14.03.2025 Aus Aktuell des FRNRW: [Heute ] hat sich der Flüchtlingsrat NRW schriftlich an die nordrhein-westfälischen Bundestagsabgeordneten der CDU und der SPD gewendet. Er kritisiert die restriktiven Pläne in dem am 08.03.2025 veröffentlichten Sondierungspapier beider Parteien und fordert die Abgeordneten auf, sich dafür einzusetzen, dass in den Koalitionsverhandlungen stattdessen eine rechtsbasierte, humane Flüchtlingspolitik vereinbart wird.
Die Schreiben können gerne als Vorlage verwendet werden:
- Schreiben an die Abgeordneten der CDU (PDF / Word)
- Schreiben an die Abgeordneten der SPD (PDF / Word)
Schreiben an die Abgeordneten der CDU:
Sehr geehrte/r … , wir möchten Sie bitten, sich in den laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD bei Ihren Parteikolleginnen und -kollegen der Arbeitsgruppe Innen, Recht, Migration und Integration für eine andere Ausrichtung der Migrationspolitik einzusetzen.
Die flüchtlingspolitischen Pläne in dem am 08.03.2025 veröffentlichten Ergebnispapier der Sondierungsgespräche zwischen CDU/CSU und SPD bereiten uns große Sorge. Geprägt vom „Kampf gegen die ‚irreguläre Migration‘“ fehlen positive Akzente, die etwa auf Schutzgewährung und Teilhabemöglichkeiten abzielen und Migration als Chance begreifen, nahezu komplett. Wenn geflüchtete Menschen rhetorisch kriminalisiert und zudem als „Problem“ bzw. „Gefahr“ dargestellt werden, schürt das weiter Ressentiments und vertieft die gesellschaftliche Spaltung.
Viele der im Ergebnispapier formulierten Vorhaben verletzen grundlegende Rechte Schutzsuchender, manche rütteln gar an den Grundfesten unseres Rechtsstaates. Wir werden hier beispielhaft auf vier ausgewählte Punkte des Sondierungspapiers näher eingehen. Besorgt sind wir etwa über die Absicht, aus dem Amtsermittlungsgrundsatz im Asylrecht einen Beibringungsgrundsatz zu machen. Die Verantwortung, im Asylverfahren alle relevanten Informationen, etwa zur Gefahrenlage im Herkunftsland, einzubringen, würde damit von den Behörden gänzlich auf die Asylsuchenden selbst übergehen. Der Amtsermittlungsgrundsatz im Verwaltungsverfahren dient dazu, die Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit des Verwaltungshandelns zu gewährleisten. Er sichert zudem die Gleichheit der Menschen in Verwaltungsverfahren und sorgt grundsätzlich dafür, dass der Zugang zum Recht nicht von persönlichen Fähigkeiten und Mitteln abhängig gemacht wird. Eine Abkehr vom Untersuchungsgrundsatz gefährdet den Grundsatz fairer Verfahren und führt im schlimmsten Fall dazu, dass Betroffenen der benötigte Schutz verweigert wird.
Der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten, mit dem das nach christlichen Wertvorstellungen sehr wichtige Leben im Familienverbund ermöglicht wird, soll laut Sondierungspapier für eine nicht näher benannte befristete Dauer ausgesetzt werden. Da im Regelfall nicht die Möglichkeit besteht, mit den Angehörigen in einem Drittstaat zusammenzuleben, wird betroffenen Familien somit ihr Recht auf ein Familienleben, das nach dem Grundgesetz, der EMRK, der Grundrechtecharta und der UN-KRK unter besonderem Schutz steht, vorenthalten. Überdies stellt der Familiennachzug neben humanitären Aufnahmeprogrammen, die nach den Plänen ebenfalls nicht mehr vorgesehen sind, einen der wenigen legalen Fluchtwege dar; seine Aussetzung folgt somit nicht einmal der Logik des „Kampfs gegen die ‚irreguläre Migration‘“. Vielmehr werden dadurch viele Menschen gezwungen, sich auf gefährliche Fluchtwege zu begeben und ohne Visum in die EU einzureisen.
Auch soll die erst vor einem Jahr in Kraft getretene positive Regelung der Beiordnung von Pflichtanwältinnen im Rahmen der Anordnung von Abschiebungshaft nun zurückgenommen werden. Der im Sondierungspapier irreführenderweise als „verpflichtend beigestellter Rechtsbeistand vor der Durchsetzung der Abschiebung“ bezeichnete Rechtsbeistand, der dazu beitragen soll, dass die laut einschlägigen Fachanwältinnen sehr hohe Zahl rechtswidriger Haftanordnungen reduziert wird, ist ein wichtiges Instrument zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit angesichts der mit massiven Grundrechtseingriffen verbundenen Abschiebungshaft. Mit der Durchsetzung der Abschiebung hat dies rein gar nichts zu tun.
Die Bezahlkarte für Schutzsuchende soll „deutschlandweit“ zum Einsatz kommen. Das lässt eine erneute Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes vermuten, derart, dass die Bezahlkarte „vorrangig“ und nicht, wie jetzt, „gleichrangig“ als Form der Leistungsgewährung benannt wird. Dabei haben sich die Ratsfraktionen der CDU in verschiedenen Kommunen in NRW durch ihre Zustimmung zu sog. „Opt-Out“-Beschlüssen gegen die Einführung der Bezahlkarte ausgesprochen, u. a. aufgrund des höheren Verwaltungsaufwands und der diskriminierenden Wirkung der Bezahlkarte. Dass der mit der Einführung verbundene gewünschte Effekt „Minderung des Verwaltungsaufwandes“ nicht eintritt und Schutzsuchende in keinem nennenswerten Umfang „Auslandsüberweisungen an die Familie oder Schlepper“, die dadurch ebenfalls unterbunden werden sollten, tätigen (können), ist hinreichend belegt. Stattdessen soll die „Bezahlkarte“ als reines
Abschreckungsinstrument dienen, was das BVerfG in seiner Entscheidung vom 18. Juli 2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11) ausdrücklich untersagt hat und was zum anderen auch nicht zu einer Senkung der Zahl der Schutzsuchenden führen wird. Beunruhigend ist, dass im Sondierungspapier mit der Formulierung, man werde die „Umgehung“ der Bezahlkarte für Schutzsuchende „unterbinden“, ein mögliches (rechtliches) Vorgehen gegen solidarische Tauschaktionen, die bereits an vielen Orten in Deutschland entstanden sind, angedeutet wird. Kritisches zivilgesellschaftliches Engagement ist aber ein wichtiger Teil einer gesunden Demokratie. Es darf nicht sanktioniert, etwa durch Entzug der Gemeinnützigkeit, oder gar kriminalisiert werden. Wir erwarten ein klares Bekenntnis zu einer unabhängigen, engagierten Zivilgesellschaft, u. a. durch den Beschluss eines adäquaten Demokratiefördergesetzes sowie eine auskömmliche (finanzielle) Unterstützung von Initiativen und Vereinen, die sich auf demokratische Weise für unsere Gesellschaft einsetzen.
Für eine kritische Untersuchung weiterer Punkte des Sondierungspapiers verweisen wir auf die Kurzanalyse von PRO ASYL vom 10.03.2025.
Deutschland steht vor großen Herausforderungen. Es braucht u. a. mehr bezahlbaren Wohnraum, dringende Investitionen im Gesundheits- und Bildungssystem und einen zukunftsfähigen Arbeitsmarkt. Statt Migration zur Wurzel derzeitiger gesellschaftlicher Missstände zu erklären, sollte die Union in einer möglichen Regierungskoalition dafür Sorge tragen, dass echte politische Lösungen erarbeitet werden und so auch rechtem Populismus der Nährboden entzogen wird.
Wir appellieren an Sie: Setzen Sie sich dafür ein, dass Ihre Partei in den aktuellen Koalitionsverhandlungen mit der SPD eine rechtsbasierte und von christlichen Werten
geprägte Flüchtlingspolitik anstrebt.
Schreiben an die Abgeordneten der SPD:
Sehr geehrte/r …, wir möchten Sie bitten, sich in den laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und CDU/CSU bei Ihren Genossinnen und Genossen der Arbeitsgruppe Innen, Recht, Migration und Integration für eine andere Ausrichtung der Migrationspolitik einzusetzen.
Die flüchtlingspolitischen Pläne in dem am 08.03.2025 veröffentlichten Ergebnispapier der Sondierungsgespräche zwischen CDU/CSU und SPD bereiten uns große Sorge. Geprägt vom „Kampf gegen die ‚irreguläre Migration‘“ fehlen positive Akzente, die etwa auf Schutzgewährung und Teilhabemöglichkeiten abzielen und Migration als Chance begreifen, nahezu komplett. Wenn geflüchtete Menschen rhetorisch kriminalisiert und zudem als „Problem“ bzw. „Gefahr“ dargestellt werden, schürt das weiter Ressentiments und vertieft die gesellschaftliche Spaltung.
Die SPD stand seit jeher für internationale Solidarität und die Verteidigung der Menschenwürde, wie auch viele Ihrer Genossinnen und Genossen im September vergangenen Jahres mit ihrem Offenen Brief „Eintreten für Würde“ in Erinnerung riefen. Gerade jetzt ist die SPD, deren Mitglieder im Nationalsozialismus selbst Opfer politischer Verfolgung wurden, gefragt, für den Schutz von und den humanen Umgang mit Flüchtlingen einzutreten.
Viele der im Ergebnispapier formulierten Vorhaben verletzen grundlegende Rechte Schutzsuchender, manche rütteln gar an den Grundfesten unseres Rechtsstaates. Wir werden hier beispielhaft auf vier ausgewählte Punkte des Sondierungspapiers näher eingehen. Besorgt sind wir etwa über die Absicht, aus dem Amtsermittlungsgrundsatz im Asylrecht einen Beibringungsgrundsatz zu machen. Die Verantwortung, im Asylverfahren alle relevanten Informationen, etwa zur Gefahrenlage im Herkunftsland, einzubringen, würde damit von den Behörden gänzlich auf die Asylsuchenden selbst übergehen. Der Amtsermittlungsgrundsatz im Verwaltungsverfahren dient dazu, die Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit des Verwaltungshandelns zu gewährleisten. Er sichert zudem die Gleichheit der Menschen in Verwaltungsverfahren und sorgt grundsätzlich dafür, dass der Zugang zum Recht nicht von persönlichen Fähigkeiten und Mitteln abhängig gemacht wird. Eine Abkehr vom Untersuchungsgrundsatz gefährdet den Grundsatz fairer Verfahren und führt im schlimmsten Fall dazu, dass Betroffenen der benötigte Schutz verweigert wird.
Der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten, den Ihre Partei laut Wahlprogramm noch als „entscheidende Voraussetzung für eine gelungene Integration“ weiterhin ermöglichen wollte, soll laut Sondierungspapier für eine nicht näher benannte befristete Dauer ausgesetzt werden. Da im Regelfall nicht die Möglichkeit besteht, mit den Angehörigen in einem Drittstaat zusammenzuleben, wird betroffenen Familien somit ihr Recht auf ein Familienleben, das nach dem Grundgesetz, der EMRK, der Grundrechtecharta und der UN-KRK unter besonderem Schutz steht, vorenthalten. Überdies stellt der Familiennachzug neben humanitären Aufnahmeprogrammen, die nach den Plänen ebenfalls nicht mehr vorgesehen sind, einen der wenigen legalen Fluchtwege dar; seine Aussetzung folgt somit nicht einmal der Logik des „Kampfs gegen die ‚irreguläre Migration‘“. Vielmehr werden dadurch viele Menschen gezwungen, sich auf gefährliche Fluchtwege zu begeben
und ohne Visum in die EU einzureisen.
Auch soll eine positive Regelung, die erst vor einem Jahr in Kraft getreten ist und an deren Einführung die SPD maßgeblich beteiligt war, nämlich die Beiordnung von Pflichtanwältinnen im Rahmen der Anordnung von Abschiebungshaft, nun zurückgenommen werden. Der im Sondierungspapier irreführenderweise als „verpflichtend beigestellter Rechtsbeistand vor der Durchsetzung der Abschiebung“ bezeichnete Rechtsbeistand, der dazu beitragen soll, dass die laut einschlägigen Fachanwältinnen sehr hohe Zahl rechtswidriger Haftanordnungen reduziert wird, ist ein wichtiges Instrument zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit angesichts der mit massiven Grundrechtseingriffen verbundenen Abschiebungshaft. Mit der Durchsetzung der Abschiebung hat dies rein gar nichts zu tun.
Die Bezahlkarte für Schutzsuchende soll „deutschlandweit“ zum Einsatz kommen. Das lässt eine erneute Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes vermuten, derart, dass die Bezahlkarte „vorrangig“ und nicht, wie jetzt, „gleichrangig“ als Form der Leistungsgewährung benannt wird. Dabei haben sich die Ratsfraktionen der SPD in vielen Kommunen in NRW durch ihre Zustimmung zu sog. „Opt-Out“-Beschlüssen gegen die Einführung der Bezahlkarte ausgesprochen, u. a. aufgrund des höheren Verwaltungsaufwands und der diskriminierenden Wirkung der Bezahlkarte. Dass der mit der Einführung verbundene gewünschte Effekt „Minderung des Verwaltungsaufwandes“ nicht eintritt und Schutzsuchende in keinem nennenswerten Umfang „Auslandsüberweisungen an die Familie oder Schlepper“, die dadurch ebenfalls unterbunden werden sollten, tätigen (können), ist hinreichend belegt. Stattdessen soll die „Bezahlkarte“ als reines
Abschreckungsinstrument dienen, was das BVerfG in seiner Entscheidung vom 18. Juli 2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11) ausdrücklich untersagt hat und was zum anderen auch nicht zu einer Senkung der Zahl der Schutzsuchenden führen wird. Beunruhigend ist, dass im Sondierungspapier mit der Formulierung, man werde die „Umgehung“ der Bezahlkarte für Schutzsuchende „unterbinden“, ein mögliches (rechtliches) Vorgehen gegen solidarische Tauschaktionen, die bereits an vielen Orten in Deutschland entstanden sind, angedeutet wird. Wie es auch im Wahlprogramm der SPD hieß, ist kritisches zivilgesellschaftliches Engagement aber ein wichtiger Teil einer gesunden Demokratie. Es darf nicht sanktioniert, etwa durch Entzug der Gemeinnützigkeit, oder gar kriminalisiert werden. Wir erwarten ein klares Bekenntnis zu einer unabhängigen, engagierten Zivilgesellschaft, u. a. durch den Beschluss eines adäquaten Demokratiefördergesetzes sowie eine auskömmliche (finanzielle) Unterstützung von Initiativen und Vereinen, die sich auf demokratische Weise für unsere Gesellschaft einsetzen.
Für eine kritische Untersuchung weiterer Punkte des Sondierungspapiers verweisen
wir auf die Kurzanalyse von PRO ASYL vom 10.03.2025.
Deutschland steht vor großen Herausforderungen. Es braucht u. a. mehr bezahlbaren Wohnraum, dringende Investitionen im Gesundheits- und Bildungssystem und einen zukunftsfähigen Arbeitsmarkt. All diese Themen gehören zum Kernbereich sozialdemokratischer Politik. Statt Migration zur Wurzel derzeitiger gesellschaftlicher Missstände zu erklären, sollte die SPD in einer möglichen Regierungskoalition dafür Sorge tragen, dass mit progressiver Sozialpolitik bei den eigentlichen Ursachen angesetzt und so auch rechtem Populismus der Nährboden entzogen wird. In der Flüchtlingspolitik hat Ihre Partei als Teil der Ampel-Regierung in der Anfangszeit der Koalition z. B. mit den Verbesserungen bei Bleiberechten einschließlich der Schaffung eines Chancenaufenthaltsrechts konstruktive Anfangspunkte für einen humanen Umgang mit Schutzsuchenden und mehr sozialer Teilhabe gesetzt.
Wir appellieren an Sie: Setzen Sie sich dafür ein, dass Ihre Partei in den aktuellen Koalitionsverhandlungen mit der Union unbedingt echte soziale Lösungen einfordert und sich gegen eine weitere Entrechtung von Flüchtlingen stellt!