26.03.2022 "Warum Flüchtlinge oft in Gegenden mit hoher Arbeitslosigkeit ziehen", titeln verschiedene Blätter (Welt) ihren Beitrag zur am 31. Januar veröffentlichten Studie des BAMF. Der Autor der Studie stellt diese Tatsache allerdings nur fest, mit dem Hinweis, die Gründe dafür müssten noch erforscht werden. Zentrale Aussagen: Geflüchtete mit Schutzstatus bevorzugen als Wohn- und Lebensort (Groß-)Städte, obwohl in denen eine überdurchschnittlich hohe Arbeitslosigkeit sowie knapper Wohnraum vorherrschen. Demgegenüber sind insbesondere sehr ländliche Kreise gekennzeichnet von einer starken Abwanderung.
Binnenmobilität von Geflüchteten mit Schutzstatus in Deutschland
"Eine explorative Analyse auf Basis des Ausländerzentralregisters" legte Johannes Weber unter diesem Titel vor:
Die zentrale Ergebnisse: Hervorhebungen durch SR)
■ In der vorliegenden Analyse wird erstmalig die Binnenmobilität von Geflüchteten mit Schutzstatus in Deutschland für das gesamte Bundesgebiet untersucht. Im Mittelpunkt der Studie stehen volljährige Personen, die in den Jahren 2015 bis 2019 erstmalig nach Deutschland eingereist sind, sich dort durchgehend aufgehalten haben, im Besitz eines Aufenthaltstitels aus dem humanitären Bereich und im Ausländerzentralregister (AZR) erfasst sind. Analysiert werden die Wanderungsbewegungen der Jahre 2015 bis einschließlich 2020.
■ Es kann gezeigt werden, dass sich das AZR als Längsschnittdatenquelle für Auswertungen zur Binnenmobilität (Umzüge über Kreisgrenzen hinweg) sehr gut eignet. Insbesondere die hohe Anzahl der erfassten Personen und die Verfügbarkeit von historisierten Informationen zu deren Wanderungsbiographien sowie weiteren individuellen Merkmalen ermöglichen entsprechende Analysen.
■ Geflüchtete mit Schutzstatus wandern im Durchschnitt häufiger über Kreisgrenzen hinweg als andere ausländische Staatsangehörige oder die deutsche Bevölkerung. Dies ist vermutlich weniger das Resultat einer ausgeprägteren individuellen Mobilitätsbereitschaft, sondern vielmehr auf die besonderen rechtlichen Bedingungen zurückzuführen, denen Geflüchtete zu Beginn ihres Aufenthaltes in Deutschland bis zum Abschluss ihres Asylverfahrens unterliegen („Zuweisungsmobilität“).
■ Die Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen den individuellen Merkmalen Alter, Geschlecht sowie Familienstand und der Binnenmobilität entsprechen weitestgehend denen über die deutsche Bevölkerung. Das Alter scheint dabei die wichtigste Rolle zu spielen. Demnach nimmt mit zunehmendem Alter die Mobilität ab. Männliche bzw. ledige Geflüchtete mit Schutzstatus sind mobiler als verheiratete bzw. weibliche Geflüchtete. Diese Zusammenhänge gelten jedoch nicht durchgängig. So gleichen sich beispielsweise Geschlechterunterschiede bei älteren Geflüchteten an.
■ Anhand einer regionalen Auswertung des Wanderungsverhaltens ist zu erkennen, dass große Unterschiede insbesondere hinsichtlich einzelner Ländertypen bestehen. Dabei verbuchen neben den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen vor allem die nordwestlichen Flächenländer Deutschlands hohe Netto-Wanderungsgewinne von Geflüchteten mit Schutzstatus, während in den östlichen Flächenländern erhebliche Netto-Wanderungsverluste beobachtet werden können.
■ Auswertungen über den Zusammenhang zwischen der durchschnittlichen Arbeitslosenquote im Jahr 2020 in den jeweiligen Kreisen und dem Wanderungsverhalten bestätigen auf den ersten Blick nicht die theoretischen Annahmen von Push-Pull-Modellen, demzufolge Menschen vorwiegend in Regionen mit einer guten ökonomischen Lage ziehen. Vielmehr wird anhand der räumlichen Verteilung der Geflüchteten mit Schutzstatus, der Netto-Wanderungssalden und der Wanderungsrichtung deutlich, dass Kreise mit einer vergleichsweise hohen Arbeitslosenquote sowohl häufiger Wohnort als auch Ziel von binnendeutschen Wanderungen sind als Kreise mit geringerer Arbeitslosenquote. Hier sind Effekte der rechtlichen Regularien (staatlich gesteuerte Anfangsverteilung von Asylsuchenden, Wohnsitzregelung für diejenigen mit Schutzstatus) zu berücksichtigen, aber auch Überlagerungen der Arbeitslosenquote mit der Dimension Stadt-Land (siehe den folgenden Punkt).
■ (Groß-)Städte, in denen eine überdurchschnittlich hohe Arbeitslosigkeit sowie knapper Wohnraum vorherrschen, scheinen bei Geflüchteten mit Schutzstatus trotz dieser nachteiligen Bedingungen eine hohe Attraktivität als Wohnort zu haben. Inwieweit dies auf den stärkeren Ausbau der lokalen migrationsspezifischen Infrastrukturen und ethnische Netzwerke zurückzuführen ist, gilt es in zukünftigen Forschungsvorhaben genauer zu untersuchen.
■ Im Vergleich zu städtischen Kreisen haben ländliche Kreise nach wie vor eine geringere Anziehungskraft als Wohnort für Geflüchtete mit Schutzstatus. 55 % aller Personen der Untersuchungsgruppe lebten Ende 2020 in einem städtischen Kreis, diese Regionen verzeichneten außerdem zwischen 2015 und 2020 Netto-Wanderungsgewinne. Im Vergleich dazu sind (Groß-)Städte, in denen eine überdurchschnittlich hohe Arbeitslosigkeit sowie knapper Wohnraum vorherrschen, von Geflüchteten mit Schutzstatus in andere Regionen Deutschlands.
■ Im Vergleich zu städtischen Kreisen haben ländliche Kreise nach wie vor eine geringere Anziehungskraft als Wohnort für Geflüchtete mit Schutzstatus. 55 % aller Personen der Untersuchungsgruppe lebten Ende 2020 in einem städtischen Kreis, diese Regionen verzeichneten außerdem zwischen 2015 und 2020 Netto-Wanderungsgewinne. Im Vergleich dazu sind insbesondere sehr ländliche Kreise gekennzeichnet von einer starken Abwanderung von Geflüchteten mit Schutzstatus in andere Regionen Deutschlands.