Gerichtsurteile: Dublin-Abschiebungen nach Griechenland unzulässig

01.06.2021 Wie ProAsyl in den News vom 28. Mai veröffentlichte, erklärten zwei Oberverwaltungsgerichte (Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen), dass Schutzsuchende von Deutschland aus nicht nach Griechenland abgeschoben werden dürfen: "...dürfen grundsätzlich nicht zurückgeschickt werden, weil dort nicht einmal elementarste Bedürfnisse (»Bett, Brot, Seife«) befriedigt werden können – selbst wenn sie alleinstehend, gesund und arbeitsfähig sind". Das dürfen die Bundesregierung und das BAMF nicht länger ignorieren, so ProAsyl. Sie müüsen vielmehr den  betreffenden Schutzsuchenden die quälende Ungewissheit und Sorge nehmen.

Wir zitieren:

Bett, Brot, Seife – Ein ferner Traum für Flüchtlinge in Griechenland

Anerkannten Flüchtlingen in Griechenland mangelt es an allem. Gleich zwei Oberverwaltungsgerichte haben deshalb entschieden: Niemand darf dorthin zurückgeschickt werden. Die Bundesregierung muss das anerkennen und darf Menschen nicht weiter dorthin abschieben.

Griechenland zählt zu den beliebtesten Urlaubszielen der Deutschen. Doch während so manche mit Blick auf die nahenden Sommerferien und die steigenden Impfzahlen von einem Urlaub in der Ägäis, auf der Peloponnes oder der Halbinsel Chalkidiki träumen, haben andere Menschen panische Angst davor, in einen Flieger Richtung Athen gesetzt zu werden. Denn Geflüchtete wissen: Dort erwartet sie das nackte Elend.

Zu den Schutzsuchenden, die in Deutschland einen Asylantrag stellen, zählen auch Menschen, die in Griechenland bereits eine Anerkennung als Flüchtling erhalten haben. Die Bundesregierung würde sie am liebsten nach Griechenland zurückschicken. Seit mehreren Jahren weisen wir von PRO ASYL und unser Team von »Refugee Support Aegean« (RSA) darauf hin, dass Schutz für anerkannte Flüchtlinge in Griechenland nur auf dem Papier existiert. In einer aktuellen Stellungnahme legen wir ausführlich dar, dass sich die Situation in Griechenland für anerkannte Schutzberechtigte weiter verschlechtert hat. Es ist die pure Not, die die Menschen zur Weiterflucht drängt.

Anstatt zu entscheiden, dass die Betroffenen angesichts dessen nicht nach Griechenland zurückgeschickt werden dürfen und ihnen hier in Deutschland internationaler Schutz zusteht, lassen das Bundesinnenministerium (BMI) und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Menschen im Ungewissen. Ihre Asylverfahren sind seit Dezember 2019 komplett auf Eis gelegt. Betroffen sind davon aktuell rund 13.000 Menschen.

Gerichte entscheiden: Geflüchtete dürfen nicht von Deutschland nach Griechenland geschickt werden

13.000 Menschen mit Schutzstatus, die aus Griechenland nach Deutschland gekommen sind, warten noch immer auf eine Entscheidung

Während die Behörden die Menschen seit Monaten in der Luft hängen lassen, gab es in jüngster Zeit gleich zwei Oberverwaltungsgerichte, die eindeutig entschieden haben: Anerkannte Schutzberechtigte aus Griechenland dürfen grundsätzlich nicht zurückgeschickt werden, weil dort nicht einmal elementarste Bedürfnisse (»Bett, Brot, Seife«) befriedigt werden können – selbst wenn sie alleinstehend, gesund und arbeitsfähig sind (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 21. Januar 2021, 11 A 1564/20.A und 11 A 2982/20.A; OVG Niedersachsen, Urteile vom 19. April 2021, 10LB 244/20 und 10 LB 245/20).

In der bisherigen Rechtsprechung bestand zwar Einigkeit darin, dass besonders schutzbedürftige Menschen wie zum Beispiel Familien mit kleinen Kindern nicht nach Griechenland abgeschoben werden dürfen. Unter Verweis auf ein Urteil vom Oberverwaltungsgericht Schleswig von Ende 2019 (OVG Schleswig, Urteil vom 6. September 2019, 4 LB 17/18) gab es jedoch einzelne Verwaltungsgerichte, die die Auffassung vertreten, dass die Situation in Griechenland zumindest für alleinstehende und arbeitsfähige Schutzberechtigte gerade noch zumutbar sei. Auch diese Gerichte stellten zwar in aller Regel fest, dass es in Griechenland keinerlei Unterstützung von staatlicher Seite gibt und die Leute bei der Suche nach einem Obdach und der Versorgung mit überlebensnotwendigen Dingen komplett auf sich allein gestellt sind. Sie verwiesen aber darauf, dass es eine Reihe von Nichtregierungsorganisationen und Kirchen gebe, mit deren Hilfe die Betroffenen irgendwie über die Runden kommen könnten.

Dem schieben das OVG Nordrhein-Westfalen und das OVG Niedersachsen nun einen Riegel vor – auch unter Verweis auf die Berichte von PRO ASYL und RSA.

Die beiden Gerichte prüfen in ihren Entscheidungen eingehend, ob es für Schutzberechtigte bei einer etwaigen Rückkehr nach Griechenland aller Voraussicht nach möglich sein wird, eine Unterkunft zu finden und durch Erwerbstätigkeit oder ein Minimum an Sozialleistungen zumindest die Versorgung mit den fürs Überleben notwendigen Gütern zu sichern. Zudem prüfen sie, ob Nichtregierungsorganisationen und Kirchen die fehlende staatliche Fürsorge für anerkannte Schutzberechtigte abfedern können.