EU-Asylpolitik: Abwehrbeschlüsse reichen offenbar noch nicht

14.10.2024 Die Wahlerfolge populistischer und rechtsextremer Kräfte werden zunehmend in Brüssel deutlich. Das zeigt sich in der neuen Asylpolitik Deutschlands ebenso wie in anderen EU-Staaten. Zuerst die Niederlande und später Ungarn beantragten die Ausnahme von den gemeinsamen Asylregeln als "schärfste Asylpolitik aller Zeiten" (Geert Wilders).

... die neue, rechtsextremistisch geführte Regierung in Den Haag ...  strebt für die Niederlande einen Status an wie Dänemark. Dort gilt das EU-Asylrecht tatsächlich nicht. (taz)

Zwar erhielten die Antragsteller jetzt eine Absage der Kommission

Ylva Johansson hat dem Wunsch der Niederlande nach einem Ausstieg aus der europäischen Asylpolitik eine Absage erteilt. "Das ist laut dem Vertrag nicht möglich, und das habe ich den Niederlanden auch gesagt". (Stern)

Doch gleichzeitig zieht Polens Regierungschef Tusk nach

Polen plant, das Recht auf Asyl »zeitweise« auszusetzen. Dies sei eines der Elemente seiner neuen Migrationsstrategie, sagte der liberalkonservative Regierungschef Donald Tusk der Nachrichtenagentur PAP zufolge in Warschau. »Ich werde die Anerkennung dieser Entscheidung in Europa einfordern.« ... eine Warnung an Europa ... »Wir werden die illegale Migration nach Polen auf ein Minimum reduzieren« (Spiegel)

In Bezug auf den EU-Migrationspakt drohte Tusk an, keine europäischen Ideen respektieren oder umsetzen zu wollen, die die Sicherheit seines Landes gefährdeten. (Spiegel)

Unter Donald Tusk, einst Gegner der harten Maßnahmen, hat sich die Gangart sogar noch verschärft... (Spiegel)

Beobachter*innen sehen einen Zusammenhang mit den deutschen Grenzkontrollen und der hier nun legitimierten Zurückweisung Schutzsuchender. Die "neue deutsche Asylpolitik" bewirkt erkennbar Folgen bei den Nachbarn.

 

Wir zitieren Berichte der Stern und des Spiegel:

EU-Innenkommissarin Ylva Johansson hat dem Wunsch der Niederlande nach einem Ausstieg aus der europäischen Asylpolitik eine Absage erteilt. "Das ist laut dem Vertrag nicht möglich, und das habe ich den Niederlanden auch gesagt", betonte Johansson am Donnerstag bei einem Innenministertreffen in Luxemburg. Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte, eine solche Ausnahme sei "keine gute Idee".

Die Niederlande hatten die Ausnahme von den gemeinsamen Asylregeln im September schriftlich bei der EU-Kommission in Brüssel beantragt. Der Rechtspopulist Geert Wilders verkaufte dies als Schritt hin zur "schärfsten" Asylpolitik aller Zeiten in seinem Land. Der erklärte Islam-Feind gehört der neuen Mitte-Rechtsaußen-Regierung zwar selbst nicht an, gilt aber als wichtiger Strippenzieher.

Die ungarische Regierung von Viktor Orban war diese Woche nachgezogen und hatte ebenfalls ein sogenanntes Opt-out von den Asylregeln beantragt. Solche Ausnahmen sind zwar in Europa grundsätzlich möglich, es gibt aber hohe Hürden. Dafür ist eine zumeist langwierige Änderung des EU-Vertrags nötig, der alle Mitgliedsländer zustimmen müssen. 

Viele Staaten fürchten laut Diplomaten aber einen Dominoeffekt, wenn die Niederlande und Ungarn ausscheren. Die Mitgliedsländer hatten sich erst im Frühjahr mühsam auf eine Reform des Gemeinsamen europäischen Asylsystems (Geas) geeinigt, die unter anderem verschärfte Abschieberegeln vorsieht. 

Viele in der EU sind prinzipiell gegen ein Europa "à la carte", bei dem sich Mitgliedsländer die Regeln aussuchen können, die sie befolgen. Die Kritiker verweisen vor allem auf das Beispiel Großbritanniens. London hatte vor dem Brexit zahlreiche Sondervereinbarungen vor allem im Bereich Inneres und Justiz getroffen.

 

Um Migranten aus Belarus fernzuhalten, plant die polnische Regierung eine temporäre Aussetzung des Rechts auf Asyl. Das verkündete Premierminister Donald Tusk in Warschau – und formulierte eine Warnung an Europa.

Polen plant, das Recht auf Asyl »zeitweise« auszusetzen. Dies sei eines der Elemente seiner neuen Migrationsstrategie, sagte der liberalkonservative Regierungschef Donald Tusk der Nachrichtenagentur PAP zufolge in Warschau. »Ich werde die Anerkennung dieser Entscheidung in Europa einfordern.« Details nannte er nicht.

»Illegale Migration auf ein Minimum reduzieren«

Auf einem Parteitag seiner Bürgerkoalition (KO) sagte Tusk, dass der Staat die 100-prozentige Kontrolle darüber zurückgewinnen müsse, wer nach Polen komme und in den EU-Mitgliedstaat einreise. Hintergrund sind die anhaltenden Spannungen mit Belarus. Der autoritär geführte Nachbarstaat hat in den vergangenen Jahren immer wieder Menschen über die Grenze des Nato-Landes Polen geschleust. Tusk wirft dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko vor, mit Migranten Druck auf sein Land auszuüben. Tusk behauptete, dies stehe »im Widerspruch zum Wesen des Rechts auf Asyl«.

»Wir werden die illegale Migration nach Polen auf ein Minimum reduzieren«, versprach Tusk. Die neue Migrationsstrategie will er am Dienstag dem Kabinett vorstellen, zum ersten Jahrestag des Wahlerfolgs seines Bündnisses. In Bezug auf den EU-Migrationspakt drohte Tusk an, keine europäischen Ideen respektieren oder umsetzen zu wollen, die die Sicherheit seines Landes gefährdeten. Konkret wurde er auch hierbei nicht.

Kritik für harte Migrationspolitik

Bereits im Juli beschloss die Regierung ein neues Gesetz, das unter anderem Soldaten an der Grenze erlaubt, leichter Schusswaffen einzusetzen. Menschenrechtsorganisationen werfen Tusk vor, den harten Kurs der Vorgängerregierung fortzusetzen oder sogar noch zu verschärfen. Umfragen zufolge ist dieses Vorgehen jedoch populär in der Bevölkerung.

Schon am Donnerstag hatte der polnische Außenminister Radosław Sikorski angekündigt, dass Polen seine Bestimmungen für die Vergabe von Visa verschärfen werde. Künftig werde es keine undurchsichtigen Wege für die beschleunigte Erteilung eines Visums mehr geben, sagte Sikorski.

Die Regierung zieht damit Konsequenzen aus einem Skandal, der bereits den Wahlkampf im vergangenen Jahr überschattet hatte. Unter der nationalkonservativen PiS sollen Einreisegenehmigungen illegal verkauft worden sein. Die Partei regierte das Land von 2015 bis 2023.

»Das polnische Grenzpersonal geht immer härter gegen Geflüchtete vor«

Polen hat einen Stacheldrahtzaun an der Grenze zu Belarus errichtet, um Migranten fernzuhalten. Ein Flüchtlingshelfer sagt: Unter Donald Tusk, einst Gegner der harten Maßnahmen, hat sich die Gangart sogar noch verschärft. (Spiegel+)

EU-Außengrenze zu Belarus: »Das polnische Grenzpersonal geht immer härter gegen Geflüchtete vor« Ein Interview von Karolina Benedyk (leider nicht kostenfrei)