07.01.2020. Bonn. Mit freundlicher Genehmigung durch Pfarrerin D. Gruß veröffentlichen wir hier einen Beitrag, der das Engagement der Duisdorfer Ev. Johanniskirchengemeinde und der dortigen Oefh (ökumenische Flüchtlingshilfe) beschreibt, durch Gewährung von Kirchenasyl einzelne Geflüchtete "zu schützen vor inhumanen, lebensbedrohlichen Aussichten im Falle einer Abschiebung" vor der drohenden Dublin-Abschiebung. Trotz Verschärfung der Regeln für Kirchenasyl und zunehmender Härte staatlichen Vorgehens gegen Verantwortliche gilt: „Wir lassen uns nicht einschüchtern!“ Siehe dazu auch den zitierten Monitor Beitrag und den Beitrag vom 10.10.2019 "Bei Kirchenasyl: Unsäglicher Konfrontationskurs des BAMF gegenüber den Kirchen"
Recht auf Kirchenasyl?
„Der Staat macht mobil gegen Kirchen“ urteilt das TV-Politmagazin „Monitor“ in seiner Sendung vom 14.03.2019, und „Die nächste Eskalationsstufe“ überschreibt der Generalanzeiger einen Zeitungsartikel am 08.02.2019. Worum geht es? Beide Beiträge behandeln das sich zunehmend verschlechternde Verhältnis von Staat und Kirchen in Sachen Kirchenasyl. Heilige Stätten sind schon seit Jahrtausenden Zufluchtsorte. Kirchenasyl ist aus dieser Tradition heraus jenes ungeschriebene Recht der Kirchen, in Einzelfällen aus Gewissensgründen geflüchtete Menschen für eine befristete Zeit in kirchlichen Räumen aufzunehmen, denen im Fall von Abschiebung Gefahr für Leib, Leben und Freiheit drohte. Immer soll dadurch erreicht werden, dass der Staat – vertreten z. B. durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) – eine Asylentscheidung noch einmal überprüft unter Berücksichtigung der besonders schwerwiegenden Gründe, die die aufnehmende Gemeinde in einem Härtefalldossier darlegt. Ziel ist nie die Infragestellung der staatlichen Rechtsordnung als solche.
Wie sehen solche Einzelfälle aus, in denen Gemeinden aus ihrer christlichen Verantwortung heraus Menschen bei sich aufnehmen und dabei in Kauf nehmen sich u.U. im streng rechtlichen Sinne strafbar zu machen? Die Ev. Johanniskirchengemeinde Bonn-Duisdorf hat in den letzten Jahren viermal Kirchenasyl gewährt, die Geschichten der Betroffenen sollen hier kurz erzählt werden.
Von September – November 2014 beherbergte unsere Gemeinde Herrn S. (38) aus Guinea. Er hatte in Guinea als Radiojournalist gearbeitet und war aufgrund von kritischen Fragen gegenüber dem Vorsitzenden der Oppositionspartei von dessen Anhängern so massiv bedroht worden, dass er das Land verlassen musste. Durch das Kirchenasyl konnte verhindert werden, dass Herr S. nach Frankreich, seinem Erstaufnahmeland in Europa, überstellt wurde, wo er sich weiterhin Drohungen ausgesetzt gesehen hätte. Inzwischen lebt Herr S. als anerkannter Flüchtling in Deutschland und absolviert ein Aufbaustudium im Fach Journalismus.
In der Zeit von Oktober – November 2017 wohnte Herr O. (21) im Jugendbereich unseres Gemeindehauses. Aus Angst vor dem nationalen Militärdienst in Eritrea, der einem unbefristeten Arbeitsdienst unter widrigsten Umständen gleichkommt, hatte er sein letztes Schuljahr in seiner Heimat abgebrochen und war über Italien nach Deutschland geflüchtet. Um den jungen Mann vor drohender Obdachlosigkeit und Perspektivlosigkeit in Italien zu bewahren, gewährte unsere Gemeinde ihm Kirchenasyl zur Überbrückung der Überstellungsfrist nach Italien. Heute lebt Herr O. in einer Flüchtlingsunterkunft im Rhein-Sieg-Kreis, er besucht einen Deutschkurs und hat einen Nebenjob als Lagerist gefunden. Auf das Ergebnis der Anhörung in seinem Asylverfahren wartet er noch.
Das mit Abstand längste Kirchenasyl fand unter schwierigen Umständen statt von Juni 2018 – Januar 2019. Aufgrund von Renovierungsarbeiten war eine Unterbringung im Gemeindehaus nicht möglich, und so lebte Herr K. (49) aus dem Iran sieben Monate in einem Wohnwagen ohne fließend Wasser und Heizung im Pfarrgarten. Nachdem seine Konvertierung zum Christentum im Iran bekannt geworden war, hatte er fliehen müssen und war über Frankreich nach Deutschland gelangt. Auch hier war nach europäischem Recht eine Überstellung nach Frankreich vorgesehen, die aber aufgrund seiner labilen psychischen Verfassung aus Sicht der Gemeinde nicht zu verantworten war. Im Januar 2019 willigte Deutschland ein, sein Asylverfahren zu übernehmen, und Herr K. konnte in seine Flüchtlingsunterkunft in Norddeutschland zurückkehren. Bereits in Deutschland beheimatete Familienmitglieder begleiten und unterstützen ihn.
Unser letztes Kirchenasyl endete vor wenigen Tagen vorzeitig: Nach sieben Wochen konnten Frau G. (25) aus Afghanistan und ihr Sohn (3) Anfang Dezember 2019 aus dem Pfarrhaus ausziehen und in ihre Landesunterkunft in Rheinland-Pfalz zurückkehren. Das BAMF gab der Argumentation des Härtefalldossiers statt – das passiert in nur rund 2 % der Fälle – und sah es als unzumutbar an, beide nach Griechenland, ihrem Erstaufnahmeland in Europa, zurückzuschicken. Mutter und Kind waren vor dem kurz bevorstehenden Überfall der Taliban auf ihr Dorf geflohen und sind durch Erlebnisse auf der Flucht traumatisiert. Wir wünschen ihnen sehr, dass sie bald nach Bonn verlegt werden, wo Eltern und Geschwister als anerkannte Flüchtlinge leben. Das familiäre Umfeld könnte ihnen das Gefühl von Sicherheit zurückgeben.
Vier unterschiedliche Fälle, die aber eine Gemeinsamkeit haben: Aufgrund der jeweils individuellen persönlichen Umstände sah es das Presbyterium der Ev. Johanniskirchengemeinde Bonn-Duisdorf als seine christliche Aufgabe an, diese Menschen vorübergehend bei sich aufzunehmen, um sie zu schützen vor inhumanen, lebensbedrohlichen Aussichten im Falle einer Abschiebung. Alle Kirchenasyle wurden erfolgreich abgeschlossen, behördliche Schikanen blieben uns erspart.
Die Kirchenasylzahlen insgesamt zeigen, dass es sich immer um wohlbegründete Einzelfälle handelt. Nach Angaben der ökumenischen BAG „Asyl in der Kirche“ befanden sich im November 2019 674 Personen in 421 Kirchenasylen. Doch der Staat sieht sich offenbar herausgefordert und verschärft immer weiter die Regeln für Kirchenasyl. Mit zunehmender Härte wird gegen Menschen vorgegangen, die Kirchenasyl verantworten bis hin zu Strafanzeigen gegen Pfarrer und Pfarrerinnen im Hunsrück und Hausdurchsuchungen in deren Kirchengemeinden. Aber wie formuliert einer der betroffenen Pfarrer in dem Beitrag „Monitor“? „Wir lassen uns nicht einschüchtern!“.
U. Bihler
(Die Hervorhebungen wurden durch weltoffen vorgenommen.)