Großbritannien: Asylbewerber werden nach Ruanda geschickt

19.04.2022 Asylbewerber, die illegal (wie sonst?!) nach Großbritannien kommen, sollen künftig nach Runanda verfrachtet werden, um dort auf die Entscheidung ihres Asylantrages zu warten. Das betrifft z. B. diejenigen, die die lebensgefährliche Einreise über den Ärmelkanal gewagt haben, um zu ihren Familienangehörigen zu gelangen oder sonst die erstrebte Zukunftsperspektive zu erreichen. Wer versuche, "die Warteschlange zu überspringen oder unsere Systeme zu missbrauchen", solle "schnell und auf humane Weise" in einen Drittstaat oder ins Herkunftsland gebracht werden, sagte Johnson laut Bericht von Zeit Online. Heftige Kritik von Menschenrechtsorganisationen rief der Plan hervor, der weiteres Leid schaffen und zugleich zur Verschwendung riesiger Summen Steuergelder führen werde.

Großbritannien folgt mit diesen Plänen Dänemark, das Asylbewerber ebenfalls außerhalb der EU in Drittländern abladen will und dafür 2021 Gefängnisplätze im Kosovo angemietet hatte. Zuvor war auch Ruanda eine Option gewesen.

Hier der Beitrag von Zeit Online:

Großbritannien will Asylbewerber nach Ruanda schicken

Die britische Regierung will künftig Asylbewerber ins afrikanische Ruanda bringen, wo sie auf die Entscheidung über ihren Asylantrag warten sollen. Eine entsprechende Vereinbarung wurde zwischen beiden Ländern getroffen. Oppositionspolitiker und Menschenrechtsorganisationen kritisierten den Plan als nicht umsetzbar und inhuman. Die Regierung in London sprach von einer "wirtschaftlichen Entwicklungspartnerschaft".

Betroffen von den Plänen sind Medienberichten zufolge vor allem alleinreisende Männer, die über den Ärmelkanal nach Großbritannien kommen. Großbritanniens Premierminister Boris Johnson will mit dem Abkommen die illegale Migration über den Ärmelkanal deutlich eindämmen.

Er hatte versprochen, dass Großbritannien nach dem Brexit wieder eigenständig über seine Grenzen und die Zuwanderung bestimmen werde. Zuletzt war die Zahl der Menschen, die illegal ins Land einreisten, aber deutlich gestiegen. 

Johnson: Britische Marine soll illegale Einreisen verhindern

Deshalb soll Johnson zufolge nun die britische Marine dafür sorgen, illegale Einreisen über den Ärmelkanal zu verhindern. Es müsse sichergestellt werden, "dass der einzige Weg zum Asyl im Vereinigten Königreich ein sicherer und legaler ist". Wer versuche, "die Warteschlange zu überspringen oder unsere Systeme zu missbrauchen", solle "schnell und auf humane Weise" in einen Drittstaat oder ins Herkunftsland gebracht werden, sagte Johnson.

Ruanda begrüßte das Abkommen mit Großbritannien. Es sieht britische Zahlungen in Höhe von bis zu 120 Millionen Pfund (144 Millionen Euro) vor. Die Geflüchteten sollen nach Angaben Ruandas "in Gemeinden im ganzen Land integriert werden". Es solle ihnen ermöglicht werden, "sich dauerhaft in Ruanda niederzulassen, wenn sie sich dafür entscheiden".

Simon Hart, der Regierungsminister für Wales, sagte, Ziel sei, das Geschäftsmodell von Menschenschmugglern zu durchbrechen. Wenn es eine Vereinbarung mit der ruandischen Regierung "über die ordentliche und humane Behandlung dieser Leute" gebe, würden die Verbrecherbanden erkennen, dass ihre potenzielle Einkommensquelle austrocknen werde, sagte Hart. Großbritanniens Innenministerin, Priti Patel, ist derzeit in Ruanda. Dort will sie weitere Einzelheiten des Plans vorstellen. 

Kritik von Menschenrechtsorganisationen

Die Labour-Partei nannte die Pläne von Premier Johnson "undurchführbar, unethisch und erpresserisch". Die Organisation Detention Action kritisierte, den nach Ostafrika geschickten Männern drohe "wahrscheinlich eine unbefristete Inhaftierung unter einer Regierung, die für die gewaltsame Verfolgung Andersdenkender berüchtigt ist".

Steve Valdez-Symonds, Flüchtlingsdirektor der britischen Sektion von Amnesty International, sprach von einer "schockierend schlecht durchdachten Idee". Sie werde weiteres Leid schaffen, und zugleich würden riesige Summen Steuergelder verschwendet. Die düstere Menschenrechtsbilanz Ruandas mache die Idee noch schlimmer. Der Leiter der Organisation Flüchtlingsrat mit Sitz in Großbritannien, Enver Solomon, sprach von einer "grausamen und fiesen Entscheidung" und prognostizierte, sie werde Menschenschmuggler nicht aufhalten.

Im vergangenen Jahr gelangten mehr als 28.000 Menschen auf kleinen Booten nach Großbritannien, nach 8.500 im Jahr 2020 und 300 im Jahr 2018. Viele kamen ums Leben. Im November starben 27 Menschen, als ein Flüchtlingsboot unterging.

Dänemark schloss 2021 ähnliches Abkommen

Im vergangenen Sommer hatte bereits Dänemark ähnliche Pläne verkündet. Ein im Juni verabschiedetes Gesetz sieht vor, dass Asylbewerberinnen und -bewerber nach ihrer persönlichen Registrierung an der dänischen Grenze in ein Aufnahmezentrum außerhalb der Europäischen Union gebracht werden. Nur wenige Ausnahmen davon sind vorgesehen, etwa bei schweren Erkrankungen.

Die Pläne stießen damals beim UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und der EU auf Kritik. Mit Ruanda unterzeichnete die dänische Regierung eine Absichtserklärung über die Zusammenarbeit im Bereich Asyl und Migration.