02.03.2024 Der gerade erst gewählte Landrat des thüringischen Saale-Orla-Kreises will Geflüchtete vier Stunden am Tag für 80 Cent Stundenlohn arbeiten lassen. Mit dieser Idee besorgt der CDU-Mann mit dem schönen Namen Herrgott letztlich das Geschäft der AfD und dankt es seinen Wähler*innen nicht. Diese hatte ihn, um den AfD-Kandidaten zu verhindern, in einem Kopf-an-Kopf-Rennen durchgesetzt, nachdem die anderen Kandidaten von Die Linke und SPD aufgerufen hatten, die Stimme in der Stichwahl für die CDU abzugeben (MDR).
Die Forderung zur Arbeitspflicht bei schändlichem und entwürdigendem Niedrigstlohn (früher waren es bei niegrigeren Preisen immerhin noch 1-Euro-Jobs gewesen) wurde vom Landkreistag erhoben und löste eine Debatte zwischen Pro und Contra bei Politiker*innen aus. Der jüngste Beitrag kommt vom Städte- und Gemeindetag, der die Arbeitspflicht ablehnt. Pro Asyl und alle Landesflüchtlingsräte lehnen die Arbeitspflicht für Geflüchtete ebenfalls ab und fordern stattdessen die Aufhebung aller Arbeitsverbote für geflüchtete Menschen.
„Es ist rassistisch und menschenverachtend zu suggerieren, dass Geflüchtete arbeitsunwillig seien, die man jetzt zur Arbeit unter ausbeuterischen Verhältnissen zu 80 Cent pro Stunde verpflichten müsse – während viele von ihnen schlichtweg nicht arbeiten dürfen,“ sagt Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von PRO ASYL. „Statt politischer Stimmungsmache gegen Geflüchtete, sollten endlich alle Arbeitsverbote für Geflüchtete und die Duldung-Light-Regelung aufgehoben werden – ein bisher nicht erfülltes Versprechen des Koalitionsvertrags der Ampel-Regierung“, so Alaows weiter.
Wir zitieren Zeit Online vom 1. März und eine Pressemitteilung von Pro Asyl:
Der Deutsche Landkreistag hatte im Herbst die Debatte um eine Arbeitspflicht angestoßen. Nun widerspricht ein anderer großer Kommunalverband.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund lehnt eine Arbeitspflicht für Asylbewerber ab. "Um mehr Asylbewerber in Arbeit zu vermitteln, ist eine Arbeitspflicht weder nötig noch zielführend", sagte Hauptgeschäftsführer André Berghegger den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Allerdings sprach er sich dafür aus, die aktuellen Regeln anzupassen.
Derzeit dürften Migranten nicht arbeiten, solange sie sich im Asylverfahren befinden. "Wenn angemahnt wird, dass zu wenig Geflüchtete arbeiten, muss der erste logische Schritt sein, die Asylverfahren beschleunigt zu einem Abschluss zu bringen", sagte Berghegger. "Auch kann es eine Chance sein, die Beschäftigungsmöglichkeiten schon im laufenden Asylverfahren zu eröffnen, wenn die vorläufige Prüfung ein Recht auf Asyl erwarten lässt."
Gegensätzliche Forderung vom Deutschen Landkreistag
Dagegen hatte der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, bereits im Herbst eine Arbeitspflicht für Asylbewerber gefordert. Der Vorstoß rückte erneut in die öffentliche Debatte, nachdem der neue Landrat des ostthüringischen Saale-Orla-Kreises, Christian Herrgott, Anfang dieser Woche das Vorhaben geäußert hatte, Asylbewerber zu vier Stunden Arbeit pro Tag verpflichten zu wollen. Sie sollen für 80 Cent pro Stunde einfache Arbeiten erledigen.
- Pressemitteilung von Pro Asyl: Recht auf Arbeit statt populistischer Arbeitspflicht-Debatten
29.02.2024 PRO ASYL und alle Landesflüchtlingsräte lehnen die Arbeitspflicht für Geflüchtete ab und fordern stattdessen die Aufhebung aller Arbeitsverbote für geflüchtete Menschen.
„Es ist rassistisch und menschenverachtend zu suggerieren, dass Geflüchtete arbeitsunwillig seien, die man jetzt zur Arbeit unter ausbeuterischen Verhältnissen zu 80 Cent pro Stunde verpflichten müsse – während viele von ihnen schlichtweg nicht arbeiten dürfen,“ sagt Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von PRO ASYL. „Statt politischer Stimmungsmache gegen Geflüchtete, sollten endlich alle Arbeitsverbote für Geflüchtete und die Duldung-Light-Regelung aufgehoben werden – ein bisher nicht erfülltes Versprechen des Koalitionsvertrags der Ampel-Regierung“, so Alaows weiter.
„Wenn Geflüchtete mit Sanktionen belegt werden können, wenn sie prekäre Arbeitsgelegenheiten ablehnen, hat das nichts mit fairen Beschäftigungsverhältnissen zu tun, sondern grenzt an Zwangsarbeit. Statt eine sinnvolle und nachhaltige Migrationspolitik voranzubringen, wird hier erneut deutlich, dass die Politik lieber weiterhin den menschenfeindlichen Diskurs der letzten Monate befeuert und damit dem Rechtsruck in der Gesellschaft und der Stigmatisierung von Geflüchteten Vorschub leistet“, sagt Dajana Strunz vom Sächsischen Flüchtlingsrat.
Mit einer Arbeitspflicht wird das rassistische Narrativ über Schutzsuchende, denen zu Unrecht unterstellt wird, nicht arbeiten zu wollen, reproduziert. Dabei sind die hausgemachten gesetzlichen Restriktionen und komplizierten Verbote, die den Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylsuchende und Geduldete versperren, der Grund dafür, dass viele Geflüchtete nicht arbeiten – nicht eine fehlende Arbeitsbereitschaft bei den Menschen.
Es braucht echte Lösungen
Statt auf diese Scheindebatte aufzuspringen, fordern PRO ASYL und die Landesflüchtlingsräte von den Länderchef*innen lösungsorientierte Vorschläge. So würden beispielsweise schon die ausgebaute Förderung von Deutschkursen und einige gesetzliche Änderungen dazu beitragen, viel mehr Geflüchteten die Aufnahme einer Arbeit zu ermöglichen. Dies zeigen nicht zuletzt die Analysen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Darin wird bestätigt, dass mit dem Erlernen der deutschen Sprache und mit der Streichung des Beschäftigungsverbots die Zahl der erwerbstätigen Geflüchteten signifikant steigen würde. Weiterhin würden mit der Streichung aller Arbeitsverbote die Ausländerbehörden massiv entlastet und Geflüchtete könnten sich direkt auf Arbeitsstellen bewerben, ohne durch die monatelangen Erlaubnisverfahren bei den Behörden von der Arbeitsaufnahme abgehalten zu werden.