01.10.2021 Pro Asyl zog am 30. September die bittere Bilanz der Ära Seehofer. Für ihn ist jetzt endlich Schluss mit Regieren. Ob das auch für seine Parteifreund:innen gilt, ist moch unklar.
Bittere Bilanz: Die Asylrechtsverschärfungen des Horst Seehofer
Abschiebungshaft, Duldung light, Blockadehaltung bei der Aufnahme Schutzsuchender: Unter dem Unionsgeführten Innenministerium wurde in der vergangenen Legislaturperiode eine Asylrechtsverschärfung nach der nächsten entwickelt und durchgesetzt. PRO ASYL fasst zusammen, in welchen Bereichen untragbare Zustände zur neuen Normalität wurden.
Es ist eine Szene für die Geschichtsbücher: Horst Seehofer grinste zufrieden, als er im Juli 2018, an seinem 69. Geburtstag, seine Erheiterung darüber kundtat, dass jüngst an diesem Tag 69 Afghanen abgeschoben wurden. Vor kurzem berichtete das Deutschlandradio, wie es einigen dieser Menschen heute geht: im Chaos von Kabul, gestrandet in Moria, und zurück in der bayerischen Idylle. Die Begebenheit steht symptomatisch für die restriktive Flüchtlingspolitik, die das Unionsgeführte Innenministerium (BMI) in der vergangenen Legislaturperiode durchdrückte: von der Isolierung Geflüchteter bei der Aufnahme über die Ausweitung der Abschiebehaft bis hin zur Verlagerung von Asylverfahren an die EU-Außengrenzen. Die auf Abwehr ausgerichtete Politik prägte auch das Handeln des Auswärtigen Amts. Sichere Gebiete in Afghanistan wurden dort »erfunden« – und diese dann vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zur Ablehnung von Asylanträgen herangezogen. Eine Folge dieser Fehleinschätzung: Fast 30.000 Afghan*innen in Deutschland sind nur geduldet, also offiziell ausreisepflichtig.
Zum Appell von PRO ASYL und Amnesty International
Letztendlich ist aber das Innenministerium das Schlüsselressort, dessen politische Leitung die Linien der Politik bestimmt. Seit 16 Jahren ist das Bundesinnenministerium in fester Hand der Union, 16 Jahre lang wurden dort progressive Ideen abgewehrt und immer wieder neue Verschärfungen im Asylrecht erdacht. Nach der Bundestagswahl könnten nun die Weichen neu gestellt werden, wenn ein starker Flüchtlingsschutz im Koalitionsvertrag verankert wird. PRO ASYL und Amnesty International haben hierfür auf einer gemeinsamen Pressekonferenz am 30. September Position bezogen. PRO ASYL hat unter dem Titel »Menschenrechte zählen« ausführlich flüchtlingspolitische Forderungen aufgestellt, die bei den Verhandlungen berücksichtigt werden müssen.
Wie restriktiv die Asylpolitik der vergangenen Jahre war, zeigen 5 Beispiele (ausführlich geschildert im Beitrag):
- Beispiel 1: Die Trennung von Familien durch Gesetz und Verwaltungshandeln ...
- Beispiel 2: Die Isolierung von Schutzsuchenden in Massenunterkünften ...
- Beispiel 3: Das "Hau-ab-Gesetz": Keine Sozialleistungen und kein Bleiberecht ...
- Beispiel 4: Die Neuausrichtung des gemeinsamen europäischen Asylsystems ...
- Beispiel 5: Die Ignoranz der Tatsachen: Abschiebungen nach Afghanistan bis kurz vor endgültiger Machtergreifung dirch die Taliban ...
Die künftige Bundesregierung muss zurückkehren zu einer humanen Politik, deren unantastbare Basis das Menschen- und Völkerrecht ist. Damit Deutschland wieder zu einem Land wird, das seine Werte nicht nur in Sonntagsreden betont, sondern sie lebt. Damit die Europäische Union tatsächlich ein Raum der Freiheit und des Rechts ist. Das Bundesinnenministerium spielt dabei eine Schlüsselrolle. Denn wie unsere Gesellschaft mit den Schutzbedürftigen und Ausgegrenzten umgeht, sagt viel darüber aus, wie es in unserem Land um Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und eine liberale Ordnung bestellt ist.
(er)