Bezahlkarte: In einzelnen Kommunen schon ausgegeben, wird nun der gesetzliche Rahmen geschaffen. Stimmen

09.04.2024 Die Ampel-Fraktionen haben sich nach wochenlangem Streit auf einen Entwurf für eine bundesweite Rechtsgrundlage zur Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete und Asylbewerber geeinigt. Die Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes wird nun dem Bundestag vorgelegt.

Von den ohnehin dürftigen 460 Euro pro Kopf, die ihnen zustehen und die noch 100 Euro unter dem Bürgergeldsatz liegen, werden Sachleistungen ohnehin abgezogen – und vom Rest könnten sie dann nicht mehr im Internet einkaufen und auch sonst nur noch, wo es bargeldlos geht. (RND)

Die Karte soll im Wesentlichen wie eine normale Geldkarte funktionieren, zugleich aber Überweisungen ins Ausland ausschließen und den Bezug von Bargeld beschränken.

Der Vorteil von Bezahlkarten ist, dass die dort zur Verfügung gestellte Summe nur im Inland ausgegeben werden kann. Dafür also, wozu die Leistungen gedacht sind: für das Leben der Geflüchteten hier. Gelder für Schlepper oder Überweisungen in das Herkunftsland zu nutzen, ist so nicht möglich. (Bundesregierung)

Ein Vorteil für die Leistungsempfänger*innen ist nicht geplant. Im Gegenteil: Voraussehbare Nachteile: kein oder zumindest erschwerter Überblick über das vorhandene Guthaben. Wenig oder kein Bargeld bedeutet: Ausschluss oder eingeschränkte Teilhabe bei Kleinforderungen in Kita, Schule, Sportverein, bei Sommer- und Gemeindefesten, keine Möglichkeit mehr zum günstigen Einkauf auf Flohmärkten o Ä., insgesamt also eine gravierende Entrechtung und Diskriminierung von Menschen im Asylverfahren, die damit bei jeder Kleinigkeit zu Bittstellern gemacht werden. Dies zu vermeiden, hatten die Grünen die Auszahlung eines kleinen Bargeldbetrages durchgesetzt, um dem Koalitionsentwurf zustimmen zu können.

Der Grünen-Politiker Andreas Audretsch unterstrich, Dinge wie Taschengeld für den Schulausflug, das Busticket für den Weg zum Ausbildungsplatz oder Strom- oder Internetanschluss müssten bei der Einführung der Bezahlkarte garantiert werden. Dies sei nun gewährleistet. Die Grünen hatten immer wieder die Sorge geäußert, dass eine drastische Bargeldbeschränkung dazu führen könnte, dass Flüchtlinge bei Kiosken oder im Second-Hand-Geschäft kaum bezahlen können. (Tagesschau)

Kritik an der Bezahlkarte kam am Freitag vom Deutschen Anwaltverein, der vor einer »Vielzahl von Praxisproblemen« sowie einem erheblichen Mehraufwand für Verwaltung und Justiz warnte. Auch die NGO Pro Asyl kritisierte die Pläne. Damit habe in er Geflüchtetenpolitik »einmal mehr der Populismus über sachliche Argumente gesiegt«, erklärte die Organisation. »In der Praxis werden so vielerorts geflüchtete Menschen noch stärker ausgegrenzt und selbst in kleinsten Alltagsentscheidungen eingeschränkt werden.« Von der Flucht vor Verfolgung oder Krieg würden sich Migranten »aber auch von der Bezahlkarte nicht abhalten lassen«. (Junge Welt)

Symbolpolitik... Unter dem Strich scheint es also eher um ein symbolisches Signal zu gehen – und zwar mehr an frustrierte Wähler als an potenzielle Migranten. So droht die Bezahlkarte zur Enttäuschung zu werden: für die Asylbewerber, deren Alltag sie erschwert; für die Kommunen, denen sie Aufwand bei der Einführung beschert, aber kaum Entlastung in der Erstaufnahme; und für die Koalition, der sie keine zusätzliche Wählerstimme bringen wird. (RND)

 

Wir zitieren verschiedene Stimmen:

05.04.2024 Künftig sollen Geflüchtete Leistungen über eine sogenannte Bezahlkarte erhalten. Statt mit Bargeld können sie dann mit dieser Karte zahlen. Das Kabinett hat dazu eine entsprechende Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes beschlossen.

Wer als Geflüchteter in Deutschland Schutz sucht und sich seinen Lebensunterhalt nicht selbst sichern kann, hat Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Das kann in Form von Sachleistungen, Bargeld oder auch Wertgutscheinen geschehen. Künftig soll es noch eine weitere Möglichkeit geben: die Bezahlkarte. Auf sie kann die Geldsumme, die Geflüchteten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zusteht, als Guthaben gebucht werden.

Damit es in Deutschland einheitliche Rahmenbedingungen gibt, um eine solche Bezahlkarte einzuführen, hat das Bundeskabinett am 1. März 2024 eine Änderung des Asylbewerberleistungsgesetze beschlossen. Nun wird der Bundestag sich mit dem Gesetzentwurf befassen.

Bezahlkarte als weitere Möglichkeit

Vorgesehen ist, dass künftig die Bezahlkarte ausdrücklich als Leistungsform in das Asylbewerberleistungsgesetz aufgenommen wird. Gleichzeitig wird ihre Einsatzmöglichkeit erweitert. Das heißt, künftig sollen alle Geflüchteten – egal wie sie untergebracht sind – die ihnen zustehenden Leistungen per Bezahlkarte erhalten können.

Bislang sollten Geflüchtete, die in Gemeinschaftsunterkünften leben, vorrangig Sachleistungen erhalten. Menschen, die außerhalb von Gemeinschaftseinrichtungen leben, wiederrum vorrangig Bargeld. Vorrangig bedeutet, dass diese Art der Unterstützung zwar die erste Wahl ist, aber auch andere Leistungsformen möglich sind. Das soll sich durch die Gesetzesreform ändern. Dadurch erhalten die Länder und Kommunen mehr Möglichkeiten, wie sie die Leistungen erbringen können.

Mit der vorgeschlagenen Änderung im Asylbewerberleistungsgesetz setzt die Bundesregierung den Beschluss aus der Besprechung des Bundeskanzlers mit den Regierungschefinnen und -chefs der Länder vom 6. November 2023 um. Die Länder hatten sich eine Änderung gewünscht, um so eine sichere rechtliche Grundlage für die Einführung der Bezahlkarte zu haben. 

Die konkrete Ausgestaltung der Bezahlkarte obliegt den Ländern. Diese haben sich bereits auf Mindeststandards verständigt und ein Ausschreibungsverfahren zur Einführung der Bezahlkarte gestartet.

Vorteile der Bezahlkarte

Der Vorteil von Bezahlkarten ist, dass die dort zur Verfügung gestellte Summe nur im Inland ausgegeben werden kann. Dafür also, wozu die Leistungen gedacht sind: für das Leben der Geflüchteten hier. Gelder für Schlepper oder Überweisungen in das Herkunftsland zu nutzen, ist so nicht möglich.

Zudem versprechen sich die Städte und Gemeinden durch die Bezahlkarte weniger Verwaltungsaufwand: Statt Bargeld auszuhändigen, müssen sie nur die Beträge auf die Karten buchen. 

 

05.04.2024 Der Kompromiss steht: Die Regierungsparteien haben sich auf eine Gesetzesgrundlage geeinigt, um die Bezahlkarte für Asylbewerber und Geflüchtete rechtlich abzusichern. Vor allem die Bundesländer hatten in den vergangenen Wochen Druck gemacht.

Die Ampel-Fraktionen haben sich nach wochenlangem Streit auf einen Entwurf für eine bundesweite Rechtsgrundlage zur Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete und Asylbewerber geeinigt. Damit werde "der Wunsch der Länder umgesetzt", teilten die Regierungsfraktionen von SPD, Grünen und FDP in einer gemeinsamen Erklärung mit.

"Bezahlkarten waren bisher auch schon möglich, aber wir haben nun noch einen gemeinsamen, rechtssicheren Rahmen geschaffen", sagte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dagmar Schmidt. Sie erklärte, der angestrebte Rechtsrahmen sichere, dass alle notwendigen Bedarfe vor Ort gesichert werden können - mit der Karte oder als Geldleistung.

Länder pochten auf Rechtssicherheit

Der Grünen-Politiker Andreas Audretsch unterstrich, Dinge wie Taschengeld für den Schulausflug, das Busticket für den Weg zum Ausbildungsplatz oder Strom- oder Internetanschluss müssten bei der Einführung der Bezahlkarte garantiert werden. Dies sei nun gewährleistet. Die Grünen hatten immer wieder die Sorge geäußert, dass eine drastische Bargeldbeschränkung dazu führen könnte, dass Flüchtlinge bei Kiosken oder im Second-Hand-Geschäft kaum bezahlen können.

Der FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler erklärte nun, dass die von der Ministerpräsidentenkonferenz und vom Bundeskabinett beschlossenen Vereinbarungen "ohne inhaltliche Änderungen" umgesetzt würden.

Bund und Länder hatten sich im November auf eine möglichst bundeseinheitliche Bezahlkarte für Flüchtlinge geeinigt. 14 Bundesländer planen ein gemeinsames System. Bayern und Mecklenburg-Vorpommern wollen eigene Bezahlkarten. Die Karte soll im Wesentlichen wie eine normale Geldkarte funktionieren, zugleich aber Überweisungen ins Ausland ausschließen und den Bezug von Bargeld beschränken.

 

Die Bezahlkarte für Asylsuchende schafft laut Omid Nouripour "Entlastung und Rechtssicherheit". Überdies bleibe der Zugang zu Bargeld für bestimmte Fälle bestehen.

Grünenchef Omid Nouripour hat Kritik an der Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete zurückgewiesen. "Der Zugang zu Bargeld, wie beispielsweise beim Klassenausflug oder für den Schulflohmarkt, bleibt", sagte Nouripour den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Dies sei insbesondere für Familien mit Kindern und für Jugendliche zentral. Für Länder und Kommunen bedeute die Bezahlkarte "Entlastung und Rechtssicherheit", argumentierte der Grünenchef. "Und wir verhindern, dass Betroffene bei ihrem notwendigen Bedarf gegängelt werden."

Die Ampelfraktionen hatten am Freitag nach wochenlangen Diskussionen eine Einigung auf eine bundesweite Rechtsgrundlage für die Bezahlkarte verkündet. Über das Vorhaben könnte nun schon in wenigen Tagen im Bundestag beraten werden.

Asylbewerberinnen und Asylbewerber sollen künftig einen Teil der staatlichen Leistungen zum Lebensunterhalt als Guthaben erhalten und nicht mehr als Bargeld. Auf die Einführung der Karte hatten sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ministerpräsidenten der Länder am 6. November verständigt. Die Bundesregierung will auf diese Weise sicherstellen, dass Geflüchtete staatliche Leistungen für sich nutzen – und nicht in ihre Herkunftsländer überweisen. 

Heftige Kritik von Pro Asyl

Anders als die Koalitionspartner SPD und FDP hatten sich die Grünen lange gegen eine bundesgesetzliche Regelung zu der Bezahlkarte gestellt und dabei darauf verwiesen, dass jedes Bundesland selbst über die Einführung einer solchen Karte entscheiden könne.

Das Kabinett hatte am 1. März dann aber für einen Gesetzesvorschlag von Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) gestimmt, um die geplante Bezahlkarte für Asylbewerber mit einem Bundesgesetz abzusichern. Wann der Gesetzentwurf im Bundestag verabschiedet werden kann, blieb jedoch lange unklar – auch weil die Grünen zunächst noch einige praktische Fragen geklärt wissen wollten. Die Organisation Pro Asyl kritisierte nach der Koalitionseinigung, mit der Karte würden geflüchtete Menschen "noch stärker ausgegrenzt und selbst in kleinsten Alltagsentscheidungen eingeschränkt".

 

07.04.2024 Nun also doch: Die Ampel plant Regeln zur Einführung von Bezahlkarten für Asylbewerber. So will sie Migranten abschrecken und beim Wahlvolk punkten. Beides dürfte schiefgehen, meint RND-Hauptstadtkorrespondent Steven Geyer.

Sind das nun gute oder schlechte Nachrichten? Nach langen Verhandlungen – erst zwischen den Bundesländern, dann zwischen Bund und Ländern und schließlich in der Ampel-Koalition – ist es in der neuen Woche soweit: Der Bundestag soll sich mit der Bezahlkarte für Asylbewerber beschäftigen.

Ziel ist es, eine bundesweite Rechtsgrundlage für die neuen Chipkarten zu beschließen, die die Länder derzeit schon einführen und die die Kommunen bereits ausgeben – zusätzlich zu oder statt Bargeld und Sachleistungen.

Die Karte kann auch nützlich sein

Ob man das gut oder schlecht findet, hängt formal nicht am geplanten Gesetz. Denn die Bezahlkarte allein steht nicht für einen bestimmten Umgang mit Asylbewerbern. In Hannover erhalten ankommende Flüchtlinge, die ja noch kein deutsches Konto haben, zum Beispiel ihre ersten Sozialleistungen nicht wie üblich in bar, sondern als Chip-Guthaben. Das senkt Aufwand und Bürokratie für alle Transfers, die keine Sachleistungen sind.

Allerdings beschränkt Hannover die Nutzung der Karte nicht, weder mit Grenzen zur Barabhebung, noch zur Nutzung für bestimmte Zwecke oder außerhalb bestimmter Postleitzahlengebiete. Ermöglicht wird das aber künftig durchaus – und etliche Kommunen und Länder haben angekündigt, die Karten genau deshalb und dafür einzuführen. Bayern will sogar „härtere“ Auflagen als im Rest der Republik, und auch anderswo wird als Sinn der Karte gepriesen, den Anreiz zur Migration nach Deutschland zu senken.

Deshalb ist die Befürchtung durchaus berechtigt, dass die Bezahlkarte in der Praxis nicht zum Bürokratieabbau, sondern zur Drangsalierung und Diskriminierung von Asylbewerbern und Migranten eingesetzt wird: Von den ohnehin dürftigen 460 Euro pro Kopf, die ihnen zustehen und die noch 100 Euro unter dem Bürgergeldsatz liegen, werden Sachleistungen ohnehin abgezogen – und vom Rest könnten sie dann nicht mehr im Internet einkaufen und auch sonst nur noch, wo es bargeldlos geht.

Wohlgemerkt: Die Vorgaben, auf die die Ampel sich geeinigt hat, schreiben das nicht vor. Nicht einmal die Einführung einer Bezahlkarte wird für die Städte zur Pflicht, und erst recht nicht, Barauszahlungen damit zu verbieten oder zu beschränken. Sie erlauben es aber. Und genau um solche Beschränkungen rechtlich abzusichern, hat sich die FDP ja auch dafür eingesetzt.

Im Gesetzentwurf wird die Bezahlkarte zwar beschrieben als „ein taugliches Mittel, um beispielsweise Geldzahlungen an Schleuser zu unterbinden“. Doch in Wahrheit täuscht niemand etwas anderes glaubhaft vor, als dass ihr Zweck ist, Deutschland als Migrationsziel unattraktiver zu machen.

Handlungsbedarf in Flüchtlingspolitik ist unbestreitbar

Nun ist es zwar tatsächlich so, dass hierzulande großer Frust herrscht: Viele Kommunen schaffen es nicht, die vielen Flüchtlinge unterzubringen, in Großstädten geraten Kitas und Schulen an die Grenzen ihrer Aufnahmefähigkeit, generell gelingt die Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt – wo sie dringend gebraucht wird – nicht so schnell wie nötig.

Die Wirtschaft klagt, dass zu viele unqualifizierte und zu wenig qualifizierte Arbeitsmigranten kommen. Und politisch profitieren davon vor allem die Rechtspopulisten, wofür es auch viele warnende Beispiele aus dem Rest Europas gibt. Den Handlungsbedarf in der Flüchtlingspolitik sollte also niemand bestreiten.

Nur: Sind wir uns als Gesellschaft wirklich einig, dass unsere Migrationspolitik vor allem auf Abschreckung setzen soll – erstens durch das Risiko, im Mittelmeer zu ertrinken, und zweitens, indem wir es denen, die es hierher schaffen, dann möglichst unbequem machen? Oder es ihnen erschweren, das vom knappen Asylgeld Abgesparte zur Familie in die Heimat zu schicken, damit es dort Armut lindert?

Und selbst wenn wir diese Politik auf dem Rücken der Migranten wollen: Wer sagt uns, dass sie funktioniert? Statistiken gibt es darüber jedenfalls nicht. Studien legen sogar das Gegenteil nahe: Gekürzte Asylleistungen haben den Zuzug bislang kaum beeinflusst.

Auch zuletzt kamen die meisten Flüchtlinge aus Kriegsgebieten, nämlich der Ukraine und aus Syrien, wobei die Ukrainer gar kein Asyl beantragen müssen und von der Neuregelung nicht betroffen sind. Aber selbst, wenn wir vor allem die jungen Männer abschrecken wollen, die sich aus Afrika aufmachen, um ihr Glück hier zu versuchen: Niemand bleibt in Krieg oder Armut, weil Deutschland auf Bezahlkarte umstellt. Das weiß auch die Ampel.

Bezahlkarte als Symbolpolitik

Wenn die FDP also nun jubelt, die Bundesländer könnten damit „einen der wesentlichen Pull-Faktoren für irreguläre Einwanderung ausschalten“, muss gemeint sein: Wer seine Heimat verlässt, soll bittschön anderswo anklopfen. Aber glaubt wirklich jemand, dass die Chipkarten diese Wirkung haben? Unter dem Strich scheint es also eher um ein symbolisches Signal zu gehen – und zwar mehr an frustrierte Wähler als an potenzielle Migranten.

So droht die Bezahlkarte zur Enttäuschung zu werden: für die Asylbewerber, deren Alltag sie erschwert; für die Kommunen, denen sie Aufwand bei der Einführung beschert, aber kaum Entlastung in der Erstaufnahme; und für die Koalition, der sie keine zusätzliche Wählerstimme bringen wird.


 

Die Ministerpräsidenten haben Druck gemacht, nun gibt es einen Kompromiss zur Bezahlkarte für Geflüchtete

Berlin. Die Ampel-Fraktionen haben sich nach wochenlangen Diskussionen auf einen Entwurf für eine bundesweite Rechtsgrundlage zur Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete und Asylsuchende geeinigt. Das teilten die Bundestagsfraktionen von SPD, Grünen und FDP mit. Aus Koalitionskreisen hieß es, damit könne über das Vorhaben nun nächste Woche im Bundestag beraten werden.

In der Formulierungshilfe heißt es, die Bezahlkarte stelle ein taugliches Mittel dar, um beispielsweise Geldzahlungen an Schleuser zu unterbinden. Außerdem wird darin festgehalten, dass die Leistungsbehörden selbst entscheiden können, wie viel Bargeld die Karteninhaber innerhalb eines bestimmten Zeitraums abheben können. Damit werde »den individuellen Bedürfnissen und Umständen vor Ort« Rechnung getragen. »Die Regelung ermöglicht den Leistungsbehörden auch im Rahmen der Ermessensausübung Umstände zu berücksichtigen, aufgrund derer der Einsatz einer Bezahlkarte im Einzelfall nicht zweckmäßig erscheint«, heißt es im Entwurf weiter.

Länder hatten auf bundeseinheitliche Regelung gepocht

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ministerpräsidenten der Länder hatten sich am 6. November auf die Einführung einer Bezahlkarte anstelle von Barleistungen verständigt. Mit der Karte soll unter anderem verhindert werden, dass Migranten Geld an Schlepper oder Familie und Freunde im Ausland überweisen. Die Grünen standen anfangs – anders als SPD und FDP – auf dem Standpunkt, für eine bundesgesetzliche Regelung zu einer solchen Bezahlkarte bestehe keine Notwendigkeit. Jedes Bundesland sei hier frei, eine solche Karte einzuführen und Einzelheiten dazu festzulegen.

Das Kabinett hatte am 1. März dann aber für einen Gesetzesvorschlag von Sozialminister Hubertus Heil (SPD) gestimmt, um damit die geplante Bezahlkarte für Asylsuchende mit einem Bundesgesetz abzusichern. Wann der Gesetzentwurf im Bundestag verabschiedet werden kann, blieb jedoch lange unklar – auch weil die Grünen zunächst noch einige praktische Fragen geklärt wissen wollten. Mit dem nun erzielten Kompromiss zeigten sie sich zufrieden.

»Das Taschengeld für den Schulausflug, das Busticket, um zum Ausbildungsplatz zu kommen, der Strom- oder Internetanschluss – all das muss bei der Einführung von Bezahlkarten vor Ort garantiert werden«, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Andreas Audretsch.

Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Dagmar Schmidt, hob hervor, dass nun ein rechtssicherer Rahmen geschaffen worden sei, der garantiere, dass alle notwendigen Bedarfe vor Ort frei gedeckt werden könnten – mit Karte oder als Geldleistung. Überweisungen ins Ausland seien mit dieser Karte jedoch nicht möglich. FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler sagte, die Länder hätten nun die Möglichkeit, ihren Beitrag zu einer »neuen Migrations-Realpolitik zu leisten, indem sie einen der wesentlichen Pull-Faktoren für irreguläre Einwanderung ausschalten«.

Kritik von Pro Asyl

Bei Pro Asyl hält man dieses Argument für nicht stichhaltig. „Von der Flucht vor Verfolgung oder Krieg werde sich niemand von der Bezahlkarte abhalten lassen“, sagte die rechtspolitische Sprecherin der Organisation, Wiebke Judith. Sie kritisierte: »In der Praxis werden so vielerorts geflüchtete Menschen noch stärker ausgegrenzt und selbst in kleinsten Alltagsentscheidungen eingeschränkt werden.«

Von der Flucht vor Verfolgung oder Krieg wird sich niemand von der Bezahlkarte abhalten lassen, sagte die rechtspolitische Sprecherin der Organisation, Wiebke Judith. Sie kritisierte: »In der Praxis werden so vielerorts geflüchtete Menschen noch stärker ausgegrenzt und selbst in kleinsten Alltagsentscheidungen eingeschränkt werden.«

 

zur Einigung der Ampel bei Leistungen für Geflüchtete

Länder und Kommunen haben bald die geforderte Rechtssicherheit: Weil die Ampel sich auf eine Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes geeinigt hat, können sie die Einführung der Bezahlkarte für Geflüchtete beruhigt vorantreiben. Praktisch bedeutet dies unter anderem, dass die zugestandene abhebbare Bargeldmenge auf Minimalbeträge heruntergefahren werden kann. Die Grünen rühmen sich, dafür gesorgt zu haben, dass der Zugang zu Taschengeld für Schulausflüge der Kinder oder der Erwerb von Bustickets, »um zum Ausbildungsplatz zu kommen« (also wohl nicht, um allgemein mobil sein zu können), nun gewährleistet sei.

Sie wollen damit bemänteln, dass sie einer gravierenden Entrechtung und Diskriminierung von Menschen im Asylverfahren zugestimmt haben. Diese werden damit bei jeder Kleinigkeit zu Bittstellern gemacht. Zugleich posaunten SPD und FDP anlässlich der Einigung erneut den Mythos hinaus, man habe »einen der wesentlichen Pull-Faktoren für irreguläre Einwanderung« ausgeschaltet. Dass Menschen sich nicht auf lebensgefährliche Fluchtrouten begeben, um an angesichts der Kostenstruktur hierzulande lächerliche Sozialleistungen heranzukommen, wiederholen Migrationsforscher seit Monaten gebetsmühlenartig. Und auch für die stets behauptete angebliche Rücküberweisung von Geldern aus diesen Transferleistungen gibt es keinerlei Beleg. Die Schätzungen der Bundesbank zu Überweisungen durch Nichtdeutsche ins Ausland, die demnach 2023 zurückgingen und insgesamt 6,8 Milliarden Euro umfassten, zeigen vielmehr, dass deren Löwenanteil von Menschen mit Arbeitsplatz und Aufenthaltstitel stammen dürfte – und dass drei Viertel der Gelder innerhalb Europas überwiesen werden. Empfänger in der Türkei, in Rumänien, Polen und der Ukraine erhalten dabei das meiste. Die Überweisungen in »Asylherkunftsländer« wie Syrien, Afghanistan und Irak sind hingegen im vergangenen Jahr um zehn bis 15 Prozent zurückgegangen.

Nebenbei schafft die Ampel mit der Bezahlkarte ein Modell, das sich mühelos auf andere Bezieher von Sozialleistungen übertragen lässt. In den Unionsparteien wird dieses Ziel längst vernehmlich formuliert, die üblichen Verdächtigen unter den neoliberalen Ökonomen stehen als Experten für die praktische Umsetzung Gewehr bei Fuß.

 

Berlin. Die Regierungskoalition hat sich nach wochenlangen Diskussionen auf eine gemeinsame Gesetzesgrundlage für eine Bezahlkarte für Geflüchtete geeinigt. Damit werde »der Wunsch der Länder umgesetzt«, teilten die Fraktionen von SPD, Grünen und FDP am Freitag in einer gemeinsamen Erklärung mit. Das Gesetz solle in der kommenden Woche in den Bundestag eingebracht werden, sagte eine Sprecherin der FDP-Fraktion. Das Bundeskabinett hatte den Gesetzentwurf bereits Anfang März gebilligt. Anschließend hatten die Grünen Bedenken bei Detailfragen des Projekts angemeldet.

Mit der Karte sollen Geflüchtete einen Teil der ihnen zustehenden Leistungen als Guthaben statt per Barauszahlung erhalten. Geplant ist, dass die Bezahlkarte explizit als eine Option ins Asylbewerberleistungsgesetz aufgenommen wird – neben den bereits bestehenden Möglichkeiten von Geld- oder Sachleistungen. Die Bundesländer können dann entscheiden, ob sie die Karte einführen und wie sie die Nutzung konkret ausgestalten. Überweisungen ins Ausland sollen nicht möglich sein, betonte SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt.

Kritik an der Bezahlkarte kam am Freitag vom Deutschen Anwaltverein, der vor einer »Vielzahl von Praxisproblemen« sowie einem erheblichen Mehraufwand für Verwaltung und Justiz warnte. Auch die NGO Pro Asyl kritisierte die Pläne. Damit habe in er Geflüchtetenpolitik »einmal mehr der Populismus über sachliche Argumente gesiegt«, erklärte die Organisation. »In der Praxis werden so vielerorts geflüchtete Menschen noch stärker ausgegrenzt und selbst in kleinsten Alltagsentscheidungen eingeschränkt werden.« Von der Flucht vor Verfolgung oder Krieg würden sich Migranten »aber auch von der Bezahlkarte nicht abhalten lassen«. (AFP/jW)

 

09.04.2024 Mit der Bezahlkarte für Asylsuchende will man in Berlin und anderswo einigen gefallen, die sonst vielleicht AfD wählen. An Integration in unsere Gesellschaft ist so nicht mal im Traum zu denken.

Eigentlich sind Kreditkarten längst nicht so selbstverständlich, wie viele tun. Die Älteren werden sich erinnern, dass die bunten Kärtchen früher gar nicht so bunt daherkamen, sondern dezent gestaltet und von eher unauffälliger Farbgebung. Schließlich waren sie einem kleinen, aber feinen Klientel vorbehalten.

Das dürften überwiegend Männer gewesen sein, denn Frauen waren in den oberen Sphären der Welt des Geldes noch seltener als heute. Die Gattinnen der Karteninhaber besaßen wohl eher eine Partnerkarte, die eigentlich Partnerinnenkarte hätte heißen müssen, es aber nicht tat.

Ein Blick in die Ursprünge der Geldkarte

Marktführer war ein US-amerikanisches Unternehmen, das mit dem Slogan „Zahlen Sie mit Ihrem guten Namen“ warb. Akzeptiert wurde die Karte nur dort, wo solche Leute zu verkehren pflegten. Also in Luxusboutiquen, Nobelhotels, Edelbordellen und der Feinkostabteilung des Kaufhauses des Westens.

Außerdem von Airlines, Mietwagenfirmen und natürlich solchen Restaurants, wo sich nahezu ausschließlich Spesengänger verköstigten. Es begab sich schließlich zu einer Zeit, als so mancher Arbeitgeber die Leistung seiner Beschäftigten noch an der Höhe der Bewirtungsquittungen bemaß.

Einst nur für Menschen mit nachgewiesener Bonität

Ausgegeben wurden solche Karten nur an Menschen mit nachgewiesener Bonität, denn das Kreditunternehmen garantierte für einen Maximalbetrag. Dem waren je nach Empfänger nach oben keine Grenzen gesetzt. Das barg Risiken, denn man hatte ja beim Einsatz der Karte keine Möglichkeit, den Kontostand des Kunden zu überprüfen.

Der Zahlvorgang erfolgte mittels eines heute archaisch anmutenden Geräts, das mit einem Ritsch-Ratsch einen Abdruck der auf der Karte eingeprägten Kundendaten auf Durchschlagpapier erstellte. Solche Apparate gibt es in irgendwelchen Hinterwäldern vermutlich immer noch, denn Karten für Kreditwürdige weisen nach wie vor eine solche Prägung auf. Bei allen anderen sind die Daten nur aufgedruckt, und der Kassencomputer ermittelt sekundenschnell, ob der Kunde klamm ist oder nicht. Geübte erkennen also an solch einer Prägung, wen sie vor sich haben.

Das Problem der sogenannten Bezahlkarte für Asylsuchende

Und genau da liegt das Problem der sogenannten Bezahlkarte für Asylsuchende. Die wird nämlich nicht nur ungeprägt sein, sondern aufgrund ihrer Gestaltung erkennen lassen, dass ihre Besitzerinnen und Besitzer der allerniedrigsten Kaste angehören, noch unter den Leuten mit einer normalen Girocard.

Man sieht dann sofort, dass das Gegenüber ein Mensch ist, dem man zwar nicht traut, aber aufgrund gesetzlicher Bestimmungen Geld geben muss. Der nach Ansicht des Staates weniger wert ist als so manche Obdachlose, denen man Bargeld aushändigt, obwohl man weiß, dass sie es umgehend in Doppelkorn umsetzen.

Bezahlkarte: Es klingt wie ein Hohn

Den man damit spüren lässt, dass er an eine Integration in unsere Gesellschaft nicht mal im Traum zu denken braucht. Und dem man sogar etwas versagt, das gar nicht hoch genug geachtet werden kann, nämlich von dem Wenigen, was man hat, noch etwas nach Hause zur Familie zu schicken, die in ihrer Not und ihrem Elend zurückbleiben musste.