19.11.2020 Erinnert sich noch jemand an den großen BAMF-Skandal von 2018? Der Leiterin des Bremer BAMF wurde damals vorgeworfen, Gelder kassiert zu haben, um massenhaft Asylanträge positiv zu bescheiden. So groß die Empörung damals war, so still wurde es später. Das juristische Ende ist den Medien kaum eine Notiz wert. Am Freitag, 13.11. beschloss das Langericht Bremen: Es gibt keine Hauptverhandlung, wegen wegen mangelnden Tatverdachts bzw. überhaupt keinen hinreichenden Tatverdacht. Der Vorwurf massenhafter rechtwidriger Asyl-Anerkennungsbescheide ist gänzlich vom Tisch.
ProAsyl berichtete am 17.11.2020 ausführlich über die damaligen Vorgänge, die juristische Aufarbeitung und mutmßlichen Hintergründe des großen Skandals, der weitreichende die personellen und persönliche Konsequenzen für die Beschuldigten hatte und politische Wellen schlug.
ProAsyl News
Das Ende des angeblichen »BAMF-Skandals«
Über den Verdacht auf systematischen Betrug bei Asylbescheiden in Bremen berichtete der Rechercheverbund der SZ, NDR und Radio Bremen im April 2018. Der angebliche »Bremer BAMF-Skandal« bracht sich daraufhin Bahn und beherrschte monatelang die Schlagzeilen. Nach mehr als zwei Jahren zeigt sich: Die Vorwürfe waren haltlos.
Im Frühjahr 2018 machten Meldungen um einen angeblich massenhaften Betrug bei Asylbescheiden durch die Bremer Außenstelle des BAMF bundesweit Schlagzeilen (Erstmeldung von SZ, NDR und Radio Bremen am 20.04.2018). Insbesondere das Bundesinnenministerium (BMI) und Politiker*innen von CDU/CSU heizten die Debatte an, die im Sommer 2018 zum »Bremer Asylskandal« avancierte: Im Rahmen einer hochgradig vergifteten Diskussion um angeblich massenhafte Korruption und Gefälligkeitsentscheidungen zugunsten von nicht schutzbedürftigen Flüchtlingen wurden die Leiterin der Bremer BAMF-Behörde sowie zwei Anwälte als Hauptbeschuldigte identifiziert.
Es entwickelte sich eine wahre Hetzjagd gegen die Beschuldigten und weitere »Verantwortliche«, in deren Folge nicht nur die BAMF-Leiterin in Bremen, sondern auch die BAMF-Chefin Jutta Cordt ihren Hut nehmen musste. Sie wurde durch Dr. Hans-Eckhard Sommer ersetzt, einen Hardliner und Gefolgsmann von Bundesinnenminister Seehofer. Auch Geflüchtete und ihr Schutzanliegen wurden massiv diskreditiert. Das BAMF ordnete eine systematische Überprüfung aller positiven Asylbescheide aus Bremen an und versetzte damit Hunderte von anerkannten Flüchtlingen in Angst. Zeitweise waren 40 Ermittler*innen – die größte Ermittlungsgruppe, die jemals in einem Kriminalfall in Bremen tätig war – mit dem angeblichen Skandal betraut.
Nun stellt sich heraus: Der »Bremer Asylskandal« war in erster Linie eine politische Inszenierung, in deren Folge sich der Umgang des BAMF mit Geflüchteten gravierend veränderte.
Das Gros der Verfahren wird bereits 2019 eingestellt
Die Staatsanwaltschaft Bremen führte die Ermittlungen gegen die ehemalige Leiterin der BAMF-Außenstelle in Bremen sowie mehrere Anwälte unter dem Tatvorwurf: »Bandenmäßige Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung in rund 1.200 Fällen«. Angeblich hätten die Beschuldigten Flüchtlinge gezielt zum BAMF nach Bremen gelockt, wo die Asylsuchenden mit Hilfe der Amtsleiterin zu Unrecht positive Asylbescheide erhalten hätten. Auch die Geflüchteten standen im Verdacht, sich ein Asylrecht »erschlichen« zu haben.
Im September 2019, brachte die Staatsanwaltschaft Bremen von den ursprünglich in Rede stehenden rund 1.200 Verfahren lediglich noch 121 zur Anklage. Schon dies verdeutlichte, dass von den monströsen Vorwürfen wohl nicht viel übrig bleiben würde.
Am vergangenen Freitag lehnte dann das Landgericht Bremen eine Hauptverhandlung gegen die ehemalige Leiterin des BAMF Bremen sowie zwei Anwälte in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle wegen mangelnden Tatverdachts ab und ließ die meisten Anklagepunkte im »BAMF-Skandal« fallen. Gegen einen der Anwälte konnte das Gericht überhaupt keinen hinreichenden Tatverdacht feststellen und lehnte die Anklage gegen ihn insgesamt ab.
»Der Schaden ist bereits entstanden. Erst wurden unbelegte Falsch- und Vorverurteilungen in Medien und Politik verbreitet, dann hat eine ebenso große wie voreingenommene Ermittlungsgruppe der Staatsanwaltschaft die BAMF-Inszenierung weiter vorangetrieben. All dies hat zur öffentlichen Delegitimation von Flucht und zur weiteren Entrechtung von Geflüchteten beigetragen.«
Holger Dieckmann, Flüchtlingsrat Bremen
Der Vorwurf massenhafter rechtwidriger Asyl-Anerkennungsbescheide ist gänzlich vom Tisch. Nur noch einzelne Randdelikte wurden vom Gericht zur Hauptverhandlung zugelassen. Die Staatsanwaltschaft verzichtete laut Frankfurter Rundschau vom 13.11.2020 wegen »mangelnder Erfolgsaussichten« auf mögliche Rechtsmittel gegen den Beschluss des Landgerichts.
»Der Schaden ist bereits entstanden. (…) Erst wurden unbelegte Falsch- und Vorverurteilungen in Medien und Politik verbreitet, dann hat eine ebenso große wie voreingenommene Ermittlungsgruppe der Staatsanwaltschaft die BAMF-Inszenierung weiter vorangetrieben. All dies hat zur öffentlichen Delegitimation von Flucht und zur weiteren Entrechtung von Geflüchteten beigetragen«, analysiert der Flüchtlingsrat Bremen.
Der Vorwurf massenhafter rechtwidriger Asyl-Anerkennungsbescheide ist gänzlich vom Tisch. Nur noch einzelne Randdelikte wurden vom Gericht zur Hauptverhandlung zugelassen. Die Staatsanwaltschaft verzichtete laut Frankfurter Rundschau vom 13.11.2020 wegen »mangelnder Erfolgsaussichten« auf mögliche Rechtsmittel gegen den Beschluss des Landgerichts.
»Der Schaden ist bereits entstanden. (…) Erst wurden unbelegte Falsch- und Vorverurteilungen in Medien und Politik verbreitet, dann hat eine ebenso große wie voreingenommene Ermittlungsgruppe der Staatsanwaltschaft die BAMF-Inszenierung weiter vorangetrieben. All dies hat zur öffentlichen Delegitimation von Flucht und zur weiteren Entrechtung von Geflüchteten beigetragen«, analysiert der Flüchtlingsrat Bremen.
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