aktualisiert 11.08.2020 durch weitere bewertende Stimmen
31.07.2020 Seehofer redet zwar gern von Humanität und Solidarität. Aber in der Rangliste seiner Wertevorstellungen rangieren andere Qualitäten noch höher: Bundeseinheitliches Handeln jetzt, EU-einheitliches Handeln auch, Ordnung ( Sobald die Ordnung wieder hergestellt sei, "wenden wir uns diesem Thema der Humanität zu..") Um Hinderungsgründe jedenfalls ist er nicht verlegen, wenn es um humanitäre Schritte der Aufnahme Schutzsuchender geht. Während er in diesen Tagen international fleißig Weichen stellte, um die Mauern der Festung Europa noch dichter zu machen (Verhandlungen mit Ministern nordafrikanischer Küstenstaaten und des Westbalkan zur Vorbereitung seiner EU-Asyl-Reformpläne), sprach er vor der bundesdeutschen Öffentlichkeit mal wieder Klartext gegen zu viel Aufnahmebereitschaft.
Für nationale Alleingänge stehe ich nicht zur Verfügung. Horst Seehofer, Bundesinnenminister
Hintergrund ist die bei Städten und Kommunen und einzelnen Bundesländern wachsende Bereitschaft, Flüchtlinge aufzunehmen, um als "Städte sicherer Häfen" zu fungieren. Auch Bonn will/soll mit den vorhandenen Kapazitäten einen solchen sicheren Hafen bieten.
Doch nicht mit Seehofer! Immer das gütige altväterliche Lächeln im Gesicht, zeigt er unnachgiebige Härte und wird dies voraussichtlich auch bis zum Ende der Koalitionsregierung tun. Seine Mission: Deutschland und Europa möglichst frei von den ungeliebten Migrant*innen zu halten, koste es, was es wolle... Auch Werte. (SR)
Seehofers Verweigerungshaltung ist erbärmlich, veröffentlicht am 30. Juli 2020 von Ulla Jelpke
„Seehofer kennt offenbar überhaupt keine Scham mehr, wenn es darum geht, Flüchtlinge im Elend zu lassen“, kommentiert die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, aktuelle Meldungen, wonach Bundesinnenminister Seehofer einem vom Berliner Senat beschlossenen Landesaufnahmeprogramm für 300 Geflüchtete aus den Hotspotlagern auf den griechischen Inseln eine Absage erteilt hat. Jelpke weiter:
„Seit Monaten fordern Verbände, Flüchtlingsräte, Kirchen und antirassistische Initiativen die Evakuierung der Geflüchteten aus den griechischen Elendslagern und deren Aufnahme in Deutschland und anderen EU-Staaten. Etliche Städte und Gemeinden wollen mehr Schutzsuchende aufnehmen, mehrere Bundesländer haben entsprechende Aufnahmeprogramme beschlossen. Dass Bundesinnenminister Seehofer nun dem Land Berlin sein Einvernehmen zur Aufnahme von 300 Geflüchteten von den griechischen Inseln verweigert, ist schlicht erbärmlich. Dieser Minister verdient den Preis des Menschenwürde-Verhinderers.“
Medienberichte im Zitat:
ZDF: Seehofer stellt sich gegen Länder-Pläne. Zwischen Innenminister Horst Seehofer und dem Land Berlin ist ein heftiger Streit über die Aufnahme von Flüchtlingen ausgebrochen. Das Land dürfe nicht in Eigenregie handeln. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) durchkreuzt den Plan des Landes Berlin, in Eigenregie bis zu 300 Schutzbedürftige aus den überfüllten Camps auf den griechischen Inseln aufzunehmen. Aus rechtlichen Gründen könne er kein Einvernehmen des Bundesinnenministeriums zum von Berlin geplanten Landesaufnahmeprogramm erklären, heißt es in einem jetzt bekanntgewordenen Schreiben Seehofers an Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD).
Für nationale Alleingänge stehe ich nicht zur Verfügung. Horst Seehofer, Bundesinnenminister
Außerdem verwies Seehofer auf die Vereinbarung der Großen Koalition, Kinder und Kranke von den griechischen Inseln aufzunehmen, was bereits angelaufen ist.
In der Aufnahme aus einem anderen EU-Staat sieht Seehofer einen Widerspruch zu den Zielen der Dublin-Verordnung. Danach ist der EU-Mitgliedstaat für Aufnahme und Asylverfahren zuständig, den ein Schutzsuchender zuerst betreten hat. Für die Außen- und Europapolitik habe der Bund die alleinige Zuständigkeit, heißt es weiter in dem Schreiben.
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/seehofer-bundeslaender-aufnahme-fluechtlinge-100.html
Süddeutsche: Seehofer verbietet Berlin eigene Aufnahme von Flüchtlingen
Das Land Berlin muss seinen Plan aufgeben, bis zu 300 Flüchtlinge aus überfüllten griechischen Lagern aufzunehmen. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) erteilte die notwendige Zustimmung für das vom Berliner Senat beschlossene Landesaufnahmeprogramm nicht. Begründet habe er das mit einem bundeseinheitlichen Handeln, teilte die Senatsinnenverwaltung mit, nachdem der Tagesspiegel berichtet hatte.
Das Bundesinnenministerium verwies auf Anfrage auf Paragraf 23 des Aufenthaltsgesetzes, wonach das "Einvernehmen" des Ministeriums nötig sei. Zwischen dem Bund und manchen Ländern gibt es allerdings Diskussionen, ob eine humanitäre Aufnahme nicht auch auf einer anderen Rechtsgrundlage möglich wäre.
https://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlinge-berlin-seehofer-mueller-1.4984353
RheinischePost/GeneralAnzeiger: Seehofer stoppt Flüchtlings-Plan
Berlin Warum der Bundesinnenminister dem Land Berlin eigene Kontingente verweigert und was Flüchtlingshelfer nun als Reaktion erwarten. Auch NRW will 500 besonders Schutzbedürftige aus Griechenland aufnehmen.
Nach Einschätzung von Flüchtlingshelfern werden bald die Gerichte über die freiwillige Aufnahme von Migranten durch Städte und Länder entscheiden müssen. Als „katastrophal“ bezeichnete Liza Pflaum vom Aktionsbündnis Seebrücke, dass sich Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) erneut gegen die Aufnahmebereitschaft einzelner Länder und Kommunen in Deutschland gestellt habe. Der Innenminister hatte einem landeseigenen Aufnahmeplan in Berlin die Zustimmung verweigert und auf die notwendige bundeseinheitliche Regelung verwiesen.
Dagegen verwies Pflaum auf andere, durch Gutachten belegte Einschätzungen, wonach die Zustimmung des Bundes für derartige Initiativen nicht nötig sei. Deshalb erwartet das Bündnis von Berlin, zusammen mit Thüringen und Bremen, die ebenfalls eigene Flüchtlingskonzepte verfolgen, eine gerichtliche Klärung einzuleiten...
Allein 41 Städte in Nordrhein-Westfalen wollen „sichere Häfen“ für Flüchtlinge in Not sein. Ihre Liste reicht von Bonn, Dinslaken und Düsseldorf über Kempen, Kevelaer und Krefeld bis hin zu Leverkusen, Solingen und Viersen. Die Oberbürgermeister aus Bonn, Köln und Düsseldorf hatten sogar an Bundeskanzlerin Angela Merkel appelliert, die Aufnahme von weiteren Flüchtlingen zuzulassen. Der offene Brief blieb bislang ohne Antwort. Es handele sich um mehrere tausend Menschen, für die in den deutschen Städten sofort Platz wäre, unterstrich Pflaum. Die Zahl der in der Initiative „sichere Häfen“ zusammengeschlossenen Kommunen ist von 120 zu Beginn des Jahres auf inzwischen 169 gestiegen.
Berlin hatte rund 300 besonders schutzwürdige Flüchtlinge aus Griechenland aufnehmen wollen. Der Senat sei über die Absage aus dem Bundesinnenministerium „wütend“, sagte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), der von einem „politischen Skandal“ sprach. Demgegenüber verwies Seehofer in seinem Schreiben darauf, dass die EU-Staaten für die Aufnahme von Flüchtlingen verbindliche Regeln hätten und für die damit verbundene Außen- und Europapolitik allein der Bund verantwortlich sei. Es müsse vermieden werden, das für denselben Personenkreis zwei unterschiedliche Rechtsgrundlagen mit unterschiedlichen Rechtsfolgen gebildet würden, lautete die Begründung des Innenministers.
Er verwies auf ein schon angelaufenes Bundesprogramm zur Aufnahme von 928 Flüchtlingen aus Griechenland, darunter vielen erkrankten Kindern und Jugendlichen. Seit Monaten werden die Menschen unter völlig unzureichenden hygienischen Bedingungen in griechischen Lagern untergebracht. Die Aufnahme von 243 behandlungsbedürftigen Kindern von den griechischen Inseln sei „ein klares sowie starkes Bekenntnis Deutschlands zu seiner humanitären Verantwortung“, sagte Innenstaatssekretär Stephan Mayer unserer Redaktion.
Rheinische Post/GeneralAnzeiger https://rp-online.de/politik/deutschland/seehofer-stoppt-fluechtlings-plan-aus-berlin_aid-52507497
Tagesthemen-Kommentar:
31.07.2020 Isabel Schayani, WDR, kommentiert das innerdeutsche Gerangel um die Aufnahme von Menschen auf der Flucht https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-737721.html