Flucht: …aber nur wenige schaffen es nach Deutschland

14.10.2020 ProAsyl zog anlässlich des Tages des Flüchtlings am 2. Oktober 2020 eine Bilanz:

Immer mehr Menschen fliehen…aber nur wenige schaffen es nach Deutschland

Die Zahl der Menschen auf der Flucht weltweit ist auf einem Rekordhoch, ihre Lage verzweifelt. Deutschland hingegen gewährt immer weniger Zuflucht und Schutz. Im ersten Halbjahr 2020 gab es so wenige Asylneuzugänge wie seit 2012 nicht mehr. Zudem werden Tausende vom BAMF unrechtmäßig abgelehnt.

Ende 2019 waren mit 79,5 Millionen Menschen mehr als 1% der Weltbevölkerung auf der Flucht – so viele wie noch nie. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl gleich um 9 Mio. gestiegen. ...

Kaum noch jemand schafft es nach Deutschland

In Deutschland hingegen ist von diesen erschütternden Zuständen wenig zu spüren. Im Gegenteil: Im ersten Halbjahr 2020 ging die Zahl der Asylsuchenden erneut deutlich zurück. In den ersten Monaten war ein Rückgang um rund 16 % zu verzeichnen. Durch die Grenzschließungen und die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie sanken die Zahlen dann noch viel massiver. Mit 47.300 Asylerstanträgen wurden bis Mitte des Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum über 35 % weniger Anträge registriert (Quelle: BAMF).

Da mehr als ein Viertel dieser Anträge für hier geborene Kinder gestellt wurden, lag der reale Zuzug neuer Asylsuchender im ersten Halbjahr bei nur rund 35.000. Geringere Zugangszahlen gab es zuletzt 2012. Die Hauptherkunftsländer waren auch 2020 Syrien, Irak, Afghanistan, Türkei und der Iran, wobei allein Syrien mehr als 28 % der Erstanträge von neu eingereisten Asylsuchenden ausmacht.

Wer nun vermutet hätte, dass diese deutlich gesunkenen Zugangszahlen und die damit frei gewordenen Kapazitäten beim BAMF zu einer humaneren und qualitativ hochwertigeren Entscheidungspraxis geführt hätten, wird enttäuscht.

BAMF-Tricksereien während Corona

Die innereuropäischen Grenzschließungen in Folge der Corona-Pandemie wurden vom BAMF dazu genutzt, um mit rechtlich fragwürdigen Strategien Asylsuchende in eine monatelange, teils immer noch fortdauernde Ungewissheit über ihre Abschiebung zu versetzen.

Zahllose so genannte Dublin-Fälle erhielten Schreiben vom BAMF, wonach ihre Abschiebung ausgesetzt sei. Auch wenn es sich zunächst so anhört: Dies geschah keineswegs zu deren Vorteil. Diese Schreiben hatten den Zweck, die während der Grenzschließungen ablaufenden Dublin-Überstellungsfristen auszuhebeln. Demnach würde Deutschland nicht wie in der Dublin-Verordnung vorgesehen für deren Asylverfahren zuständig werden, sondern nach den Öffnungen der Grenzen erneut sechs Monate Zeit haben, die Betroffenen in andere Staaten abzuschieben (PRO ASYL berichtete).

In Fällen ohne anhängige Klageverfahren ist das BAMF – u.a. nach massivem Protest von PRO ASYL – von dieser Praxis abgerückt; auch einige EU-Staaten haben gegen diese BAMF-Praxis protestiert und Betroffene teilweise nicht zurückgenommen, weil Deutschland aus deren Sicht zuständig geworden war. In einigen anderen Fällen haben Gerichte zu Gunsten der Betroffenen entschieden. Nach wie vor aber warten viele Menschen, die sich seit vielen Monaten, z.T. sogar seit weit über einem Jahr in Deutschland aufhalten, immer noch auf die Klärung der Zuständigkeit, bis sie dann endlich eine Prüfung ihrer Asylgründe erwarten dürfen.