27.03.2023 Heute gab es im Innenausschuss des deutschen Bundestags eine öffentliche Anhörung zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Pro Asyl erklärt: "Der Zugang zum Recht auf Asyl ist ein Lackmustest dafür, in welche Richtung die EU sich als Wertegemeinschaft bewegt: hin zu einer Stärkung oder hin zu einer Schwächung von Menschenrechten." Pro Asyl konzentriert sich für die öffentliche Anhörung auf vier Schwerpunkte: Keine Auslagerung des Flüchtlingsschutzes an Drittstaaten, faire Asylverfahren statt Grenzverfahren unter Haftbedingungen, Menschenrechtsverletzungen an den Außengrenzen beenden und ein solidarisches Aufnahmesystem.
Pro Asyl sieht die hohe Gefahr, dass bei Einigungszwang in dieser Frage Kompromisse geschlossen werden, in denen Menschenrechte kaum eine Rolle spielen und betont: "Deshalb ist es wichtig, dass die Bundesregierung starke menschenrechtliche Positionen bei den Verhandlungen über die GEAS-Reform vertritt. Dabei sollte sie immer auch den Artikel 2 Satz 1 des Vertrags über die Europäische Union im Blick haben: »Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören.«
Hier der gesamte Beitrag aus den News von Pro Asyl:
Alarmierende Reformvorhaben zum europäischen Asylsystem: Menschenrechte geraten unter die Räder
Schläge, gewaltvolle Pushbacks, Verweigerung der Annahme von Asylanträgen – seit Jahren sind Flüchtlinge an den EU-Außengrenzen immer mehr Grausamkeiten ausgesetzt. Und es soll noch schlimmer werden, auch mit mehr »sicheren Drittstaaten«. Im Innenausschuss ist die Expertise von PRO ASYL zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) gefragt.
Schaut man an die Außengrenzen der Europäischen Union – von der polnischen Grenze zu Belarus über die bulgarische und griechische Grenze zur Türkei bis hin zum Mittelmeer – dann wird deutlich, dass die Wertegemeinschaft der EU dort kaum weiter von ihren Kernwerten wie Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten entfernt sein könnte als jetzt. Die EU als ein Raum der Freiheit und des Rechts steht sowohl intern als auch extern stark unter Druck. Deshalb müssen Rechtsstaatlichkeit und Demokratie innerhalb der EU verteidigt werden. Der Zugang zum Recht auf Asyl ist ein Lackmustest dafür, in welche Richtung die EU sich als Wertegemeinschaft bewegt: hin zu einer Stärkung oder hin zu einer Schwächung von Menschenrechten.
So gehört zur derzeit diskutierten Reform des europäischen Asylsystems eine neue Asylverfahrensverordnung mit verpflichtenden Grenzverfahren, während denen die Asylsuchenden als »nicht-eingereist« gelten. Das würde bedeuten, dass die Schutzsuchenden kein EU-Land betreten dürfen, sondern an den Außengrenzen festgehalten werden, solange ihre Asylanträge geprüft würden – weitgehend isoliert, abgeschnitten von Hilfe und Beratung und absehbar unter haftähnlichen Bedingungen.
»Sichere Drittstaaten« sind nicht sicher
Hinzu kommen die Pläne der EU-Kommission für die Ausweitung des Konzept der sogenannten sicheren Drittstaaten: Ziel der Prüfung im Asylverfahren könnte primär die Frage werden, ob nicht ein außereuropäischer Drittstaat für die Schutzsuchenden »sicher« sei, so dass sofort dahin abgeschoben werden kann, ohne den Asylantrag überhaupt zu prüfen. Die Anforderungen daran, was als »sicher« gilt, sollen laut aktuellen Plänen im Rat der EU massiv gesenkt werden. Schutzsuchende sollen demnach sogar in Länder abgeschoben werden können, in denen sie noch nie waren oder in denen sie keinen Zugang zum Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention haben.
Schutzsuchende sollen demnach sogar in Länder abgeschoben werden können, in denen sie noch nie waren oder in denen sie keinen Zugang zum Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention haben.
Die Genfer Flüchtlingskonvention selbst kennt das Konzept von »sicheren Drittstaaten« oder vergleichbare Ansätze nicht. Zwar gibt es in ihr kein explizites Recht auf freie Wahl des Schutzlandes. Genauso wenig gibt es in ihr aber eine Verpflichtung für Flüchtlinge, im ersten möglichen Staat Asyl zu suchen.
Der politische Druck, dass es auf EU-Ebene eine Einigung über die Flucht- und Migrationspolitik geben muss, ist hoch. Doch er birgt die große Gefahr, dass es Kompromisse geben wird, in denen Menschenrechte kaum eine Rolle spielen. Das dann geschaffene Recht wird aber auf Jahre bestehen bleiben und als Verordnungen direkte Anwendung finden. Auch in Deutschland wird sich das Asylrecht damit fundamental ändern.
»Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören.« Vertrag über die Europäische Union, Artikel 2
Deshalb ist es wichtig, dass die Bundesregierung starke menschenrechtliche Positionen bei den Verhandlungen über die GEAS-Reform vertritt. Dabei sollte sie immer auch den Artikel 2 Satz 1 des Vertrags über die Europäische Union im Blick haben: »Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören.«
Informationen zu den Sachverständigen und ihre Stellungnahmen finden sich hier, die Stellungnahme von Wiebke Judith auch hier. PRO ASYL hat zudem notwendige rote Linien der Bundesregierung für die Verhandlungen zur europäischen Asylreform veröffentlicht.
(wj/wr)