sagte: "Es besteht ein Konsens mit der pakistanischen Regierung, die Aufnahmeverfahren bis zum Jahresende geordnet abzuschließen." Anfang des Monats kamen 47 Afghaninnen und Afghanen mit einer Aufnahmezusage per Linienflug über Istanbul nach Deutschland. Sie hatten zuvor auf Erteilung eines Visums geklagt.

Auch die Türkei schiebt Afghanen ab

Auch aus der Türkei gibt es regelmäßig Charterflüge mit Afghanen an Bord. Diese Menschen, die in der Regel ohne gültige Aufenthaltspapiere aufgegriffen und dann in geschlossenen Zentren untergebracht werden, reisen zwar nach Darstellung der türkischen Behörden freiwillig aus. Nichtregierungsorganisation wie der European Council on Refugees and Exiles (ECRE) beurteilen den Prozess allerdings anders.

Der ECRE berichtet, im vergangenen Jahr seien in der Türkei 65.815 Afghanen als irreguläre Migranten festgenommen worden. In diesem Jahr waren es demnach bis zum 8. Mai 16.268 Staatsbürger Afghanistans.
Viele der Afghanen, die in türkischen Städten leben, arbeiten dort mit dem Ziel, genügend Geld für eine Weiterreise nach Europa mit einem Schmuggler zu verdienen.

IOM rechnet dieses Jahr mit etwa drei Millionen Rückkehrern

Die Chefin von IOM-Afghanistan berichtet, in diesem Jahr hätten Pakistan und der Iran insgesamt etwa zwei Millionen Menschen nach Afghanistan zurückgeführt. Für das Gesamtjahr rechne man mit etwa drei Millionen Rückkehrern.

Sehr schwierig sei es im Juli gewesen, als das Ende einer von den iranischen Behörden verfügten Ausreisefrist für Afghanen ohne Aufenthaltstitel mit den Angriffen Israels auf den Iran zusammenfiel. Im Juli seien täglich zwischen 30.000 und 40.000 Menschen über die Grenze gekommen - "das kann nicht bewältigt werden", sagt Park. Aktuell kämen weniger als 10.000 pro Tag.

 

Die Internationale Organisation für Migration IOM sieht große Gefahren für Menschen, die nach Afghanistan abgeschoben werden

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) sieht Abschiebungen nach Afghanistan kritisch. Viele der zwangsweise zurückgeführten Menschen täten sich mit dem Neuanfang in der alten Heimat extrem schwer, sagte die Leiterin der IOM-Operation in Afghanistan, Mihyung Park, der Deutschen Presse-Agentur. Nicht umsonst stehe Afghanistan aktuell auf der Liste der Staaten, für die IOM ihre Unterstützung für freiwillige Rückkehr vorübergehend ausgesetzt beziehungsweise eingeschränkt hat.

Über diejenigen, die aus Pakistan oder dem Iran nach Afghanistan abgeschoben werden, sagt Park: »Einige dieser Menschen haben noch nie dort gelebt.« Andere hätten, um ihre Flucht oder Auswanderung zu finanzieren, Häuser und Land verkauft, teilweise auch Schulden aufgenommen und stünden deshalb nun vor dem Nichts. Frauen werde zudem der Zugang zum Arbeitsmarkt und zu höheren Bildungsabschlüssen systematisch verwehrt.

Hinzu kommen Menschen, die wegen ihrer Tätigkeit vor dem Machtwechsel in Kabul führende Positionen im Regierungsapparat hatten, beziehungsweise aufgrund ihrer Arbeit als Journalistinnen oder Menschenrechtler Verfolgung durch die islamistischen Taliban befürchten.

»Empfangszentren« an Grenzübergängen

Park, die nach eigenen Angaben in den vergangenen Tagen in Berlin mit Regierungsbeamten des Bundesinnenministeriums und des Auswärtigen Amts gesprochen hat, lobt die Unterstützung Deutschlands und der Europäischen Union für die Vereinten Nationen, die Rückkehrer nach Afghanistan an den verschiedenen Grenzübergängen in sogenannten Empfangszentren mit dem Nötigsten versorgen. Dazu gehöre etwa Bargeld, um zumindest die Weiterreise bis zum Zielort innerhalb Afghanistans zu finanzieren. Auch Nichtregierungsorganisationen sind dort aktiv.

Doch die Südkoreanerin sieht auch Probleme: Durch den Kurswechsel im Weißen Haus sind die USA als wichtigster Geber weggefallen. Andere Geberländer investierten aufgrund aktueller geopolitischer Risiken stärker in die Verteidigung und sparten bei der Entwicklungszusammenarbeit. Außerdem hätten Deutschland und andere Geber den Vereinten Nationen für ihre Arbeit in Afghanistan strenge Vorgaben gemacht, weil sie die De-facto-Machthaber in Kabul nicht offiziell anerkennen wollen.

Sie nennt ein Beispiel: Die De-facto-Regierung habe nur wenige alte Computer und Drucker für die Registrierung der Rückkehrer an den Grenzübergängen. Das führe dazu, dass der Prozess oft mit sehr langen Wartezeiten verbunden sei. »Doch die Geber erlauben uns nicht, Computer für sie zu kaufen.«

Keine Kompromisse machen die UN-Organisationen laut Park, wenn es um die Beschäftigung von Frauen geht – auch wenn das immer wieder zu Auseinandersetzungen mit den Machthabern führt und die Frauen von einem männlichen Angehörigen zur Arbeit begleitet werden müssen. Zumindest zwei positive Entwicklungen seien zu beobachten, sagt die IOM-Vertreterin: Internationale Hilfsorganisationen hätten inzwischen Zugang zu allen Provinzen des Landes, und die Sicherheitslage sei insgesamt deutlich besser als noch vor fünf Jahren.

Abschiebung aus Pakistan trotz deutscher Aufnahmeprogramme

Die meisten Abschiebungen von Afghaninnen und Afghanen gab es seit Anfang 2023 aus Pakistan und dem Iran. Zuletzt wurden von dort auch etliche der mehr als 2000 Menschen aus verschiedenen deutschen Aufnahmeprogrammen zur Ausreise nach Afghanistan gezwungen. Sie sind ehemalige Ortskräfte deutscher Institutionen oder gelten aus anderen Gründen als besonders gefährdet. Da die deutsche Botschaft in Kabul seit dem Fall Afghanistans an die Taliban im August 2021 geschlossen ist, durchlaufen sie in Pakistans Hauptstadt Islamabad ein Prüfverfahren.

Mehr als 200 von ihnen waren im August von den pakistanischen Behörden festgenommen und zur afghanischen Grenze gebracht worden. Zudem gab es Hinweise auf weitere Festnahmen und Abschiebungen. Außenminister Johann Wadephul (CDU) erlärte, er setze sich dafür ein, dass das nicht mehr passiert. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts sagte am Freitag: »Es besteht ein Konsens mit der pakistanischen Regierung, die Aufnahmeverfahren bis zum Jahresende geordnet abzuschließen.« Anfang des Monats kamen 47 Afghaninnen und Afghanen mit einer Aufnahmezusage per Linienflug über Istanbul nach Deutschland. Sie hatten zuvor auf Erteilung eines Visums geklagt.

Auch die Türkei schiebt Afghanen ab

Auch aus der Türkei gibt es regelmäßig Charterflüge mit Afghanen an Bord. Diese Menschen, die in der Regel ohne gültige Aufenthaltspapiere aufgegriffen und dann in geschlossenen Zentren untergebracht wurden, reisen zwar nach Darstellung der türkischen Behörden freiwillig aus. Nichtregierungsorganisation wie der European Council on Refugees and Exiles (ECRE) beurteilen das anders.

Der ECRE berichtet, im vergangenen Jahr seien in der Türkei 65 815 Afghanen als irreguläre Migranten festgenommen worden. In diesem Jahr waren es demnach bis zum 8. Mai mehr als 16 000. Viele der Afghanen, die in türkischen Städten leben, arbeiten dort mit dem Ziel, genügend Geld für eine Weiterreise nach Europa zu verdienen. Insofern ist die EU generell nicht unglücklich darüber, dass die Türkei jedes Jahr einige Tausend von ihnen abschiebt.

Die Chefin von IOM-Afghanistan berichtet, in diesem Jahr hätten Pakistan und der Iran insgesamt bereits rund zwei Millionen Menschen nach Afghanistan zurückgeführt. Für das Gesamtjahr rechne man mit etwa drei Millionen.

Sehr schwierig sei es im Juli gewesen, als das Ende einer von den iranischen Behörden verfügten Ausreisefrist für Afghanen ohne Aufenthaltstitel mit den Angriffen Israels auf den Iran zusammenfiel. Im Juli seien täglich 30 000 bis 40 000 Menschen über die Grenze gekommen. »Das kann nicht bewältigt werden«, sagt Park. Aktuell kämen weniger als 10 000 pro Tag.

Kaum Abschiebungen aus Deutschland – bisher

Aus Deutschland wurden zuletzt nur männliche Straftäter nach Afghanistan abgeschoben. Seit der erneuten Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 wurden mit Hilfe von Katar zwei Sammelabschiebungen organisiert. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) will aber dafür sorgen, dass dies künftig häufiger stattfindet.

Afghanistan ist derzeit das Hauptherkunftsland von Menschen, die in Deutschland Asyl beantragen. Weil Mädchen und Frauen in Afghanistan systematisch entrechtet werden, hätten diese eigentlich am meisten Grund, das Land zu verlassen. Fehlende Ressourcen und zusätzliche Gefahren für weibliche Flüchtlinge sorgen allerdings dafür, dass sich vor allem jüngere Männer auf den Weg machen, oft verbunden mit dem Auftrag, Geld nach Hause zu schicken.

In Deutschland entschied das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in den ersten sechs Monaten dieses Jahres über 23 114 Asylanträge afghanischer Männer und Jungen sowie über 5781 Anträge von Mädchen und Frauen aus Afghanistan. Frauen wurde nach Angaben der Bundesregierung deutlich häufiger eine Asylberechtigung beziehungsweise Flüchtlingsschutz zuerkannt als Männern. dpa/nd

 

 

14.09.2025 Die Bundesregierung will mehr Menschen nach Afghanistan abschieben. Nun führt sie direkte Gespräche mit den islamistischen Taliban. Die Internationale Organisation für Migration sieht jedoch hohe Hürden für Rückkehrer.

Direkte Verhandlungen mit den militant-islamistischen Taliban - das galt lange als Tabu. Nun hat sich die Bundesregierung zu Gesprächen über weitere Abschiebungen nach Afghanistan entschlossen, sagte Innenminister Alexander Dobrindt in einem Interview. Zuvor hatte die Bild-Zeitung darüber berichtet.

Vertreter Afghanistans und Vertreter des Bundesinnenministeriums würden nun miteinander besprechen, wie diese Abschiebungen laufen können, sagte der CSU-Politiker. "Wir wollen nicht nur mit Charterflügen abschieben, wir wollen auch über Linienflüge Abschiebungen ermöglichen." Es gehe um "Fragen wie Identitätsfeststellungen und dergleichen". "Das muss auch abgestimmt werden mit afghanischen Vertretern, das läuft jetzt über technische Kontakte", sagte Dobrindt.

Endgültige Vereinbarung in kommenden Wochen möglich

Die Bundesregierung unterhält keine diplomatischen Beziehungen zu den Taliban, die seit August 2021 wieder in Afghanistan an der Macht und wegen ihrer Missachtung von Menschen- und vor allem Frauenrechten international isoliert sind. Mit der Hilfe von Katar wurden zuletzt zwei Sammelabschiebungen organisiert. Die Unterstützung Katars sei keine dauerhafte Lösung, sagte Dobrindt. "Wir wollen selber Abschiebungen ermöglichen, deswegen gibt es technische Kontakte mit Kollegen aus dem Innenministerium und Vertretern."

Abschiebungen sollten künftig deutlich leichter, regelmäßiger und in größerem Maßstab ablaufen als bisher. Dobrindt rechnet nach eigener Aussage mit einer endgültigen Vereinbarung mit den Taliban in den kommenden Wochen.

Keine Zugeständnisse an Taliban

Die islamistischen Taliban bemühen sich um internationale Anerkennung und nutzen dafür auch gezielt Verhandlungen über Rückführungen. Innenminister Dobrindt sagte jedoch, dass es keine Zugeständnisse von deutscher Seite geben werde. "Es geht nicht um diplomatische Anerkennung, überhaupt nicht", betonte er. "Wir wollen Abschiebungen auch nach Afghanistan und nach Syrien ermöglichen und deswegen muss man natürlich auch mit Vertretern dort vor Ort sprechen."

Der Minister wehrte sich gegen Kritik. "Umgekehrt hat man überhaupt keine Hemmungen, mit Vertretern dort vor Ort zu sprechen, wenn es darum geht, Menschen aus Afghanistan rauszubringen." doch wenn es darum gehe, "Straftäter zurückzubringen, hat man auf einmal Vorbehalte".

IOM hat Unterstützung für freiwillige Ausreise ausgesetzt

Derweil machte die Internationale Organisation für Migration (IOM) auf die Lage der Rückkehrer aufmerksam. Viele der zwangsweise zurückgeführten Menschen täten sich mit dem Neuanfang in der alten Heimat extrem schwer, sagt die Leiterin der IOM-Operation in Afghanistan, Mihyung Park. Nicht umsonst stehe Afghanistan aktuell auf der Liste der Staaten, für die IOM ihre Unterstützung für freiwillige Rückkehr vorübergehend ausgesetzt beziehungsweise eingeschränkt hat.

Park lobt die Unterstützung Deutschlands und der Europäischen Union für die Vereinten Nationen, die Rückkehrer nach Afghanistan an den verschiedenen Grenzübergängen in sogenannten Empfangszentren mit dem Nötigsten versorgen. Dazu gehöre etwa Bargeld, um zumindest die Weiterreise bis zum Zielort innerhalb Afghanistans zu finanzieren. Auch Nichtregierungsorganisationen sind dort aktiv.

Für viele eine Rückkehr ohne Perspektive

Das Ankommen sei jedoch schwierig. "Einige dieser Menschen haben noch nie dort gelebt." Andere hätten, um ihre Flucht oder Auswanderung zu finanzieren, Häuser und Land verkauft, teilweise auch Schulden aufgenommen und stünden deshalb nun vor dem Nichts. Frauen werde zudem der Zugang zum Arbeitsmarkt und zu höheren Bildungsabschlüssen systematisch verwehrt.

Hinzu kommen Menschen, die wegen ihrer Tätigkeit vor dem Machtwechsel in Kabul führende Positionen im Regierungsapparat hatten, beziehungsweise aufgrund ihrer Arbeit als Journalistinnen oder Menschenrechtler Verfolgung durch die islamistischen Taliban befürchten.

Pakistan schiebt ab - darunter Menschen mit deutscher Aufnahmezusage

Nicht nur aus Deutschland werden Menschen nach Afghanistan abgeschoben, die meisten Rückführungen von Afghaninnen und Afghanen gab es seit Anfang 2023 aus dem Iran und Pakistan, das zuletzt mehr als 200 Menschen ins Nachbarland abschob, die eine Aufnahmezusage für Deutschland hatten. Bei ihnen handelt es sich um ehemalige Ortskräfte oder Personen, die als besonders gefährdet gelten.

Da die deutsche Botschaft in Kabul seit dem Fall Afghanistans an die Taliban im August 2021 geschlossen ist, durchlaufen sie in Pakistans Hauptstadt Islamabad ein Prüfverfahren. Mehr als 200 von ihnen waren im August von den pakistanischen Behörden festgenommen und zur afghanischen Grenze gebracht worden. Zudem gab es Hinweise auf weitere Festnahmen.

Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts sagte: "Es besteht ein Konsens mit der pakistanischen Regierung, die Aufnahmeverfahren bis zum Jahresende geordnet abzuschließen." Anfang des Monats kamen 47 Afghaninnen und Afghanen mit einer Aufnahmezusage per Linienflug über Istanbul nach Deutschland. Sie hatten zuvor auf Erteilung eines Visums geklagt.

Auch die Türkei schiebt Afghanen ab

Auch aus der Türkei gibt es regelmäßig Charterflüge mit Afghanen an Bord. Diese Menschen, die in der Regel ohne gültige Aufenthaltspapiere aufgegriffen und dann in geschlossenen Zentren untergebracht werden, reisen zwar nach Darstellung der türkischen Behörden freiwillig aus. Nichtregierungsorganisation wie der European Council on Refugees and Exiles (ECRE) beurteilen den Prozess allerdings anders.

Der ECRE berichtet, im vergangenen Jahr seien in der Türkei 65.815 Afghanen als irreguläre Migranten festgenommen worden. In diesem Jahr waren es demnach bis zum 8. Mai 16.268 Staatsbürger Afghanistans.
Viele der Afghanen, die in türkischen Städten leben, arbeiten dort mit dem Ziel, genügend Geld für eine Weiterreise nach Europa mit einem Schmuggler zu verdienen.

IOM rechnet dieses Jahr mit etwa drei Millionen Rückkehrern

Die Chefin von IOM-Afghanistan berichtet, in diesem Jahr hätten Pakistan und der Iran insgesamt etwa zwei Millionen Menschen nach Afghanistan zurückgeführt. Für das Gesamtjahr rechne man mit etwa drei Millionen Rückkehrern.

Sehr schwierig sei es im Juli gewesen, als das Ende einer von den iranischen Behörden verfügten Ausreisefrist für Afghanen ohne Aufenthaltstitel mit den Angriffen Israels auf den Iran zusammenfiel. Im Juli seien täglich zwischen 30.000 und 40.000 Menschen über die Grenze gekommen - "das kann nicht bewältigt werden", sagt Park. Aktuell kämen weniger als 10.000 pro Tag.