Flüchtlingspolitische Forderungen angesichts der Corona-Krise und der Lage in Griechenland

20.03.2020.Stellungnahme des Kölnerflüchtlingsrat e.V. zur aktuellen Situation von Geflüchteten und Aufruf zur Banner Aktion am 21. März

Der Kölner Flüchtlingsrat e.V. fordert angesichts der Corona-Krise:

  1. Die Menschen in den Landeseinrichtungen müssen sofort kommunal zugewiesen werden!
  2. Abschiebungen aus den Kommunen und aus den Landeseinrichtungen müssen verbindlich und vollständig ausgesetzt werden!
  3. Alle Menschen in Köln und andernorts und darum auch Geflüchtete müssen nun ihren Leistungsanspruch zum Überleben und Obdach erhalten!
  4. Die griechischen Elendslager müssen sofort evakuiert werden!

 

Ausführungen des Kölner Flüchtlingsrat e.V. zu den vier Forderungen:

Aktuell werden zahlreiche Maßnahmen zur Eindämmung des Covid-19Virus getroffen. Dabei darf nicht mit zweierlei Maß gemessen werden. Der Schutz vor dem sich ausbreitenden Virus muss für alle gelten! Die ohnehin schon dramatische Situation der Menschen an der türkisch-griechischen Grenze und in den Lagern darf nicht vergessen werden! Lager beschneiden grundlegende Rechte, hier und andernorts! Der Kölner Flüchtlingsrat e.V. schließt sich folgenden aktuellen migrationspolitischen Forderungen angesichts der Corona-Krise an und fordert, dass diese zu den aktuellen Akutmaßnahmen hinzutreten:

  1. Die Menschen in den Landeseinrichtungen müssen sofort kommunal zugewiesen werden! In den Aufnahmeeinrichtungen des Landes NRW leben jeweils mehrere hundert Menschen mit eingeschränkter medizinischer Versorgung, ohne Rückzugsmöglichkeit und unter suboptimalen hygienischen Rahmenbedingungen. Diese Einrichtungen verhindern nicht nur gesellschaftliche Teilhabe, sondern widersprechen auch den Empfehlungen aller Expert*innen zur Corona-Prävention. Die Landeseinrichtungen müssen schnell leergezogen und die Menschen in den Kommunen in Wohnungen oder menschenwürdigen Unterkünften untergebracht werden.
  2. Abschiebungen aus den Kommunen und aus den Landeseinrichtungen müssen verbindlich und vollständig ausgesetzt werden! Nicht nur aus gesundheitlichen Gründen sind Abschiebungen insbesondere in die vom Robert-Koch-Institut als Risikogebiete bezeichneten Regionen momentan unverantwortlich. Auch weil das öffentliche Leben weitgehend lahmgelegt ist, können die Betroffenen keinen effektiven Schutz erlangen. Anwält*innen, Beratungsstellen und andere Einrichtungen können Geflüchtete derzeit nur sehr eingeschränkt in ihren rechtlichen Angelegenheiten unterstützen. Aktuellen Meldungen zufolge soll es einen vorläufigen Abschiebestopp geben. Wir fordern, dass sich das Bundesinnenministerium dahingehend klar festlegt und Abschiebungen bis auf weiteres ausgesetzt werden! Die Verhängung von Abschiebungshaft ist unverzüglich zu beenden, die Inhaftierten müssen entlassen werden, wie dies bereits in Niedersachsen erfolgt ist.
  3. Alle Menschen in Köln und andernorts und darum auch Geflüchtete müssen nun ihren Leistungsanspruch zum Überleben und Obdach erhalten! Es muss gewährleistet sein, dass für alle Menschen in Köln das Existenzminimum, medizinische Versorgung und ein menschenwürdiges Obdach gesichert sind – erst recht in einer Ausnahmesituation wie jetzt. Leistungsausschlüsse und Leistungskürzungen für nicht-erwerbstätige Geflüchtete und Unionsbürger*innen dürfen nicht mehr vollzogen werden. Niemand darf mehr aus Unterbringungseinrichtungen verwiesen werden. Die Verweigerung existenzieller Grundbedürfnisse aus migrationspolitischen Erwägungen darf nicht mehr umgesetzt werden – zumal Ausreisen ins Herkunftsland gegenwärtig faktisch nicht möglich sind und die Menschen, die im prekären oder irregulären Sektor tätig sind, als erste jede andere Einkommensquelle verlieren werden.  
  4. Die griechischen Elendslager müssen sofort evakuiert werden! Alle Menschen aus den griechischen Lagern müssen in Europa und insbesondere Deutschland aufgenommen werden! Die von der Koalition angekündigte Aufnahme von gerade einmal rund 400 Kindern in Deutschland reicht nicht annähernd aus, sondern ist im Ergebnis beschämend. Die drohende Corona-Gefahr und der aktuelle fürchterliche Brand, bei dem mindestens ein sechsjähriges Kind ums Leben gekommen ist, zeigen einmal mehr, dass diese Lager so schnell wie möglich geschlossen werden müssen, kein Mensch darf so leben müssen! Über 40.000 Menschen leben unter erbärmlichen Zuständen in den Lagern, davon über zehntausend Minderjährige. Die Menschen im Niemandsland der türkisch-griechischen Grenze müssen zudem schnellstens in Sicherheit gebracht werden. Griechenland muss seinen systematischen Rechtsbruch beenden. Die Bundesregierung und die EU müssen dies massiv einfordern, statt Gewalt und Rechtsbruch durch einen Mitgliedsstaat stillschweigend zu dulden oder sogar ausdrücklich zu begrüßen! Ansonsten droht der Rechtsbruch zu einem Zivilisationsbruch in Europa zu werden.

Banneraktion am 21.3.2020 anlässlich des internationalen Tags gegen Rassismus

Um diese Forderungen in die Öffentlichkeit zu tragen, rufen auch wir dazu auf, sich am 21.03.2020 an der Banneraktion anlässlich des Internationalen Tags gegen Rassismus zu beteiligen! Zeigen Sie Solidarität mit Schutzsuchenden an der EU-Außengrenze und in den griechischen Lagern und tragen Sie am Samstag die Botschaft von Ihren Wohnungen aus auf die Straßen, die Innenhöfe und in die Öffentlichkeit. Es ist wichtig, nicht wegzuschauen, sondern Haltung zu zeigen, Position zu beziehen und solidarisch zu bleiben! Der Schutz von Grenzen darf nicht wichtiger sein als der Schutz von Menschenleben.

Mögliche Slogans, die verwendet werden können:

  •  #wirhabenplatz
  • Solidarität trotz Corona – Refugees welcome!
  • Grenzen auf - Lager evakuieren - Gesundheitsversorgung für ALLE!
  • Solidarität hier, jetzt und überall – auch für Schutzsuchende in Griechenland!
  • No dirty hands - no dirty deals! EU-Türkei-Deal stoppen!
  • Grenzen töten – sichere Fluchtwege schaffen!
  • Nein zur Festung Europa  Stop violence – open the border
  • ….

Auch der Kölner Flüchtlingsrat e.V. wird sich an der Aktion beteiligen.