Fakten und Argumente zum Familiennachzug subsidiär Schutzberechtigter

16.02.2025 Beitrag aus dem Februar-Newsletter des Flüchtlingsrates NRW:

Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten

In Deutschland ist der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 36a des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) monatlich auf bis zu 1.000 Angehörige der Kernfamilie begrenzt. Dazu zählen Eltern von unbegleiteten, minderjährigen Schutzsuchenden, Ehegattinnen sowie Kinder, erklärt das Bundesverwaltungsamt (BVA) auf seiner Webseite. Die Inanspruchnahme dieser Härtefallregelung setzt das Vorliegen von humanitären Gründen voraus, welche in § 36a Absatz 2 AufenthG geregelt sind, so, wenn die Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft seit langer Zeit nicht möglich ist, ein minderjähriges, lediges Kind betroffen ist oder eine erhebliche Gefährdung der Angehörigen besteht. Ebenso zählen schwerwiegende Erkrankungen sowie die Pflegebedürftigkeit des Stammberechtigten oder seiner nachzugswilligen Angehörigen der Kernfamilie. Die Voraussetzungen für den Familiennachzug werde von der jeweiligen Auslandsvertretung und der im Inland zuständigen Ausländerbehörde geprüft, erläutert das BVA.

Laut einem Artikel vom 31.01.2025 vom Mediendienst Integration hat die Zahl der Visa für Angehörige von subsidiär Schutzberechtigten in Deutschland im Jahr 2024 rund 12.000 betragen. Zwischen 2018 und 2024 seien rund 58.400 Visa zum Zweck des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten erteilt worden, dieser Anteil würde rund 8 % der Visa ausmachen, die insgesamt für den Familiennachzug gewährt wurden. Mehr als 80 % der Visa für Angehörige von subsidiär Schutzberechtigen seien an syrische Staatsangehörige gegangen.

Aus einer Antwort der Bundesregierung vom 14.01.2025 auf eine Kleine Anfrage der Linken geht hervor, dass deutsche Auslandsvertretungen keine Sondertermine mehr an Angehörige von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (umF) mit subsidiären Schutzstatus vergeben, die kurz vor der Volljährigkeit stehen. Bisher sei die Vergabe von Sonderterminen an diese Personengruppe zum Zwecke des Familiennachzugs laut der Linken gängige Praxis gewesen, um ihr Recht auf Familienleben zu sichern. Die Bundesregierung erklärt, dass die zuständigen Auslandsvertretungen dazu aufgerufen seien, „Termine zur Antragstellung zum subsidiär Schutzberechtigten grundsätzlich in chronologischer Reihenfolge abhängig vom Registrierungsdatum zu vergeben und grundsätzlich keine Sondertermine zu vergeben, wenn der einzig dafür vorgebrachte Grund das baldige Erreichen der Volljährigkeit ist.“ Das Aussetzen dieser Praktik sei aufgrund der langen Bearbeitungszeit von Visaanträgen gravierend, schreibt die Linke in ihrer Kleinen Anfrage. Ein Familiennachzug zu ehemals minderjährigen subsidiär Schutzberechtigten, die im Bearbeitungszeitraum volljährig werden, sei nicht mehr möglich.

CDU/CSU wollen den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten derweil gänzlich aussetzen. Dafür hat die Union das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz eingebracht, über das am 31.01.2025 im Bundestag abgestimmt wurde. Der Gesetzentwurf sieht neben der Beendigung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten „bis auf Weiteres“ unter anderem vor, die „Begrenzung“ der Migration erneut als Ziel des Aufenthaltsgesetzes in § 1 Absatz 1 Satz 1 des AufenthG aufzunehmen.4 Die Union beschreibt die Abschaffung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten als effektive Maßnahme zur Begrenzung der Migration. Die Integrationskapazitäten in Deutschland seien erschöpft „angesichts der Aufnahme von
mehr als 1,8 Millionen Asylbewerbern und Ukraine-Flüchtlingen seit Anfang 2022“. Der Ge-
setzentwurf sieht außerdem vor, die Befugnisse der Bundespolizei dahingehend zu erweitern,
dass sie selbst Haft oder Gewahrsam für ausreisepflichtige Personen beantragen kann.

Der Gesetzentwurf sei mit einer knappen Mehrheit abgelehnt worden, erklärt der Bundestag auf seiner Webseite. In einer News vom 30.01.2025 erklärt Pro Asyl, dass die CDU, trotz Zustimmung der AfD, keine Mehrheit hinter sich gebracht hätte, da einige Abgeordnete der CDU und FDP den Entwurf abgelehnt hätten. Die NGO kritisiert den Gesetzentwurf der Union. Zum einen verstoße die Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten gegen Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention, der das Recht auf Achtung des Familienlebens garantiert. Zudem verpflichte Artikel 10 der UN-Kinderrechtskonvention Staaten dazu, Anträge auf Familienzusammenführung human und beschleunigt zu behandeln, sodass ein kompletter Ausschluss dem Prinzip des Kindeswohls widersprechen würde. Schließlich verweist Pro Asyl auf Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG), der den Schutz von Ehe und Familie vorsieht. Der Artikel würde den deutschen Staat dazu auffordern, „die familiären Belange in einer Abwägung angemessen zu berücksichtigen“. Außerdem würde die Abschaffung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten erhebliche Folgen für die psychische Gesundheit und Integration von hier lebenden Betroffenen haben. Pro Asyl könne leicht nachzufühlen, „dass es schwer ist, sich auf deutsche Vokabeln oder eine Ausbildung zu konzentrieren, wenn Ehepartner und Kinder im Herkunftsland zurückbleiben müssen“. Zudem sei der Familiennachzug einer der wenigen sicheren Zugangswege, um nach Deutschland zu gelangen: „Wenn dieser verschlossen wird, dann müssen auch die Kinder oder Ehepartner*innen von Menschen, die hier bereits Schutz bekommen haben, in Boote oder Lastwagen steigen, um zu ihren Angehörigen nach Deutschland zu kommen“. Pro Asyl betrachtet die Abstimmung über den Gesetzentwurf als ein „gefährliches wahltaktisches Manöver von Friedrich Merz, das aber der Demokratie aufgrund der Zusammenarbeit mit Rechtsextremen massiv schadet“. Der Entwurf würde bereits aufzeigen, welche Gesetze unter einer Regierung von Merz zu erwarten seien. Die bevorstehende Bundestagswahl werde damit nicht nur eine „Schicksalswahl für die Demokratie“, sondern könne auch Konsequenzen für das Familienleben von tausenden Menschen haben