Grenzkontrollen weiter umstritten

10.05.2025 Das einseitige Handeln der Bundesregierung, bei verstärkten Grenzkontrollen Zurückweisungen auszusprechen, steht weiter in der Kritik. Regierungsmitglieder üben sich in Beschwichtigung der erbosten Nachbarn. Auch der Koalitionspartner SPD hat Bedenken. Dazu zitieren wir 3 Berichte.

13.05.2025 aktualisiert durch 

Schon lange vor der jüngsten Weisung des neuen Innenministers wurde an der Grenze zu Österreich kontrolliert. Zumindest in einem Fall hat die Bundesregierung damit gegen geltendes Recht verstoßen.

Die Verlängerung von Kontrollen der Bundespolizei an der Grenze zu Österreich war zumindest in einem Fall rechtswidrig. Ein entsprechendes Urteil des Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) sei inzwischen rechtskräftig, teilte ein Gerichtssprecher in München mit. Die Bundesrepublik habe innerhalb der gesetzlichen Frist keine Rechtsmittel dagegen eingelegt.

... Zur Frage, was das Urteil in München für die seitdem mehrfach wieder verlängerten und zuletzt verschärften Kontrollen der Bundespolizei an den Landgrenzen bedeutet, äußerte sich das Bundesinnenministerium auf Nachfrage von dpa zunächst nicht.

Für die Verlängerung bräuchte es eine neue Bedrohung

Der BayVGH hatte sein Urteil vor allem damit begründet, die Anordnung von Binnengrenzkontrollen für den betreffenden Zeitraum sei "nicht mit einer neuen ernsthaften Bedrohung" im Sinne der anzuwendenden Vorschrift begründet worden. Die frühere Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte die Kontrollen im Frühjahr 2022 zum wiederholten Mal um sechs Monate verlängert.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) habe aber geurteilt, dass Grenzkontrollen, die länger als ein halbes Jahr dauern, nicht erlaubt sind, wenn als Grund nur eine weiter andauernde Bedrohung oder deren Neubewertung genannt wird (Urt. v. 26.04.2022, Rs. C-368/20)...

... "An den Landesgrenzen darf Deutschland keine weiteren Kontrollen durchführen. Dies ergibt sich eindeutig aus der Entscheidung des BayVGH", hatte Christoph Tometten, Anwalt von Salomon, nach der Verkündung des Urteils gegenüber LTO mitgeteilt. Er erklärte weiter: "Der Gerichtshof hatte aus prozessualen Gründen nur über eine bestimmte Kontrolle zu befinden, das Urteil hat aber eine über den Einzelfall deutlich hinausgehende Bedeutung. Die Rechtswidrigkeit der Kontrolle meines Mandanten im Sommer 2022 ergibt sich aus einer grundsätzlichen Beurteilung der Rechtslage, nicht aus den Besonderheiten des Einzelfalls."

Verlängert hatte das Bundesinnenministerium die Grenzkontrollen zuletzt Mitte Februar für weitere sechs Monate - also noch vor dem Urteil in München. Vergangene Woche hatte der neue Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) die Bundespolizei angewiesen, ihre Kontrollen an den Landgrenzen noch zu verstärken und auch Asylsuchende zurückzuweisen, wenn die Voraussetzungen für eine Einreise nicht vorliegen.

 

Die EU-Kommission appelliert an die neue deutsche Bundesregierung, Grenzkontrollen eng mit ihren Nachbarländern abzustimmen. Solche Maßnahmen erforderten eine enge Koordinierung »insbesondere mit allen betroffenen Mitgliedstaaten«, sagte ein Sprecher der EU-Kommission in Brüssel. Man stehe mit den Behörden in Deutschland und dessen Nachbarstaaten in Kontakt, »um die notwendigen Informationen über diese Maßnahmen und ihre Umsetzung in der Praxis zu erhalten«. Grundsätzlich sei die Wiedereinführung vorübergehender Kontrollen an den Binnengrenzen möglich, aber nur unter bestimmten Bedingungen.

Hintergrund sind die verschärften Regeln an den deutschen Grenzen, die Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) angeordnet hat. Wie die »Bild am Sonntag« berichtete, wurden laut einer ersten Bilanz am Donnerstag und Freitag 19 Flüchtlinge trotz Asylgesuchs wegen unerlaubter Einreise zurückgewiesen. Insgesamt registrierte die Bundespolizei an diesen beiden Tagen 365 unerlaubte Einreisen, 286 Menschen wurden zurückgewiesen. Hauptgründe waren fehlende Visa, fehlende oder gefälschte Dokumente sowie bestehende Einreisesperren.

Dobrindt hatte in seinem neuen Grenzerlass Ausnahmen für vulnerable Personen vorgesehen: Kinder, schwangere Frauen und Kranke sollen nicht zurückgewiesen werden. In vier Fällen konnten Migranten mit Asylbitte deshalb einreisen. Zudem wurden innerhalb der zwei Tage 14 angebliche Schleuser vorläufig festgenommen, 48 offene Haftbefehle vollstreckt sowie neun Personen »aus dem extremistischen oder islamistischen Spektrum« bei der Einreise aufgegriffen.

Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) betonte, die Maßnahmen seien mit den europäischen Nachbarn abgesprochen und nicht als Dauerlösung gedacht. Erste Nachbarländer hatten zuvor jedoch heftige Kritik an dem Vorgehen Berlins geäußert.

Die Bundespolizei bestätigte, dass sie Dobrindts Anordnung umsetzt. »Unsere Kollegen werden jeden Asyl- und Schutzersuchenden zurückweisen, außer Schwangere, Kranke, unbegleitete Minderjährige«, sagte Andreas Roßkopf von der Gewerkschaft der Polizei der Bild. Die Verantwortung dafür liege »alleine beim Bundesinnenministerium«. Roßkopf widersprach damit Kanzler Friedrich Merz (CDU), der zuvor betont hatte, Deutschland kontrolliere ähnlich moderat wie zur EM 2024 – damals ohne Zurückweisungen.

Die Maßnahme bleibt innenpolitisch umstritten. Der Grünen-Politiker Helge Limburg warf der Bundesregierung »kommunikatives Chaos« vor und kritisierte pauschale Zurückweisungen als Verstoß gegen Europarecht. Auch SPD-Fraktionschef Matthias Miersch mahnte, dass jedes Vorgehen mit den Nachbarstaaten abgestimmt sein müsse.

Scharfe Kritik kam auch vom Vorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag, Sören Pellmann. Auf dem Chemnitzer Parteitag sagte er: »Wer aus Angst vor den Rechten rechte Politik macht, der kann nur verlieren.« Die Linke werde gegen solche Maßnahmen Widerstand leisten.

Gleichzeitig stellte die EU-Kommission drei Milliarden Euro für Migrationsmaßnahmen in den Mitgliedstaaten bereit. Das kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) in Brüssel an. Die Gelder sollen vor allem der Unterbringung ukrainischer Flüchtlinge dienen, aber auch in zwei Fonds fließen, die für Grenzschutz, Visapolitik und Integration vorgesehen sind. Die Mittel stammen aus Umschichtungen im EU-Haushalt und sollen bis Ende 2027 zur Verfügung stehen.

Ziel ist es laut Kommission, die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der neuen EU-Regeln für Asyl und Migration zu unterstützen. Diese sollen ab kommendem Jahr gelten und unter anderem einheitliche Verfahren an den Außengrenzen sowie eine erleichterte Rückführung von Menschen ohne Schutzanspruch ermöglichen.  Agenturen/nd

 

Brüssel · Auf Dobrindts Anweisung kontrolliert die Bundespolizei schärfer an den Grenzen. Nachbarländer reagieren verschnupft. Die EU-Kommission hat Fragen – und eine klare Botschaft an die neue Bundesregierung.

Die EU-Kommission appelliert an die neue deutsche Bundesregierung, Grenzkontrollen eng mit ihren Nachbarn abzustimmen. Solche Maßnahmen erforderten enge Koordinierung „insbesondere mit allen betroffenen Mitgliedstaaten“, sagte ein Sprecher der EU-Kommission der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel.

Mehr Kontrollen an NRW-Grenzen „Was passiert mit den Menschen, die wir an der Grenze abweisen?“

Man stehe mit den Behörden in Deutschland und dessen Nachbarstaaten in Kontakt, „um die notwendigen Informationen über diese Maßnahmen und ihre Umsetzung in der Praxis zu erhalten“, hieß es weiter. Grundsätzlich sei die Wiedereinführung vorübergehender Kontrollen an den Binnengrenzen möglich, aber nur unter bestimmten Bedingungen.

Zurückweisungen an den deutschen Grenzen Dobrindts Asyl-Vorstoß kann schnell nach hinten losgehen

Nach der Anweisung des neuen Bundesinnenministers Alexander Dobrindt (CSU) zu schärferen Regeln an den deutschen Grenzen laufen verstärkte Kontrollen. Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) betonte, dass die verschärften deutschen Grenzkontrollen nicht zum Dauerzustand werden sollen und mit den europäischen Nachbarstaaten abgesprochen seien. Erste Nachbarländer Deutschlands hatten zuvor Kritik am Vorgehen Berlins geäußert.

 

Mehrere Nachbarländer Deutschlands kritisieren die von Bundesinnenminister Dobrindt angekündigten Zurückweisungen von Asylbewerbern an den deutschen Außengrenzen. Bundesaußenminister Wadephul machte im Deutschlandfunk deutlich, dass die neue Bundesregierung ihre Migrationspolitik nicht gegen den Willen Polens durchsetzen will.

Man werde das selbstverständlich miteinander besprechen, sagte der CDU-Politiker im Deutschlandfunk. Es sei auch für Polen klar, dass man in Europa zu einer Kontrolle der Migration und einer Stärkung der Außengrenzen kommen müsse. Gestern hatte Wadephul im ZDF mit Blick auf die von Dobrindt, CSU, eingeleitete neue Migrationspolitik von einer „Zwischenphase“ gesprochen, durch die man jetzt möglicherweise gehe. Angesichts des wachsenden Zuspruchs für die AfD müsse die Zuwanderung begrenzt werden.

Zuvor war beim Antrittsbesuch von Bundeskanzler Merz in Warschau von Polens Ministerpräsident Tusk Widerstand gegen die Anordnungen Dobrindts angekündigt worden. Deutschland werde in sein Gebiet lassen, wen es wolle, und Polen werde nur in sein Gebiet lassen, wen Polen akzeptiere, sagte Tusk bei einer Pressekonferenz. Wenn jemand eine Kontrolle an der polnischen Grenze einführe, werde Polen umgekehrt auch eine solche Kontrolle einführen. Und das ergebe auf lange Sicht einfach keinen Sinn, kritisierte Tusk.

Auch die Schweiz kritisierte Dobrindts Ankündigung, Grenzkontrollen auszuweiten und sogar Asylbewerber an den deutschen Außengrenzen zurückzuweisen. Dies verstoße gegen geltendes Recht, meinte Justizminister Jans. Die Schweiz bedauere, dass Deutschland diese Maßnahmen ohne Absprache getroffen habe. Der Grenzverkehr dürfe davon nicht beeinträchtigt werden. Die Behörden prüften gegebenenfalls Maßnahmen.

Merz mahnt europäische Lösung an

Merz sagte Polen Unterstützung für die Sicherung der EU-Außengrenzen zu. Er gehe davon aus, dass man in dieser Frage zu „guten Lösungen“ kommen werde. Gleichzeitig mahnte Merz eine gemeinsame europäische Lösung an, um illegale Migration zu begrenzen.

Merz hatte im Wahlkampf Zurückweisungen an den Grenzen vom ersten Tag seiner Regierungszeit an angekündigt. Dobrindt (CSU) traf gestern entsprechende Entscheidungen. Im Koalitionsvertrag steht, dass diese in Abstimmung mit den Nachbarstaaten erfolgen sollen. Polen, das sich derzeit in der heißen Phase des Präsidentschaftswahlkampfs befindet, hält nun dagegen.

Eichwede (SPD): Pläne müssen juristisch geprüft werden

Kritik kommt derweil auch vom Koalitionspartner SPD. Deren stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Eichwede, sagte im Deutschlandfunk, man müsse sich die Pläne juristisch anschauen. Ihre Partei halte Zurückweisungen bei Asylgesuchen für europarechtswidrig. Wenn so etwas erfolge, könne es nur – wie im Koalitionsvertrag vereinbart – in Absprache mit den europäischen Partnern erfolgen. Die SPD-Politikerin betonte zudem, der Innenminister habe keine unmittelbare Weisung erteilt. Vielmehr habe Dobrindt den Ermessensspielraum der Beamten an den Landesgrenzen ausgeweitet.

Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Mihalic, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, die Pläne Dobrindts stellten die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern grundsätzlich in Frage. Zugleich warnte Mihalic vor einer Überlastung der Bundespolizei. Diese sei nie dafür ausgelegt gewesen, 4.000 Kilometer Grenze zu kontrollieren, sagte Mihalic.

Die Zahl der Erstanträge auf Asyl war im April im Vergleich zum März um 1,4 Prozent gestiegen. Im Vergleich zum Vorjahresmonat ging die Zahl der Anträge jedoch um fast die Hälfte zurück. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden im April die meisten Asylanträge von Menschen aus Afghanistan gestellt, dahinter folgten Syrien und die Türkei.

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