Forderungen anlässlich der Koalitionsverhandlungen: Rechte geflüchteter Kinder in Gefahr!

13.03.2025 Der Flüchtlingsrat NRW informiert in Aktuell:  Ein gemeinsames Forderungspapier anlässlich der Koalitionsverhandlungen veröffentlichten der BuMF (Bundesverband Minderjährigkeit & Flucht), JuG (Jugend ohne Grenzen) sowie Terre des Hommes als Reaktion auf die asylpolitischen Punkte im Sondierungspapier von CDU/CSU und SPD. Die restriktiven und in weiten Teilen rechtswidrigen Maßnahmen hätten auch für Kinder und Jugendliche fatale Folgen.

Die vollständige Veröffentlichung finden sie hier ( PDF zum Download)

11. März 2025:

Forderungen anlässlich der Koalitionsverhandlungen - Rechte geflüchteter Kinder in Gefahr!

In einem Sondierungspapier haben CDU/CSU und SPD ihre Eckpunkte für einen möglichen Koalitionsvertrag vorgestellt. Im Bereich Flucht und Migration hätten viele der vorgesehenen restriktiven und in weiten Teilen rechtswidrigen Maßnahmen fatale Auswirkungen auch für geflüchtete Kinder!

Geflüchtete junge Menschen benötigen Schutz und eine verlässliche Zukunftsperspektive stattdessen sind sie mit großer Unsicherheit konfrontiert, sei es in Bezug auf ihren Aufenthaltsstatus, ihre Zukunft oder den Verbleib ihrer durch die Flucht getrennten Familien. Statt Kinder- und Menschenrechte konsequent anzuwenden, werden junge Menschen häufig als
Sicherheitsproblem dargestellt.

Die Partnerorganisationen Terre des Hommes Deutschland, der Bundesfachverband Minderjährigkeit und Flucht sowie Jugendliche ohne Grenzen appellieren deshalb mit fünf konkreten Forderungen an die Verhandelnden, denn: Jedes Kind zählt, egal woher es kommt!
 

1. Familien gehören zusammen! Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten und
humanitäre Aufnahmeprogramme retten!

Der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten und humanitäre Aufnahmeprogramme müssen erhalten bleiben. Sie stellen zwei der wenigen legalen Möglichkeiten dar, auf sicheren Fluchtwegen Schutz zu finden.

Für ein gelingendes Ankommen ist die Nähe zur Familie unerlässlich und auch rechtlich vorgesehen. Das Grundgesetz (Art. 6 GG), die Europäische Menschenrechtskonvention (Art. 8 EMRK), die europäische Grundrechte-Charta (Art. 7 EU-GRCh) die UN-Kinderrechtskonvention (Art. 3 UN-KRK, Art. 10 UN-KRK) stellen das Recht auf Familie unter besonderen Schutz. Dies gilt für alle Kinder unabhängig von ihrem Schutzstatus.

De facto ist der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten bereits auf 1.000 Personen pro Monat beschränkt zwischen 2018 und 2024 wurden nur acht Prozent aller Visa zum Zweck der Familienzusammenführung an Angehörige von subsidiär Schutzberechtigten erteilt.

Langjährige Familientrennungen zermürben Kinder und Jugendliche und können sogar gesundheitliche Schäden verursachen. Die Möglichkeit des Familiennachzugs als sicherer, legaler Fluchtweg ist daher unverzichtbar.

Gleiches gilt für humanitäre Aufnahmeprogramme. Sie stellen einen zusätzlichen,
geordneten und sicheren Weg für gezielte Aufnahmen besonders Schutzbedürftiger wie z.B.

Frauen und Kinder dar und retten dadurch Menschenleben. Durch den neu verabschiedeten Union Resettlement Framework (URF) wurde der Weg für ein vereinheitlichtes, effizienteres und auf EU-Ebene koordiniertes Aufnahmeverfahren für Resettlement und humanitäre Aufnahmen geebnet.

Ohne diese Möglichkeiten kämen nicht wesentlich weniger Menschen nach Deutschland sondern mehr Menschen müssten sich auf lebensgefährliche Fluchtwege begeben.

2. Keine Zurückweisung an den Staatsgrenzen!

Pauschale Zurückweisungen von Asylsuchenden an den deutschen Staatsgrenzen würden auch Kinder und Familien treffen und verstoßen gegen Europarecht und Völkerrecht. Darüber hinaus würden sich pauschale Zurückweisungen über die Rechtsprechung deutscher Verwaltungsgerichte und des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hinwegsetzen und die europäische Einheit gefährden. In jedem Einzelfall muss überprüft werden, ob ein Asylgesuch zulässig oder eine Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat rechtmäßig ist. Das kann nicht ad hoc an der Grenze passieren.

Unbegleitete Minderjährige stellen eine besonders schutzbedürftige Gruppe dar und müssen beim Grenzübertritt unmittelbar in die Obhut des Jugendamtes übergeben werden, das anschließend über ihr weiteres Vorgehen entscheidet. Wir sehen seit Langem an vielen europäischen Außengrenzen, dass Zurückweisungen und Pushbacks für die Betroffenen mit Gewalt einhergehen. Auch eine Notlage im Sinne von Art. 72 AEUV liegt in Deutschland offensichtlich nicht vor. Stattdessen sind die Asylantragszahlen 2024 um fast ein Drittel gesunken.

3. Teilhabe in allen Bereichen fördern! Psychosoziale Unterstützung ausbauen!

Das Sondierungspapier enthält ein Bekenntnis zur Integration dafür braucht es umfassende Maßnahmen für eine starke soziale Infrastruktur wie eine starke Kinder- und Jugendhilfe, psychosoziale Unterstützung und angemessene Unterbringung. Junge Geflüchtete leiden häufig unter Traumata, sie flohen vor Gewalt, Krieg oder Folter. Die psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (PSZ) können aktuell lediglich 3,1% der Menschen versorgen, die potentiell eine gezielte Therapie und Unterstützung benötigen. Wir fordern daher eine nachhaltige, bedarfsgerechte Finanzierung der psychosozialen Zentren aus Bundesmitteln.

Massenunterkünfte sind zudem keine Orte für Kinder. Um Integration zu ermöglichen, müssen Familien mit Kindern schnell auf die Kommunen verteilt, dezentral in Wohnungen untergebracht und in Regelschulen integriert werden.

Auch Sachleistungen verhindern im Vergleich zu Geldleistungen aktiv die Integration und grenzen insbesondere Kinder im Alltag gegenüber anderen Minderjährigen aus. Auch die zuletzt eingeführte Bezahlkarte hat ähnliche Wirkungen und führt in der Praxis de facto zu drastischen Leistungskürzungen, da der individuelle Bedarf durch sie nicht gedeckt wird.

4. Perspektiven statt Abschiebung! Keine Haft für Kinder!

Die Ankündigung einer sogenannten „Rückführungsoffensive“ sorgt vor allem dafür, dass Kinder und ihre Familien in Angst versetzt werden, was ihnen das Ankommen drastisch erschwert. Das „Rückführungsverbesserungsgesetz“ und weitere Maßnahmen haben in der vergangenen Legislatur außerdem bereits zu drastischen Verschärfungen geführt.

Mehr Abschiebehaft bedeutet auch mehr Kinder, die von ihren Eltern getrennt werden. Von Abschiebungen und Abschiebungshaft muss in Bezug auf Minderjährige auch im Familienverbund grundsätzlich abgesehen werden. Kinder dürfen niemals in Migrationshaft genommen werden, da diese unvereinbar mit dem Kindeswohl ist und zu langfristigen Folgen für das seelische und körperliche Wohl der Kinder führen kann.

5. GEAS-Reform kinderrechtskonform umsetzen!

Kinderrechte und das Wohl des Kindes müssen bei der Umsetzung der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) im Vordergrund stehen. Die GEAS-Reform dürfte es in dieser Form nicht geben zu groß sind menschen- und kinderrechtliche Lücken. Nun muss es darum gehen, sie so kinderrechts- und menschenrechtskonform wie möglich umzusetzen. Insbesondere ist es von großer Bedeutung, dass die EU-Rechtsakte im Einklang mit der EU-Grundrechtecharta und relevanten internationalen Verträgen wie der UN-Kinderrechtskonvention und der UN-Behindertenrechtskonvention umgesetzt werden. Eine menschenrechtskonforme Umsetzung muss zentrale Prinzipien wie das Recht auf Asyl, das Recht auf Freiheit und das Recht auf einen effektiven Rechtsbehelf garantieren.

Wir appellieren an die Parteien, sich für faire Asylverfahren, die Identifikation und den Schutz vulnerabler Gruppen sowie eine menschenwürdige Aufnahme einzusetzen. Dies schließt auch den Schutz von Kindern und die Vermeidung der Inhaftierung schutzsuchender Menschen ein. Darüber hinaus ist ein starkes Menschenrechts-Monitoring erforderlich, und eine unabhängige Asylverfahrensberatung ist von zentraler Bedeutung. Nur durch eine sachgerechte und auf Menschenwürde ausgerichtete Umsetzung kann die Erosion rechtsstaatlicher Standards in der EU verhindert werden.

Quellen sind hier enthalten