Bonn: BBB fordert Einführung der Bezahlkarte - Findet sich im Stadtrat eine Mehrheit für die Ablehnung?

04.05.2024 Ber BonnerBürgerBund (BBB) fordert in einem Antrag, in Bonn schnellstmöglich die Bezahlkarte einzuführen. Bargeldauszahlungen sollten auf das gesetzlich mögliche Mindestmaß beschränkt werden. Der BBB "hatte seit März in mehreren Anträgen die Einführung der Bezahlkarte gefordert, deren Beratung bislang vertagt wurde." Wie die anderen Fraktionen bisher dazu stehen, wurde jetzt in der Presse dargestellt: Wir zitieren aus der Kölnischen Rundschau:

  • Die CDU-Fraktion befürwortet die Bezahlkarte, sieht den BBB-Antrag, diese schnellstmöglich einzuführen, aber kritisch, wie ihr sozialpolitischer Sprecher Georg Goetz erklärt: „Wir sollten keine voreilige Bonner „Lösung„ vorantreiben beziehungsweise schaffen, bevor einheitliche Regelungen für NRW feststehen.“ Der kommunale Verwaltungs- und Finanzaufwand müsse noch geklärt werden.
  • Die FDP hat einen Antrag zur Bezahlkarte eingebracht, in dem sie Unterstützung durch das Land fordert. ... Grundsätzlich stehe die FDP der Bezahlkarte aber nach „ermutigenden“ Pilotprojekten – wie in Hannover – offen gegenüber. So könnten Anreize geschaffen werden, das Geld „vollumfänglich für den Lebensunterhalt zu verwenden.“
  • Auch SPD-Fraktionsvorsitzender Max Biniek sieht das Land ... in der Verantwortung, die Rahmenbedingungen zu schaffen. „Es gibt noch viele offene Fragen in Bezug auf die Bezahlkarte, zumal noch kein Dienstleister gefunden ist, der die Karte entwickelt“, sagt Biniek. Es sei wichtig, dass die Einführung zu einem Bürokratieabbau führe. Und: „Die Bezahlkarte darf nicht dazu führen, dass Schutzsuchenden ihre Rechte verwehrt werden.“
  • Die sozialpolitischen Sprecher der Grünen-Ratsfraktion, Eva Kuzu und Detmar Jobst, betonen, dass die Bezahlkarte die Integration nicht behindern dürfe. Die Karte solle „diskriminierungsfrei“ sein und die Menschen nicht in ihrer Bewegungsfreiheit einschränken. „Ihre Einführung sollte für die Verwaltung eine Vereinfachung mit sich bringen und keinen Mehraufwand darstellen. Ebenso sollte sie den kommunalen Haushalt nicht zusätzlich belasten“, teilen Kuzu und Jobst mit.
  • Die Linksfraktion positioniert sich klar gegen die Bezahlkarte. Ihre sozialpolitische Sprecherin Claudia Falk sagt: „Die Bezahlkarte ist im Kern diskriminierend und soll Probleme lösen, die es so nicht gibt. Bei Beträgen unterhalb des Existenzminimums können die Betroffenen wohl kaum nennenswerte Summen in ihre Herkunftsländer überweisen.“
  • Die Volt-Fraktion verweist auf die Position ihres NRW-Landesverbands. Der hatte sich in einer Mitteilung Ende März ebenfalls gegen die Bezahlkarte ausgesprochen und stattdessen gefordert, Basiskonten zu nutzen.

Offenbar sind Grüne und SPD in dieser Frage noch nicht entschieden und brauchen noch Argumentationshilfen, damit der Antrag mit Mehrheit eine deutliche Abfuhr erlebt. Von außerparlamentarischer Seite könnte der Flüchtlingsrat NRW mit seiner Zusammenstellung helfen. Wir verweisen dazu auf unseren Beitrag:

Beispiel für Bonn? Nein zur Bezahlkarte: Ratsbeschlüsse aus nordrhein-westfälischen Kommunen  22.04.2024 "Nutzen Sie die Gelegenheit, sich vor Ort gegen die Bezahlkarte einzusetzen", fordert der Flüchtlingsrat NRW auf und stellt auch Material z. B. für einen Offenen Brief zur Verfügung. "Außerdem können Sie gegenüber der Kommunalpolitik auf die nordrhein-westfälischen Kommunen verweisen, die dem "Nein zur Bezahlkarte" bereits folgen". Bochum, Dortmund, Duisburg, Köln, Oberhausen, Paderborn haben bereits entsprechende Ratsbeschlüsse, wie ein erster Überblick zeigt. Diese Großstädte [...] weiterlesen

Der angesprochene Offene Brief „Keine Bezahlkarte für Geflüchtete in Bochum“ fasst die Gegenargumente zusammen:

... Wir möchten Ihnen die aus unserer Sicht zentralen Argumente gegen eine Einführung einer Bezahlkarte kurz darlegen.
Fehlannahmen
Die Befürworter*innen der Bezahlkarten führen unter anderem an, dass durch die Einführung der Karte der Verwaltungsaufwand minimiert werden könnte. Seit vielen Jahren haben Geflüchtete das Recht, ein sogenanntes Basiskonto einzurichten, auf welches die Sozialleistungen unkompliziert per Überweisung ausgezahlt werden können. Eine Umstellung der Auszahlung von bereits bestehenden Konten von Geflüchteten in der Zukunft auf eine Bezahlkarte wird zu einem erhöhten Verwaltungsaufwand führen.
Eine zusätzliche und weitreichendere Fehlannahme besteht darin, dass die Bezahlkarte als Instrument verstanden wird, um sogenannte „Fehlanreize“ (also „Pull-Faktoren“) für Asylsuchende zu minimieren und die Zahl der Asylsuchenden somit zu senken. Diese Fehlannahme ist in der Migrationsforschung vielfach widerlegt worden. Menschen fliehen aufgrund von Krieg, Unterdrückung und humanitären Notlagen. Fluchtbewegungen lediglich auf ökonomische Gründe zurückzuführen greift deshalb zu kurz. Auch die Annahme, dass Menschen, die Asylbewerberleistungen beziehen, vielfach große Summen in ihre Herkunftsländer überweisen, wird von Migrationsforschenden aufgrund der geringen Höhe des Asylbewerberleistungsgesetz (monatlich Betrag des persönlichen Bedarfs max. 204 € pro erwachsende alleinstehende Person) angezweifelt.
Diskriminierend und verfassungswidrig
Aber nicht nur die zugrunde liegenden Fehlannahmen sprechen gegen die Einführung einer
Bezahlkarte. Wir lehnen die Einführung auch deshalb ab, da sie diskriminierend und absehbar verfassungswidrig ist. Die Höhe des Asylbewerberleistungsgesetz liegt unter dem Existenzminimum (ca. 20% weniger als das Bürgergeld). Das Bundesverfassungsgericht stellte bereits 2012 in seinem wegweisenden Urteil klar, dass diese Ungleichbehandlung im offensichtlichen Widerspruch zum Grundgesetz steht: „Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren.“ Die Einführung einer Bezahlkarte würde nun bedeuten, dass die Leistungsempfänger*innen über diese zu geringen Zahlungen nicht mal mehr frei verfügen könnten.
Je nach Umsetzung einer gesonderten Bezahlkarte wird der Zugang zu Überweisungen und
zu Bargeld begrenzt. Die fehlende Möglichkeit der Überweisung schränkt beispielsweise das
Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz ein, da Rechtsanwält*innen meist auf Ratenzahlung
per Überweisung setzen. Geflüchteten Menschen würde die Freiheit genommen Verträge abzuschließen – egal ob Versicherungen, Telefonverträge, Online-Einkäufe oder das Deutschlandticket. Auch der Zugang zum Studium würde massiv eingeschränkt, da der Sozialbeitrag meist überwiesen werden muss. Je nach konkreter Ausgestaltung der Karte stünde den Betroffenen wenig bis gar kein Bargeld mehr zur Verfügung. Sie könnten weder in kleinen Geschäften oder auf Märkten einkaufen, die keine Kartenzahlung bieten, noch könnten sie ihren
Kindern Bargeld für den Schulausflug mitgeben oder Münzautomaten – beispielsweise für öffentliche Toiletten – nutzen.
Verfassungsrechtlich zutiefst problematisch ist auch die angedachte Möglichkeit, die Nutzung
der Bezahlkarte örtlich oder auf bestimmte Waren zu beschränken. Sozialleistungen als Kontroll- und Disziplinierungsinstrument zu missbrauchen, ist ein massiver Eingriff in die Würde
und Handlungsfreiheit eines jeden Menschen und absehbar verfassungswidrig. Hinzu kommen einige ungeklärte Fragen hinsichtlich des Datenschutzes. Es ist derzeit unklar, welche
Institutionen Zugriff auf die Daten der Bezahlkarte erhalten. Möglicherweise könnte ein Zugriff
zu Disziplinierungszwecken missbraucht werden.
Deshalb: Nein zur Bezahlkarte!
Insgesamt würde die Bezahlkarte die gesellschaftliche Teilhabe und damit die Integration geflüchteter Menschen in Bochum erheblich einschränken und steht somit konträr zum Ziel der
Bochum Strategie stehen, ein Leben ohne Diskriminierungen für alle Menschen zu ermöglichen. Geflüchteten Menschen würde im Alltag durch die Einführung der Bezahlkarte fortlaufend vermittelt, nur Menschen zweiter Klasse zu sein. Wir fordern Sie deshalb auf, sich im Rat der Stadt Bochum gegen eine Bezahlkarte auszusprechen und sich auch auf Landesebene
gegen eine NRW-weite, verpflichtende Einführung einzusetzen....

 

Hier im Wortlaut: 30.04.2024: Kölnische Rundschau (Bonn): Das sagt die Bonner Politik zur Bezahlkarte für Asylsuchende

Ob sie in Bonn zum Einsatz kommen wird, ist noch unklar. Wie ist das Stimmungsbild in den Ratsfraktionen? Wir haben nachgehört.

Mit einer Bezahlkarte für Asylsuchende will die Bundesregierung erreichen, dass Sozialleistungen für den Lebensunterhalt in Deutschland ausgegeben werden, und den Verwaltungsaufwand reduzieren. Nach langen Diskussionen hat der, der Bundesrat stimmte am Freitag zu. Auch die Bonner Lokalpolitik beschäftigt das Thema: Der Bürger Bund Bonn (BBB) fordert mit einem Antrag im Stadtrat die Einführung der Bezahlkarte und die FDP appelliert an das Land, dass es die Kommunen damit nicht alleine lassen soll.

Nach dem Bundesratsbeschluss ist die Bezahlkarte bundesweit eine Option, um Sozialleistungen an Asylsuchende als Guthaben auszuzahlen. Damit können sie dann etwa Lebensmittel im Supermarkt kaufen, aber kein Geld ins Ausland überweisen. Auch Bargeldauszahlungen können die Leistungsbehörden vor Ort beschränken. Helmut Dedy, Geschäftsführer des Städtetages NRW, forderte Mitte April einheitliche Regeln für die Bundesländer, zum Beispiel zu einer Obergrenze für Bargeldabhebungen.

Verpflichtet zur Nutzung dieser neuen Möglichkeit sind die Länder und Kommunen nicht. Wie steht die Stadtverwaltung aktuell zur Bezahlkarte? Gibt es schon Planungen? Das Presseamt teilt dazu am Freitag nur mit, dass es einer ausstehenden Stellungnahme zum Antrag des BBB nicht vorweggreifen könne. Der BBB hatte seit März in mehreren Anträgen die Einführung der Bezahlkarte gefordert, deren Beratung bislang vertagt wurde.

CDU will keine übereiligen Beschlüsse

„Die Bundesstadt Bonn sollte die von den Ministerpräsidenten und dem Bundeskanzler beschlossenen migrationspolitischen Ziele unterstützen und die Bezahlkarte zum nächstmöglichen Zeitpunkt einführen“, fordert der BBB in dem Antrag. Bargeldauszahlungen sollten auf das gesetzlich mögliche Mindestmaß beschränkt werden.

Die CDU-Fraktion befürwortet die Bezahlkarte, sieht den BBB-Antrag, diese schnellstmöglich einzuführen, aber kritisch, wie ihr sozialpolitischer Sprecher Georg Goetz erklärt: „Wir sollten keine voreilige Bonner „Lösung„ vorantreiben beziehungsweise schaffen, bevor einheitliche Regelungen für NRW feststehen.“ Der kommunale Verwaltungs- und Finanzaufwand müsse noch geklärt werden.

Die FDP hat einen Antrag zur Bezahlkarte eingebracht, in dem sie Unterstützung durch das Land fordert. Das Land solle die neuen Strukturen zur Verfügung stellen, sagt Petra Nöhring, stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende: „Immer wieder sollen wir in Bonn Entscheidungen aus Bund und Land voll aus dem Bonner Haushalt finanzieren.“ Grundsätzlich stehe die FDP der Bezahlkarte aber nach „ermutigenden“ Pilotprojekten – wie in Hannover – offen gegenüber. So könnten Anreize geschaffen werden, das Geld „vollumfänglich für den Lebensunterhalt zu verwenden.“

Auch SPD-Fraktionsvorsitzender Max Biniek sieht das Land erstmal in der Verantwortung, die Rahmenbedingungen zu schaffen. „Es gibt noch viele offene Fragen in Bezug auf die Bezahlkarte, zumal noch kein Dienstleister gefunden ist, der die Karte entwickelt“, sagt Biniek. Es sei wichtig, dass die Einführung zu einem Bürokratieabbau führe. Und: „Die Bezahlkarte darf nicht dazu führen, dass Schutzsuchenden ihre Rechte verwehrt werden.“

Die sozialpolitischen Sprecher der Grünen-Ratsfraktion, Eva Kuzu und Detmar Jobst, betonen, dass die Bezahlkarte die Integration nicht behindern dürfe. Die Karte solle „diskriminierungsfrei“ sein und die Menschen nicht in ihrer Bewegungsfreiheit einschränken. „Ihre Einführung sollte für die Verwaltung eine Vereinfachung mit sich bringen und keinen Mehraufwand darstellen. Ebenso sollte sie den kommunalen Haushalt nicht zusätzlich belasten“, teilen Kuzu und Jobst mit.

Linksfraktion spricht von Diskriminierung

Die Linksfraktion positioniert sich klar gegen die Bezahlkarte. Ihre sozialpolitische Sprecherin Claudia Falk sagt: „Die Bezahlkarte ist im Kern diskriminierend und soll Probleme lösen, die es so nicht gibt. Bei Beträgen unterhalb des Existenzminimums können die Betroffenen wohl kaum nennenswerte Summen in ihre Herkunftsländer überweisen.“

Die Volt-Fraktion verweist auf die Position ihres NRW-Landesverbands. Der hatte sich in einer Mitteilung Ende März ebenfalls gegen die Bezahlkarte ausgesprochen und stattdessen gefordert, Basiskonten zu nutzen.

Gesetzesänderung für Bezahlkarte

Wer als Geflüchteter in Deutschland Schutz sucht und seinen Lebensunterhalt nicht selbst finanzieren kann, bekommt Unterstützung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Bislang werden die Leistungen in Form von Sachspenden, Bargeld oder Wertgutscheinen an die Asylbewerber ausgegeben.

Als vierte Möglichkeit soll nun die Bezahlkarte eingeführt werden. Am 12. April hat der Bundestag eine entsprechende Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes beschlossen, der Bundesrat stimmte am 26. April zu.

Die Bezahlkarte soll für alle Geflüchteten eine Option sein, egal wie sie untergebracht sind. Die Ausgestaltung der Bezahlkarte übernehmen die Länder. Ein Vorteil der Bezahlkarte sei, dass das Geld nur im Inland ausgegeben werden kann, „also wozu die Leistungen gedacht sind: für das Leben der Geflüchteten hier“ und etwa nicht für Schleppergelder, heißt es in einer Pressemitteilung der Bundesregierung. Außerdem solle durch die Bezahlkarte der Verwaltungsaufwand reduziert werden.