07.03.2025 Auf einen neuen Forschungsbericht des BAMF weist der Flüchtlingsrat NRW aktuell hin:
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat einen Forschungsbericht zur Lebenssituation und Teilhabe ukrainischer Geflüchteter in Deutschland veröffentlicht.
Der Bericht ist eine Zusammenarbeit vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, dem Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung und dem sozio-oekonomischen Panel des DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung).
Den Link zum Bericht finden sie hier.
Die zentralen Ergebnisse:
■ In der zweiten Jahreshälfte 2023 wird die Gruppe der ukrainischen Geflüchteten weiterhin stark von Frauen dominiert, die drei Viertel der erwachsenen Geflüchteten ausmachen. Die Anzahl alleinerziehender 20- bis 49-jähriger Frauen sank in der ersten Zuzugskohorte von 46 Prozent (2022) auf 30 Prozent (2023) und liegt in der zweiten Zuzugskohorte bei rund 20 Prozent, unter anderem deswegen, weil in diesem Zeitraum mehr Männer und Familien nachgezogen sind. Zwei Drittel der erwachsenen Geflüchteten leben in festen Partnerschaften.
■ Die institutionelle Kinderbetreuungsquote steigt mit zunehmender Aufenthaltsdauer der ukrainischen Kinder in Deutschland, jedoch gibt es weiterhin Bedarf, insbesondere bei Kindern im
Alter von unter drei Jahren.
■ In der zweiten Jahreshälfte 2023 sind 60 Prozent der 11- bis 17-Jährigen vollständig in Regelklassen integriert, während 24 Prozent eine Regelklasse mit unterstützendem Zusatzunterricht besuchten und 16 Prozent ausschließlich an speziellen Willkommens- oder Vorbereitungsklassen teilnahmen. Ukrainische Kinder besuchen im Vergleich zur gesamten Schülerschaft häufiger Haupt- oder Mittelschulen, was auf Probleme bei der richtigen Schulwahl hinweist.
■ 97 Prozent der erwachsenen Geflüchteten haben einen Schulabschluss, 75 Prozent verfügen über
berufliche Abschlüsse oder Hochschulabschlüsse und 90 Prozent haben Berufserfahrung. Nur 20
Prozent haben bisher ihre Abschlüsse anerkennen lassen. Die Mehrheit der Anträge auf Anerkennung der Berufsabschlüsse betrifft reglementierte Berufe.
■ Trotz hoher Bildungsaspirationen befinden sich erst 16 Prozent in formaler Bildung oder Weiterbildung, bedingt durch sprachliche Hürden und Betreuungsprobleme.
■ Über die Hälfte plant, dauerhaft in Deutschland zu bleiben, besonders später Zugezogene (69 Prozent). Rückkehrpläne hängen stark vom Ende des Krieges (90 Prozent) und der wirtschaftlichen Lage in der Ukraine (60 Prozent) ab.
■ Die große Mehrheit (83 Prozent) der Geflüchteten wohnt in der zweiten Jahreshälfte 2023 in privaten Immobilien und ist mit der eigenen Wohnsituation zufrieden. Weniger zufrieden sind demgegenüber insbesondere Geflüchtete, die noch in einer Gemeinschaftsunterkunft wohnen.
■ Der Zugang zum Gesundheitssystem ist prinzipiell gut, jedoch gibt es Hürden wie lange Wartezeiten. Psychische Belastungen, besonders Depressionen und Angststörungen, sind häufiger als in der Gesamtbevölkerung, oft ohne dass die Betroffenen selbst Behandlungsbedarf sehen.
■ Die Teilnahmerate an Integrationskursen lag im zweiten Halbjahr 2023 bei 70 Prozent. Bei Frauen
mit kleinen Kindern, Geflüchteten mit gesundheitlichen Einschränkungen und älteren Geflüchteten
gibt es jedoch Hürden bezüglich der Kursteilnahme.
■ Mit zunehmender Teilnahme an Sprachkursen, insbesondere an Integrationskursen, und einer zunehmenden Aufenthaltsdauer verbessern sich die Deutschkenntnisse: 52 Prozent bewerten diese als mindestens „ausreichend“. 40 Prozent verfügen zudem über mittlere bis gute Englischkenntnisse.
■ In der zweiten Jahreshälfte 2023 gehen im Durchschnitt 22 Prozent der ukrainischen Geflüchteten
im erwerbsfähigen Alter (18 bis 64 Jahre) in Deutschland einer Erwerbstätigkeit nach. Mit der
Aufenthaltsdauer steigen die Erwerbstätigenquoten der ukrainischen Geflüchteten: Bei Menschen mit kürzerer Aufenthaltsdauer in Deutschland (maximal 13 Monate) belaufen sie sich auf 17 Prozent, 22 bis 23 Monate nach dem Zuzug auf 31 Prozent.
■ Es zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen: Während etwa 26 Prozent
der geflüchteten Ukrainer in der zweiten Jahreshälfte 2023 erwerbstätig sind, liegt die Erwerbstätigenquote der Ukrainerinnen bei 21 Prozent. Diese Geschlechterunterschiede hängen sehr stark von der Familienkonstellation ab, die sich zwischen den Geschlechtern stark unterscheidet.
■ Persönliche soziale Netzwerke spielen eine zentrale Rolle bei der Stellenvermittlung: 51 Prozent
der erwerbstätigen Geflüchteten haben von Freunden und Bekannten – häufig deutscher Herkunft –
von ihrer Stelle erfahren. Die staatlichen oder privaten Stellenvermittlungen führten dagegen nur
für 7 Prozent der Geflüchteten zur Jobaufnahme.
■ Geflüchtete bringen häufig hohe Qualifikationen und Berufserfahrung mit, sind jedoch oft in Be-
rufen unterhalb ihres ursprünglichen Qualifikationsniveaus tätig (Dequalifizierung). Die mittleren
Bruttomonatsverdienste von vollzeitbeschäftigten ukrainischen Geflüchteten liegen mit 2.600 Euro
unter dem Durchschnittsverdienst aller Vollzeitbeschäftigten in Deutschland (4.479 Euro).
■ Der Abschluss von Deutschkursen, gute Deutschund Englischkenntnisse, soziale Kontakte zu Deutschen sowie die Anerkennung der im Ausland erworbenen Qualifikationen wirken sich positiv auf die Beschäftigungschancen ukrainischer Geflüchteter aus.
■ Die Lebenssituation der Geflüchteten ist insbesondere aufgrund der prekären Lage in der Ukraine weiterhin von erheblicher Unsicherheit geprägt, was sich auch in der polarisierten Verteilung
der Bleibeabsichten widerspiegelt.
■ Trotz deutlicher Fortschritte bei der Lebenssituation und Teilhabe der ukrainischen Geflüchteten in der zweiten Jahreshälfte 2023 besteht somit weiterhin die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Unterstützung in verschiedenen Bereichen.