Härte gegen Schutzsuchende statt Humanität

Wir zitieren aus den News von Pro Asyl:

Lampedusa: Härte gegen Schutzsuchende statt Humanität

20.09.2023 Die humanitäre Situation auf Lampedusa spitzt sich zu. Das Leid der Schutzsuchenden ist das vorhersehbare Ergebnis eines politischen Versagens und wird instrumentalisiert, um Zerrbilder der »Überforderung« und des »Kontrollverlusts« zu kreieren. Sie werden aktuell bewusst genutzt, um flüchtlingsfeindlichen Politiken voranzutreiben.

Die Lage auf der italienischen Insel Lampedusa bleibt dramatisch. Vergangene Wochen haben innerhalb von drei Tagen ca. 8.500 Geflüchtete die 20 Quadratkilometer große Insel nach einer lebensgefährlichen Überfahrt über das Mittelmeer erreicht. Obwohl seit vielen Jahren Schutzsuchende in Lampedusa anlanden, sind die Kapazitäten der Aufnahmestrukturen vor Ort nicht aufgestockt worden – das Erstaufnahmelager verfügt über nur 450 Plätze. Seit Jahresbeginn war es fast permanent überfüllt, und phasenweise mit bis zu 6.000 Menschen belegt.

Die menschenunwürdigen Aufnahmebedingungen, wie wir sie aktuell auf Lampedusa sehen, waren daher vorhersehbar. Die PRO ASYL-Partnerorganisation Maldusa berichtet von Missmanagement bei der Unterbringung, Versorgung und den Überstellungen aufs Festland. »Das Gefühl einer Krise entsteht durch das schlechte Management dieser Situation«, bestätigt auch Vincent Cochetel, UNHCR-Sonderbeauftragter für das Mittelmeer.

Politisches Kalkül: Lampedusa als Druckmittel

 

Flavio Di Giacomo, Sprecher der Internationalen Organisation für Migration (IOM), spricht von einer »Krise für die Insel, nicht für Italien«. Die PRO ASYL-Partnerorganisation borderline-europe macht Verwaltungsversagen für die humanitäre Katastrophe und die Mängel im italienischen Aufnahmesystem verantwortlich, mit denen Migrant*innen und Geflüchtete in Italien seit Jahren konfrontiert sind.

Die Vermutung liegt nahe, dass die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni kein Interesse daran hat, die Aufnahmesituation in Italien zu verbessern. Denn die aktuelle Situation auf Lampedusa lässt sich gut instrumentalisieren, um die EU unter Druck zu setzen. Melonis Ziel: Die sofortige Umsetzung des von ihr vorangetriebenen und am 16. Juli beschlossenen EU-Tunesien-Deals, um Ankünfte in Italien zu verhindern. Seit der aufmerksamkeitsheischenden Unterzeichnung vor zwei Monaten ist das Abkommen weiterhin nicht in Kraft, Gelder an Tunesien sind noch keine geflossen und die Ankünfte in Italien nehmen weiter zu.

Dabei hatte Meloni im Wahlkampf versprochen, Ankünfte in Italien durch eine Seeblockade durch die Marine zu beenden. Innenpolitisch unter Druck forderte sie am Wochenende einen EU-Einsatz zur Blockade der Mittelmeerroute, um Menschen an der Überquerung zu hindern. Ein solches Abfangen von Schutzsuchenden wäre ein klarer Verstoß gegen Völkerrecht.

Der EUobserver berichtet, dass die Europäische Kommission nicht ausschließt, über eine Seeblockade zu diskutieren, um Migrant*innen und Flüchtlinge von der Flucht aus nordafrikanischen Ländern wie Tunesien abzuhalten. »Wir haben unsere Unterstützung für die Erkundung dieser Möglichkeiten ausgedrückt«, so ein Sprecher der Europäischen Kommission am 18. September.

In Deutschland überbieten sich politisch Verantwortliche derweil mit menschenfeindlichen Forderungen und realitätsfernen Abwehr-Fantasien.

Deutschland: Entgrenzte Debatten 

In Deutschland überbieten sich politisch Verantwortliche derweil mit menschenfeindlichen Forderungen und realitätsfernen Abwehr-Fantasien. Während Bayerns Ministerpräsident Markus Söder im Wahlkampfendspurt die populistische Leier der Obergrenze im vermeintlich neuen Gewand der »Integrationsobergrenze« anstimmt, fordert Ex-Bundespräsident Joachim Gauck weniger »Furcht vor einer brutal klingenden Politik, etwa der Abschottung oder Eingrenzung».

Innenministerin Faeser hat Ende August beschlossen, die Aufnahme aus Italien über den EU-Solidaritätsmechanismus auszusetzen – ein fatales Signal, zumal die geringe Anzahl von 3.500 Menschen, die im Rahmen der Relocation in Deutschland aufgenommen werden sollen, um hier ihr Asylverfahren zu durchlaufen, ohnehin eher symbolischer Art sind. Die Bundesregierung sollte sich umgehend wieder an dem Mechanismus beteiligen und sich mit Nachdruck für dessen Ausweitung einsetzen. So sieht Solidarität mit Menschen auf der Flucht, aber auch mit Staaten an den EU-Außengrenzen aus.

80 Organisationen mahnen humane Flüchtlingspolitik an

In der gemeinsamen Erklärung »Ankünfte auf Lampedusa. Solidarität und Widerstand angesichts der europäischen Aufnahmekrise!» zeigten sich am Montag PRO ASYL und 80 Organisationen aus Europa und Afrika, darunter auch die in Lampedusa ansässige PRO ASYL-Partnerorganisation Maldusa, tief besorgt angesichts der aktuellen Entwicklungen. Sie bekräftigen ihre Solidarität mit den Menschen, die in Europa Schutz suchen. Das zivilgesellschaftliche Bündnis fordert die EU-Mitgliedsstaaten auf, sichere und legale Fluchtwege zu ermöglichen, für menschenwürdige Aufnahmebedingungen zu sorgen, internationale Gesetze zu achten und das Recht auf Asyl zu schützen.

(hk/mz)