20.06.2020 Die Seebrücke Bonn wendet sich in einem offenen Brief an die Lokalpolitik.
Pressemitteilung: Die Bonner Lokalgruppe der bundesweiten zivilgesellschaftlichen Initiative „Seebrücke. Schafft Sichere Häfen“ adressierte am Samstag, 20. Juni, einen offenen Brief an den Bonner Stadtrat, in dem sie ihre Enttäuschung über die bisher mangelhafte Umsetzung des Stadtratsbeschlusses zum Beitritt zum Bündnis „Städte Sicherer Häfen“ zum Ausdruck bringt. Der Verabschiedung des Beschlusses vom 26. September 2019, wonach sich Bonn bereit erklärte, aus Seenot Gerettete auch zusätzlich zum „Königsteiner Schlüssel“ aufzunehmen“, seien kaum Taten gefolgt. In einem Briefwechsel im März und April 2020 habe der Oberbürgermeister Sridharan zwar mitgeteilt, dass Bonn bis zu zehn Minderjährige aus den griechischen Lagern aufnehmen wolle (der GA berichtete). Das Drängen der Vertreter*innen der Seebrücke, angesichts der humanitären Katastrophe an den europäischen Außengrenzen ein wesentlich größeres Kontingent aufzunehmen, blieb jedoch ungehört. Weder im Mai noch im Juni wurde das Thema auf der Stadtratssitzung auf die Tagesordnung gesetzt. Angesichts der kritischen Situation auf dem Mittelmeer und in den griechischen Lagern, die durch den Corona-Pandemie weiter verschärft wurde, fordert die Gruppe eine umgehende Beschäftigung mit dem Thema seitens des Bonner Stadtrats. „Dem Geist des ursprünglichen Beschlusses von September 2019 entspricht die Bereitschaft, vom Corona-Virus bedrohte Personen aus den Geflüchtetenlagern auf den griechischen Inseln aufzunehmen“, äußerte ein Verfasser des offenen Briefes. Daher fordern die Vertreter*innen der Seebrücke, den Stadtratsbeschluss von September 2019 zu aktualisieren und angesichts der humanitären Katastrophe auf den griechischen Inseln auch auf die Menschen auf in den griechischen Lagern auszudehnen. Angesichts der freien Plätze in Geflüchtetenunterkünften in Bonn fordert die Initiative darüber hinaus, eine dreistellige Zahl an Geflüchteten von den griechischen Inseln aufzunehmen. Trotz der Beschränkungen durch die Corona-Pandemie blieb die Seebrücke Bonn in den vergangenen Monaten nicht tatenlos. Neben einer großen Online-Präsenz und Fensterund Krachdemos führte die Seebrücke Bonn in Zusammenarbeit mit anderen zivilgesellschaftlichen Bonner Initiativen unter strikter Einhaltung der CoronaAbstandsbestimmungen in den vergangenen Wochen mehrere Demonstrationen, Mahnwachen und eine 14-tägige Dauermahnwache durch, um auf die prekäre Situation von Geflüchteten an den europäischen Außengrenzen und auf dem Mittelmeer sowie die Kriminalisierung von Seenotrettungsorganisationen aufmerksam zu machen.
Pressekontakt: Rainer van Heukelum Mobil: 0177 5259014 Mail: heukelum@gmx.de Weitere Informationen unter: https://twitter.com/seebruecke_bonn/ https://www.facebook.com/SeebrueckeBonn/ bonn@seebruecke.org
Hier der Wortlaut:
Offener Brief an den Rat der Stadt Bonn
Sehr geehrte Stadtverordnete, sehr geehrter Stadtverordneter,
seit einigen Monaten setzen wir uns als Seebrücke Bonn nicht nur für die Seenotrettung auf dem Mittelmeer, sondern auch für die kommunale Aufnahme von Geflüchteten aus den überfüllten griechischen Lagern ein. Durch einen Briefverkehr mit dem OB und durch Kontakt zu den Fraktionen, aber auch durch Demonstrationen, wöchentliche Mahnwachen und mit einer 14-tägigen Dauermahnwache - im Bündnis mit anderen zivilgesellschaftlichen Initiativen - haben wir versucht, unseren Forderungen Gehör zu verschaffen. Einziges greifbares Ergebnis ist bisher, dass Herr Oberbürgermeister Sridharan uns in einem Brief vom 2.4. 2020 die Bereitschaft der Stadt Bonn mitgeteilt hat, bis zu 10 Minderjährigen aus den griechischen Lagern eine neue Heimat zu geben. Unser Drängen beim Oberbürgermeister und den Fraktionen, mehr zu tun und als Stadt Bonn zu erklären, angesichts der humanitären Katastrophe an den europäischen Außengrenzen ein wesentlich größeres Kontingent von Geflüchteten aufnehmen zu wollen, blieb bisher ohne Erfolg.
Wir stellen fest:
• Der Verabschiedung des Stadtratsbeschlusses vom 26.9.2019, mit dem Bonn dem Bündnis „Städte Sicherer Häfen“ beigetreten ist und sich für die Aufnahme von aus Seenot Geretteten auch zusätzlich zum „Königsteiner Schlüssel“ ausgesprochen hat, hat die Stadt kaum Taten folgen lassen.
• Dem Geist dieses Beschlusses würde die öffentliche und gegenüber dem Innenministerium erklärte Bereitschaft entsprechen, eine nennenswerte Anzahl der nicht vom Ertrinken, sondern vom CoronaVirus bedrohten Menschen aus den griechischen Lagern zu übernehmen.
• Weder der Hauptausschuss im Mai noch der erste reguläre Stadtrat nach der Corona-Pause am 18.06.2020 hielt es für nötig, dieses Thema auch nur auf die Tagesordnung zu setzen.
Angesichts der unverändert kritischen Situation auf dem Mittelmeer und in den griechischen Lagern fordern wir den Rat der Stadt Bonn auf, baldmöglichst
• die aktuellen Schwierigkeiten der Seenotrettung und die unmenschlichen Bedingungen der Asylsuchenden in den Lagern an der europäischen Außengrenze zum Thema zu machen;
• den Beschluss vom 26.09. 2019 zu aktualisieren, indem die Bereitschaft zur Aufnahme von aus Seenot Geretteten auf Migrant*innen in den griechischen Lagern ausgedehnt wird;
• angesichts der in Bonn freien Unterkünfte eine dreistellige Zahl zu benennen, die die Stadt Bonn bereit ist, aus dem oben genannten Personenkreis zu empfangen. Dem von Ihnen getätigten Versprechen auf dem Papier (Stadtratsbeschluss vom 26.09.2019) müssen in der aktuellen Krisensituation mit sofortiger Wirkung Taten folgen. Die Stadt Bonn, die als ehemalige Hauptstadt und UN-Stadt im Beethovenjahr 2020 internationale Öffentlichkeit und mediale Aufmerksamkeit erhält, würde damit ein Zeichen der Humanität und Menschenwürde setzen, auf das viele Menschen warten.
Für die Seebrücke Bonn Lailah Atzenroth, Kai Echelmeyer, Rainer van Heukelum