Wissenschaftler*innen fordern eine gemeinsame europäische Asylpolitik
Am 18. Februar erschien in der Süddeutschen Zeitung ein von 160 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus zahlreichen europäischen Ländern, darunter auch Mitgliedern der Universität Bonn, unterzeichneter „Europäischer Aufruf zum Flüchtlingsschutz“.
In diesem Aufruf fordern die Unterzeichner von den verantwortlichen Politikern in den Mitgliedsländern der EU nachdrücklich die Einhaltung der im „Gemeinsamen Europäischen Asylsystem“ vorgesehenen Standards und Bestimmungen der Aufnahme von Flüchtlingen sowie die solidarische Teilung von Verantwortung und Ressourcen zwischen den Mitgliedsstaaten der EU in Form der gemeinsamen Finanzierung europäischer Aufnahmezentren und einer fairen Verteilungen der Flüchtlinge innerhalb Europas. Darüber hinaus werden verstärkte europäische Anstrengungen sowohl zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Flüchtlinge, die in den Nachbarländern der Kriegsstaaten Aufnahme gefunden haben, als auch zur Bekämpfung der Fluchtursachen gefordert.
Die Bonner Mitunterzeichner Dr. Hans-Dieter Laux und Dr. Benjamin Etzold, beide vom Geographischen Institut der Universität Bonn, betonen zudem, dass der Schutz der EU-Außengrenzen nicht im Widerspruch zu den Menschenrechten und den humanitären Grundwerten Europas stehen darf. Endlich legale Zugangswege nach Europa für Schutzsuchende zu schaffen, habe daher oberste Priorität.
Kontakt: Dr. Hans-Dieter Laux, uhdlaux@t-online.de , Dr. Benjamin Etzold, etzold@uni-bonn.de
Europäischer Aufruf zum Flüchtlingsschutz
Mehr als eine Million Flüchtlinge haben 2015 Schutz in der EU gesucht. Dies ist noch eine relativ geringe Zahl verglichen mit der Gesamtzahl der Menschen, die weltweit ihre Heimat wegen Krieg und Verfolgung verlassen müssen. Auch wenn die EU nicht in der Lage ist, alle internationalen Konflikte und Probleme zu lösen, sind folgende Punkte zu betonen:
- Das Völkerrecht, die Menschenrechte und der Acquis Communautaire der EU (insbes. das Gemeinsame Europäische Asylsystem, GEAS) verpflichten die EU als Ganzes sowie ihre Mitgliedsstaaten dazu, Geflüchteten sicheren Zugang und Schutz zu gewähren. Viele finden auch Schutz in den ihren Herkunftsstaaten benachbarten Ländern wie Türkei, Jordanien und Libanon.
- Die rechtlichen, moralischen und politischen Verpflichtungen der EU und ihrer Mitgliedsstaaten dürfen nicht aufgrund möglicher ökonomischer oder politischer Kosten vorschnell relativiert werden; sie aufzugeben würde weit mehr als die Flüchtlingsrechte verletzen.
- Das moderne Flüchtlingsrecht wurde als Lehre aus den schrecklichen Erfahrungen des 2. Weltkrieges entwickelt, als in Europa mehr als vierzig Millionen Flüchtlinge, ehemalige ZwangsarbeiterInnen, Soldaten und Vertriebene Schutz suchten. Das historische und gesellschaftliche Projekt der EU als Ganzes wird ernsthaft Schaden nehmen, wenn fundamentale Flüchtlingsrechte nicht geschützt werden.
- Die Fluchtursachen (bewaffnete Konflikte, destabilisierte Staaten und Rechtsordnungen, Verfolgung wegen politischer, religiöser, ethnischer oder Geschlechterorientierungen) sind nicht losgelöst von der Politik und dem Verhalten der EU und ihrer Mitgliedsstaaten. Wir sind Teil der Verursachungsdynamiken von Flucht, wir können nicht unsere Verantwortung leugnen, auch Teil ihrer Lösung zu sein.
Deshalb rufen die Unterzeichnenden dazu auf, unsere gemeinsame Verantwortung für Flüchtlingsschutz ernst zu nehmen und fordern:
- Die im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) vorgesehenen Standards und Bestimmungen müssen von allen EU-Mitgliedsstaaten in die Praxis umgesetzt werden.
- Die Errichtung EU-interner Grenzkontrollen ist keine Alternative und sollte unmittelbar durch ein System ersetzt werden, das Menschen legale Zugangswege nach Europa ermöglicht, die Schutz vor Krieg und Verfolgung suchen.
- PolitikerInnen und Medien sollten aufhören, die Länder zu kritisieren, die die Hauptlast der Flüchtlingsbewegungen tragen, weil dies von eigener Verantwortung ablenkt.
- Die Teilung von Ressourcen und Verantwortung zwischen den EU-Mitgliedsstaaten muss unmittelbar hergestellt werden (z.B. durch gemeinsame Finanzierung europäischer Aufnahmezentren, faire Verteilung der Flüchtlinge auf die Mitgliedsstaaten).
- Die Anstrengungen zur Verbesserung der Situation der Flüchtlinge, die in den Nachbarstaaten der Kriegsstaaten Schutz gefunden haben, sind massiv zu verstärken, damit sie dort unter menschenwürdigen Bedingungen leben können.
- Starke und nachhaltige europäische Initiativen müssen unternommen werden, um dabei zu helfen, die Fluchtursachen zu bekämpfen und die gesellschaftliche Entwicklung in den Fluchtherkunftsregionen zu verbessern.
Unterzeichnende WissenschaftlerInnen (aus allen 28 EU-Mitgliedsstaaten):
Peter Alheit, Berta Álvarez-Miranda, Remus Anghel, Joaquín Arango, Klaus J. Bade, Gabriel Badescu, Roman Balaz, Vedrana Baričević, Sigrid Baringhorst, Jürgen Bast, Harald Bauder, Pieter Bevelander, Ursula Birsl, Sabine Bohne, Mathias Bös, Maren Borkert, Saša Božić, Michael Brumlik, Jasna Čapo Žmegač, Jiri Cenek, Simone Christ, Ružica Čičak-Chand, Ondřej Daniel, Petra Dannecker, Hein de Haas, Sybille De La Rosa, Catherine Delcroix, Marcella Delle Donne, Jeroen Doomernik, Magdalena Elchinova, Susen Engel, Marcus Engler, Benjamin Etzold, Tamirace Fakhoury, Anuscheh Farahat, Heinz Faßmann, Margit Fauser, Claudia Finotelli, Naika Foroutan, László Fosztó, Anne Friedrichs, Heidrun Friese, Katharina Fritsch, Markus Gamper, Rainer Geißler, Eva Gerharz, Birgit Glorius, Mechtild Gomolla, Thomas Groß, Sonja Großmann, Margareta Gregurović, Petra Guasti, Dirk Halm, Franz Hamburger, Vera Hanewinkel, Levke Harders, Dirk Hoerder, Tina Hollstein, Christine Horz, Roland Hosner, Bertold Huber, Lena Huber, Christine Hunner-Kreisel, Krystyna Iglicka, Bernadette Nadya Jaworsky, Damir Josipovič, Serhat Karakayali, Biljana Kasic, Monika Kirloskar-Steinbach, Radka Klvaňová, Harlan Koff, Kira Kosnick, Myrto Kougievetopoulos, Anna Krasteva, Elena G. Kriglerova, Zuzana Kusá, Simona Kuti, Nadia Kutscher, Andreas Landes, Christine Langenfeld, Lena Laube, Barbara Laubenthal, Hans Dieter Laux, Ilse Lenz, Walter Lesch, Maggi Leung, Aleksandra Lewicki, Isabella Löhr, Doris Lüken-Klaßen, Marina Lukšič Hacin, Dušan Lužný, Jürgen Mackert, Marco Martiniello, Thomas Matthies, Melanie Mbah, Viktoria Metschl, Silva Mežnarić, Sorin Mitulescu, Dubravka Mlinarić, Elaine Moriarty, Selma Muhic Dizdarevi, Ruxandra Noica, Claudia Olivier-Mensah, Ovidiu Oltean, Andra Panait, Ciprian Panzaru, Alena Parizkova, Ferrucio Pastore, Joanna Pfaff-Czarnecka, Edith Pichler, Lydia Potts, Patrice Poutrus, Karin Pries, Ludger Pries, Marijeta Rajković Iveta, Ettore Recchi, Eveline Reisenauer, Marina Richter, Spyros Rizakos, Regina Römhild, Christof Roos, Stefan Rother, Monika Salzbrunn, Miriam Schader, Marcia C. Schenck, Albert Scherr, Werner Schiffauer, Karin Schittenhelm, Petra Isabel Schlagenhauf, Andrea Schmelz, Oliver Schmidtke, Caroline Schmitt, Antonie Schmiz, Michael Schönhuth, Christoph Schroeder, Axel Schulte, Helen Schwenken, Cornelia Schweppe, Senada Šelo Šabić, Monica Serban, Kyoko Shinozaki, Nele Sieker, Ibrahim Sirkeci, Ronald Skeldon, Ilka Sommer, Lena Stehle, Anna Marie Steigemann, Marek Tamm, Blanka Tollarova, Andreas Treichler, Vassilis Tsianos, Zusana Uhde, Bogdan Voicu, Maria Alexandra Voivozeanu, Albrecht Weber, Anja Weiß, Silke Wenk, Stefan Weyers, Catherine Wihtol de Wenden, Nils Witte, Stephan Wolff, Erol Yildiz, Karolis Zibas, Drago Župarić-Iljić.
V.i.S.d.P.: Prof. Dr. Ludger Pries, Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum.