06.04.2021 Rund 400 junge und ältere Menschen kamen am Ostersamstag zum Bonner Ostermarsch zusammen. Leibhaftig und nicht per Videoschalte. Schon bei der Aufstellung an zwei langen "Bändern der Solidarität" zeigte sich, dass das Hygienekonzept der Veranstalter*innen aufging und der Demonstrationszug unübersehbar lang sein würde. Gerechten Frieden schaffen – weltweit solidarisch! Nein zu Aufrüstung, Waffenexporten und Krieg! Das lag allen am Herzen.
Bei der anschließenden Kundgebung auf dem Münsterplatz wurden einige Aspekte besonders hervorgeheben. Wir zitieren hier zum Nachlesen den Beitrag von Judith Rau von der Bonner Seebrücke, danach den die Forderungen des Ostermarsches zusammenfassenden Schlussbeitrag und einen neuen Liedtext der veranstaltenden Mitsing-Gruppe "Hand in Hand".
Beitrag der Seebrücke Bonn
Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,
mein Name ist Judith und ich darf heute als Mitglied der Seebrücke unsere Gruppe vertreten. Zuallererst möchte ich betonen, wie dankbar ich bin, dass es Demonstrationen wie die heutige gibt. Auf diesem Wege gelingt es uns als Zivilgesellschaft, unsere Ansinnen und Werte zu vertreten und im besten Fall uns damit im Sinne der Gerechtigkeit Gehör zu verschaffen. Dabei stellt sich allerdings die Frage, was gerecht ist und vor allem, wie die EU jene Werte definiert. Denn angesichts der Tatsache, dass das Retten von Menschen vor dem Ertrinken als Straftat gehandelt werden kann, erscheint es dringend notwendig, die Wertebasis der EU zu hinterfragen – diese Forderung kommt von vielen Seiten und sie wird immer lauter! In diesem Kontext scheint es unter anderem relevant, die Fluchtursachen derer zu betrachten, die sich auf ihrer Flucht oftmals in Lebensgefahr begeben müssen. Denn Krieg ist eine der häufigsten Fluchtursachen weltweit (BpB, 2017). Daher möchte ich zwei kleine Geschichten erzählen. Diese zwei Geschichten handeln von afghanischen Frauen. Denn Frauen machen die Hälfte der weltweit Geflüchteten aus und sind nicht diejenigen, die den Krieg verursachen, allerdings sind sie diejenigen, die besonders die negativen Folgen wie zum Beispiel geschlechtsbasierte Gewalt zu spüren bekommen, so Jamila Afghani.
Ronja von Wurmb-Seibel, eine deutsche Journalistin und Regisseurin, lebte von 2013 bis 2014 in Kabul. Eines ihrer Ansinnen war es, den Menschen vor Ort Gehör zu verschaffen, ihre persönlichen Geschichten vom Leben im Krieg zu hören. In ihrem Buch dürfen wir von Leylima erfahren, einer Frau, deren Mann und Schwager von den Taliban getötet wurden. Seitdem trägt sie Sorge für ihre drei Kinder sowie für ihre Schwester und deren Kinder. Ronja zufolge ist Leylima eine der stärksten Frauen, die sie je kennenlernen durfte! Nach einer Explosion auf den Straßen von Kabul schlägt Ronja Leylima vor, sich auszuruhen. Darauf entgegnet sie: „Nein! Warum sollte ich? Davon wird es doch auch nicht besser!“ (von Wurmb-Seibel, 2015, S.50).
Nun möchte ich Worte von Jamila Afghani mit euch teilen, eine afghanische Frauenrechtlerin, die bereits Friedensverhandlungen mit den Taliban geführt hat. Sie kämpft für den Frieden, dafür, dass die zukünftigen Generationen nicht mehr unter dem Krieg leiden müssen. Ihr zufolge verschärft der Krieg Diskriminierung gegenüber Frauen, die sie auch bereits in Zeiten des Friedens erleben. Zudem gehen geschlechtsbasierte Gewalttaten wie Vergewaltigungen als Kriegsverbrechen mit dem Alltag im Krieg in Afghanistan und auch anderen Ländern einher. Frauen sind Afghani zufolge direkte und indirekte Opfer des Krieges. Politische und gesellschaftliche Teilhabe sind für Frauen in Zeiten des Krieges extrem eingeschränkt. Doch diesen Worten lässt sie Taten folgen. Mit ihrem Team bietet sie für Frauen unter anderem psychosoziale Beratung an – und das in ständiger Angst vor dem Tod. Doch was treibt sie an? Es ist die Hoffnung auf Frieden in der Zukunft. Und ihr Appell an unsere Solidarität. Auf die Frage, was Frauen brauchen, um zu spüren, dass der Krieg vorbei ist, entgegnet sie, dass hierzu in erster Linie Gleichberechtigung und Respekt notwendig sind.
Im Namen unseres Mitglieds Sophia möchte ich zudem auf die Situation von FINTA:s (Frauen, Inter-, non Binary trans- und asexuelle Menschen) aufmerksam machen. Diese Gruppe von Menschen, zu denen Frauen auch zählen, sind gehäuft geschlechtsspezifischer Gewalt und Diskriminierung ausgesetzt. Insbesondere in Geflüchtetenlagern oder gar in deutschen Unterkünften, die als temporärer Schutzort angedacht sein sollten, sehen sich diese Menschen Gewalt schutzlos ausgesetzt. Wir möchten an dieser Stelle daran erinnern, dass am 31.03. der Trans Visibility Day war.
Doch schlussendlich möchte ich euch Hoffnung mit auf den Weg geben. Denn es gibt Grund zur Hoffnung. Annehmen lassen uns das Menschen wie Jamila Afghani, die auch in unseren Medien Gehör erhalten. Anlass dazu bieten Journalist*innen wie Ronja von Wurmb-Seibel, die den Blick auf Länder wie Afghanistan schärfen und unabhängig von vorherrschenden medialen Annahmen Menschen zu Wort kommen lassen. Angesichts der Zeitknappe kann ich Geschichten wie die Leylimas nicht weiter ausführen, doch ich möchte darauf verweisen, wie wertvoll genau solche Geschichten sind. Sie machen die Geschehnisse auf der Welt aus individueller Perspektive greifbar, sie geben den Menschen ein Gesicht und sie sollten der EU und unserer christlichen Werteunion vor Augen führen, dass wir über Menschen sprechen und nicht über bloße Ziffern. Diese Geschichten sollten uns verdeutlichen, dass die Situation in Ländern wie Afghanistan seit Jahrzehnten einem Ausnahmezustand gleicht, für viele ein Leben in Angst bedeutet. Wir dürfen nicht müde daran werden, uns persönliche Schicksale anzuhören, emotionale und kognitive Empathie zu praktizieren und uns unser Privileg sowie unsere Waffe der Meinungsfreiheit zu nutzen! Wir können zum Frieden beitragen, auch indem wir uns vernetzen und annähern.
Schlussbeitrag
Die Bundesregierung erhöht den Etat für Aufrüstung und Interventionsfähigkeit der Bundeswehr von Jahr zu Jahr. Die Ausgaben für das Militär soll auf 2% des Bruttosozialproduktes anwachsen.
Dagegen unsere Forderung: Nein zum Zwei-Prozent-Ziel der NATO. Dafür Abrüstung, neue Entspannungspolitik, soziale Sicherheit!
Die Aufrüstung der Europäischen Union schreitet voran. Das neue Mehrfach-Kampfflugzeug FCAS und die neuen Eurodrohnen sollen über 300 Milliarden Euro kosten.
Dagegen unsere Forderung: Keine Militarisierung der EU! Für ein ziviles und kooperatives Europa!
In Büchel sollen die bisherigen durch neue Atombomben ersetzt werden, die Bundesregierung will für über 12 Mrd. € neue Atombomber kaufen.
Dagegen unsere Forderung: Eine Welt ohne Atomwaffen, sofortiger Abzug der Atombomben aus Büchel, Beitritt Deutschlands zum Atomwaffenverbotsvertrag!
Die Bundesregierung hat im Jahr 2020 Rüstungsexporte für mehr als eine Milliarde Euro genehmigt. Auch in Länder, die in die Kriege und Konflikte im Jemen oder in Libyen verwickelt sind.
Dagegen unsere Forderung: Stopp aller Rüstungsexporte!
Krieg ist der schlimmste Klimakiller. Die Klimakrise verschärft den Überlebenskampf der Bevölkerung in vielen Ländern des globalen Südens und treibt die Menschen zur Flucht.
Dagegen unsere Forderung: Konsequente Klimaziele hierzulande, weltweite solidarische Unterstützung für alle Maßnahmen gegen die Klimakrise.
2020 fanden erlitten mindestens 1.166 Menschen den Tod bei der Flucht über das Mittelmeer oder sind vermisst. Zivile Rettungsschiffe werden laufend blockiert und kriminalisiert. Zehntausende Geflüchtete vegetieren unter katastrophalen Verhältnissen und ohne Perspektive monate- oder sogar jahrelang in Elendslagern z.B. auf Lesbos oder in Bosnien.
Dagegen unsere Forderung: Sichere Fluchtwege und solidarische Aufnahme von Schutzsuchenden!
Der Flüchtlingsdeal der Bundesregierung mit der Türkei verhindert auch die Auseinandersetzung mit der inneren Repression in der Türkei.
Dagegen unsere Forderung: Die Türkei muss zu Demokratie und Einhaltung der Menschenrechte zurückkehren! Stopp den Krieg gegen die Kurden!
Es wird Angst vor Migrant*innen geschürt und Festungsmentalität verbreitet. Damit werden Rechtsextremismus und Faschismus gefördert.
Dagegen unsere Forderung: Solidarität mit den Geflüchteten und People of Colour! Widerstand gegen rechtsextreme und faschistische Organisationen und Parteien, gegen rechtsextreme und faschistische Strukturen bei Polizei und Militär oder im Internet, insbesondere Widerstand gegen jegliche rechtsextreme und faschistische Gewalt!
Lasst uns streiten:
-
für Vertrauen, Kooperation und Abrüstung,
-
für ein globales solidarisches Miteinander,
-
für soziale Gerechtigkeit und umfassende Gesundheitsversorgung
-
für Klimaschutz
-
und eine lebenswerte Zukunft für alle, ob hier oder an jedem Ort der ganzen Welt!
Messt die Parteien im Bundestagswahlkampf daran!
Nehmt das Motto unseres Ostermarsches mit und tragt es weiter:
Nein zu Aufrüstung, Waffenexporten und Krieg!
Gerechten Frieden schaffen – weltweit solidarisch!
Danke, dass ihr heute da wart! Danke, dass ihr weiter da sein werdet!
We shall overcome!
"Unter einen Hut"
Lied für und Aufruf zum Bonner Ostermarsch 2021
Refr.: Unter einen Hut,
alle gemeinsam für den Frieden.
Jetzt mit Kraft und Mut
die Weichen neu gestellt.
Sonst geht´s mit mir, mit dir, mit uns
in einen Schlund ohn´ festen Grund!
Die Zukunft braucht Veränderung,
sonst hat ein End´ die Welt.
1. Wer Welt und Menschen liebt,
duldet nicht Elend hinterm Zaun,
reicht Helferhand ins Meer,
den Kranken Medizin.
Bringt Saatgut aus, wo Elend herrscht,
statt auf der Jagd nach Höchstprofit
die Grundlagen des Lebens dort
für immer zu zerstör´n.
Refr: Unter einen Hut...
2. Vom Gletscher rauscht´s herab,
das Land im Meer verschwindet,
wo Wiesen, Felder, Wälder war´n
pfeift oft nur Wüstenwind.
Verloren irrt im Stadtdschungel
der „Herr der Welt“, der Mensch herum.
War all dies das, was ihr gewollt?
Wenn nicht, setzt euch in Trab!
Refr.: Unter einen Hut...
3. Die Frage steht doch: Wer
macht bombiges Atomgeschäft?
Verursacht Elend? Nutzt den Krieg?
Verdient ganz ungeniert?
Zerstörung, Flucht, Entwurzelung,
reicht die Bilanz noch immer nicht?
Es gibt nur eins: mit allem Schluss,
was uns nur ruiniert!
Veränderter Refr.: Unter einen Hut
und dann alles für den Frieden!
Machen wir uns Mut
für die Arbeit Tag für Tag.
Und wer da jetzt noch abseits steht,
dem sagen wir: So läuft das nicht!
Denk´nach,komm´her! Die Weltuhr tickt!
Steh´auf, pack´zu, na wag´s!
Noch einmal 1. Refr.: Unter einen Hut...(
(Ein singbares Manifest) (Mel. Trad.: All around my hat/ Dt. Text: Volker Rohde/ Refr.inspiriert von G.Kern - Oktoberklub)