Die Pläne des "Sonderbevollmächtigten" Stamp: Asylverfahren in Nordafrika, Migrationsabkommen für Rücknahme Abgeschobener

06.02.2023 Seit dem 1. Februar ist er im Amt. Was der neue Sonderbevollmächtigte der Bundesregierung für Migrationsabkommen, Joachim Stamp (FDP), da vorhat, legte er im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung jetzt dar: Asylverfahren sollen künftig in "Drittstaaten" verlagert werden, z. B. nach Nordafrika. Laut Berichterstattung der Zeit solle dies "unter Beachtung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention geschehen. "Dann würden auf dem Mittelmeer gerettete Menschen für ihre Verfahren nach Nordafrika gebracht werden", sagte Stamp der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung."

Weiter heißt es "entscheidend sei, sowohl das Sterben im Mittelmeer und die sogenannten Pushbacks an den EU-Außengrenzen zu beenden als auch die irreguläre Migration zu reduzieren. ... Er warb für Migrationsabkommen mit Partnerländern, die ein Kontingent von regulären deutschen Visa für ihre Bürger angeboten bekommen sollen – unter der Voraussetzung, dass sie Straftäter, Gefährder und illegal nach Deutschland eingereiste Staatsbürger zurücknehmen, also Abschiebungen ermöglichen."

 

Wir zitieren im Folgenden aus der Berichterstattung:

1. Die Zeit, 4. Februar 2023:

Flüchtlinge: Ampel-Koalition will Asylverfahren schon in Drittstaaten prüfen

Die Bundesregierung will die Verlegung von Asylverfahren nach Afrika prüfen. Menschenrechte sollen dabei geachtet werden, sagt der Migrationspolitiker Joachim Stamp.

Der neue Sonderbevollmächtigte der Bundesregierung für Migrationsabkommen, Joachim Stamp (FDP), hat angekündigt, eine Verlagerung von Asylverfahren ins Ausland prüfen zu wollen. Dies solle Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung

Ein solches Vorgehen erfordere aber viel Diplomatie und einen langen Vorlauf, sagte Stamp. Es sei klar, dass etwa ein Land wie Libyen in seinem derzeitigen Zustand dafür kein Partner sein könne. "Es geht nicht um einen Schnellschuss, wie ihn der frühere britische Premierminister Boris Johnson mit Ruanda gemacht hat."

Die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP hatten in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, sich "für rechtsstaatliche Migrationsabkommen mit Drittstaaten im Rahmen des Europa- und Völkerrechts" einzusetzen. Hierfür werde man prüfen, ob die Feststellung des Schutzstatus "in Ausnahmefällen" unter Achtung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention in Drittstaaten möglich ist, heißt es dort.

Stamp sagte, entscheidend sei, sowohl das Sterben im Mittelmeer und die sogenannten Pushbacks an den EU-Außengrenzen zu beenden als auch die irreguläre Migration zu reduzieren. "Dazu müssen wir den Menschen die Motivation nehmen, sich überhaupt erst auf die lebensgefährliche Überfahrt einzulassen", sagte der Sonderbeauftragte.

Er warb für Migrationsabkommen mit Partnerländern, die ein Kontingent von regulären deutschen Visa für ihre Bürger angeboten bekommen sollen – unter der Voraussetzung, dass sie Straftäter, Gefährder und illegal nach Deutschland eingereiste Staatsbürger zurücknehmen, also Abschiebungen ermöglichen. "Wir wollen Chancen schaffen, dass sich eine begrenzte und kontingentierte Anzahl regulär für den deutschen Arbeitsmarkt bewerben kann, sofern jene, die es auf eigene Faust versuchen und die hier kein Asylrecht haben, von ihren Herkunftsländern umstandslos wiederaufgenommen werden", sagte Stamp.


2. Stern, 04.02.2023

Stamp: Bundesregierung will Verlagerung von Asylverfahren nach Afrika prüfen

... "Das erfordert aber sehr viel Diplomatie und einen langen Vorlauf."

Über Asylverfahren in Afrika wird seit Jahren kontrovers in der EU diskutiert. Der frühere CDU-Innenminister Thomas de Maizière hatte schon 2016 vorgeschlagen, im Mittelmeer gerettete Flüchtlinge künftig in Aufnahmelager in Nordafrika bringen und dort ihr Anrecht auf Asyl zu prüfen. Sein Nachfolger Horst Seehofer von der CSU unterstützte "Ausschiffungsplattformen" in nordafrikanischen Ländern, um dort Asylverfahren abzuwickeln. 

Realisiert wurden solche Pläne wegen hoher juristischer Hürden und mangelnder Bereitschaft afrikanischer Staaten bisher nie. SPD, FDP und Grüne haben in ihrem Koalitionsvertrag von 2021 aber angekündigt, sie wollten prüfen, "ob die Feststellung des Schutzstatus in Ausnahmefällen" unter Achtung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention "in Drittstaaten möglich ist".

"Wir müssen uns die Entwicklungen in potentiellen Partnerländern genau anschauen", sagte der FDP-Politiker Stamp, der seit dem 1. Februar für die Bundesregierung Migrationsabkommen mit Herkunftsländern von Flüchtlingen aushandeln soll. "Es geht nicht um einen Schnellschuss, wie ihn der frühere britische Premier Boris Johnson mit Ruanda gemacht hat." Internationale Standards müssten auch in Afrika gewahrt bleiben. "Aber auf dieser Grundlage wollen wir tatsächlich darüber nachdenken."

Großbritannien hatte unter dem früheren Premierminister Boris Johnson ein umstrittenes Abkommen mit dem zentralafrikanischen Ruanda geschlossen, um irregulär eingereiste Flüchtlinge ohne Prüfung des Asylanspruchs in das Land auszufliegen. Dies soll Menschen abschrecken, die Überfahrt über den Ärmelkanal nach Großbritannien zu unternehmen. Wegen laufender Klagen gegen die Regelung wurde sie aber bisher nicht umgesetzt.

Stamp kündigte für Deutschland an, er wolle durch "Migrationsabkommen" mit Drittstaaten die irreguläre Einwanderung unter Kontrolle bringen: "Früher gab es von bestimmten Politikern immer wieder steile Ankündigungen über Abschiebungen", sagte er. "Doch die Erfahrung zeigt: Ohne die Bereitschaft der Herkunftsländer, ihre ausreisepflichtigen Bürger wieder zurückzunehmen, passiert gar nichts." 

Deutschland solle daher den wichtigsten Herkunftsländern eine bestimmte Anzahl von regulären Visa bieten, sofern diese ihre Verpflichtung einhalten, Straftäter, Gefährder und abgelehnte Asylbewerber umstandslos wieder zurückzunehmen. Außerdem müsse die Kooperation der Behörden untereinander verbessert werden, um schneller abschieben zu können. Zwar sprächen die Leitungen der beteiligten Stellen miteinander, "aber nicht diejenigen, die in der Praxis die Abschiebungen durchführen. Die möchte ich zusammenbringen."


3. Deutschlandfunk 05.02.2023

Neuer Migrations-BevollmächtigterStamp für Verlagerung von Asylverfahren auch nach Afrika

Der neue Sonderbevollmächtigte der Bundesregierung für Migrationsabkommen, Stamp, schlägt eine Neuausrichtung der deutschen Asylpolitik vor. Man wolle dabei auch eine Verlagerung von Verfahren ins Ausland prüfen. „Dann würden auf dem Mittelmeer gerettete Menschen für ihre Verfahren nach Nordafrika gebracht werden“, sagte der FDP-Politiker der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.

FDP unterstützt Vorstoß zur Prüfung von Asylverfahren in Afrika

Joachim Stamp ist der Sonderbevollmächtigte für Migrationsabkommen. Der FDP-Politiker will prüfen, ob sich Asylverfahren in Drittländer verlagern lassen. Die Idee ist nicht neu. Und sie entzweit die Ampelkoalitionäre.

Das solle unter Beachtung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention geschehen. Das erfordere aber sehr viel Diplomatie und einen langen Vorlauf. Es sei klar, dass etwa ein Land wie Libyen in seinem derzeitigen Zustand dafür kein Partner sein könne. Stamp betonte, entscheidend sei, sowohl das Sterben im Mittelmeer und die sogenannten Pushbacks an den EU-Außengrenzen zu beenden als auch die irreguläre Migration zu reduzieren. „Dazu müssen wir den Menschen die Motivation nehmen, sich überhaupt erst auf die lebensgefährliche Überfahrt einzulassen.“ Es gehe nicht um einen „Schnellschuss“, wie ihn etwa der frühere britische Premierminister Johnson mit Ruanda gemacht habe, betonte Stamp.

Die drei Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP hatten in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, sich „für rechtsstaatliche Migrationsabkommen mit Drittstaaten im Rahmen des Europa- und Völkerrechts“ einzusetzen. Darin wird die Prüfung zur Feststellung eines Schutzstatus in Drittstaaten jedoch nur „in Ausnahmefällen“ erwähnt.

Migrationsabkommen und Visa

Konkret warb Stamp für Migrationsabkommen mit Partnerländern, die ein Kontingent von regulären deutschen Visa für ihre Bürger angeboten bekommen sollen – unter der Voraussetzung, dass sie Straftäter, Gefährder und illegal nach Deutschland eingereiste Staatsbürger zurücknehmen, also Abschiebungen ermöglichen. „Wir wollen Chancen schaffen, dass sich eine begrenzte und kontingentierte Anzahl regulär für den deutschen Arbeitsmarkt bewerben kann, sofern jene, die es auf eigene Faust versuchen und die hier kein Asylrecht haben, von ihren Herkunftsländern umstandslos wieder aufgenommen werden“.

„Bleiberecht für gut Integrierte“

Zugleich sprach sich der Sonderbeauftragte dafür aus, gut integrierten Migranten eine dauerhafte Bleibemöglichkeit zu bieten. Dabei gehe es um Personen, die sich in Deutschland seit Jahren an alle Regeln hielten. Menschen, die in den Arbeitsmarkt integriert seien, die Sprache lernten und deren Kinder in die Schule gingen. Stamp führte aus, dass sich eine begrenzte Zahl von Menschen regulär für den deutschen Arbeitsmarkt bewerben können sollte. Gerade in Südamerika gebe es zahlreiche junge Leute, darunter viele Frauen, die gerne in Mangelberufen wie der Pflege arbeiten würden. Sie wären auch kulturell schnell integrierbar.

Stamp, der frühere nordrhein-westfälischer Integrationsminister war, hatte sein Amt als Sonderbevollmächtigter am Mittwoch übernommen. Der 52-Jährige soll dafür sorgen, dass die Migration nach Deutschland geordneter abläuft und Rückführungen abgelehnter Asylbewerber besser funktionieren.