Im Bundestag: »Turbo-Einbürgerung« abgeschafft und erste Debatte um Asylrechtsverschärfungen in GEAS-Anpassung

11.10.2025 Am Mittwoch fand die Abschaffung der kaum genutzten »Turbo-Einbürgerung« die Mehrheit. Am Donnerstag wurde in erster Lesung von allen Fraktionen der Gesetzentwurf zur Anpassung an die EU-Asylrechtsreform beurteilt. Dazu verschiedene Texte:

Innenminister Dobrindt pocht auf einen Migrationskurs der Härte. Die Umsetzung der EU-Asylreform will er nutzen, um mehr Haft-Möglichkeiten einzuführen - auch für Kinder. Das kritisiert die Opposition. Die SPD windet sich. ...

Schwarz-Rot schafft »Turbo-Einbürgerung« ab und bringt neue Asylrechtsverschärfungen auf den Weg

 

Im Folgenden die Texte im Wortlaut:

Der Bundestag hat am Donnerstag, 9. Oktober 2025, in erster Lesung den Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Anpassung des nationalen Rechts an die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems“ (GEAS-Anpassungsgesetz, 21/1848) beraten. Nach einstündiger Debatte wurde der Entwurf zur federführenden Beratung in den Innenausschuss überwiesen.

Ebenfalls in erster Lesung beraten wurde der Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Änderung des AZRG und weiterer Gesetze in Folge der Anpassung des nationalen Rechts an das Gemeinsame Europäische Asylsystem“ (GEAS-Anpassungsfolgegesetz, 21/1850). Auch hier ist der Innenausschuss federführend. 

Die EU-Asylreform sieht unter anderem einheitliche Asylverfahren an den EU-Außengrenzen vor mit dem Ziel, Migranten gegebenenfalls direkt von dort abschieben zu können. Außerdem soll das bisherige sogenannte Dublin-Verfahren geändert werden, das regelt, welcher Mitgliedstaat für das Asylverfahren eines Schutzsuchenden zuständig ist.

Minister: Migrationswende in Europa durchsetzen

Während die Vertreter der Regierungskoalition die Neuregelung verteidigten, kritisierte die AfD die GEAS-Reform als „hohlen Popanz“; Grüne und Linke beklagten dagegen massive Asylrechtsverschärfungen zu Lasten Schutzsuchender.

In der scharf geführten Debatte sagte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU), GEAS sei die „Grundlage, um die Migrationswende in Europa durchzusetzen“. Bei der Reform gehe es darum, ein neues „Gleichgewicht aus Humanität, Solidarität und Ordnung“ zu schaffen. Das bedeute, die Lasten gerecht in Europa zu verteilen. 

Als „drei große Elemente“ des GEAS nannte Dobrindt, dass die EU-Außengrenzen gesichert und Asylverfahren dort durchgeführt werden, dass Sekundärmigration unterbunden wird und dann die Solidarität wirksam werde, die Staaten an den EU-Außengrenzen nicht dabei alleine zu lassen, die Asylverfahren abzuarbeiten.  

„Rahmenbedingungen für Return-Hubs schaffen

Vorgesehen sei auch, in Deutschland „Sekundärmigrationszentren“ einzurichten, aus denen Betroffene, für die die Bundesrepublik nicht zuständig sei, in die EU-Staaten mit entsprechender Zuständigkeit zurückgeführt werden können, betonte der Minister. Dazu gehöre auch, „Wohnsitz- und Aufenthaltspflichten“ zu verhängen. In diesen Zentren solle es die Möglichkeit geben, in das zuständige Land auszureisen, „aber nicht, sich frei in Deutschland zu bewegen“.

Zusammen mit anderen EU-Staaten sei Deutschland derzeit dabei, das Europäische Asylsystem weiter zu „schärfen“, fügte der Ressortchef hinzu und plädierte für sogenannte „Return-Hubs“, also „Rückkehrzentren für abgelehnte Asylbewerber“, die nicht in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden könnten, aber „in heimatnahe Regionen“. Hierzu müssten im neuen GEAS auch die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Einrichtung solcher Return-Hubs geschaffen werden.

AfD: Maßnahmen vollkommen wirkungslos

Dr. Bernd Baumann (AfD) beklagte eine „massenhafte illegale Einwanderung“ als „das zentrale Problem“ Deutschlands. Die Mehrheit der Deutschen fühle sich „überfremdet im eigenen Land“. Mit der GEAS-Reform lege die Bundesregierung „ihren zentralen Baustein für eine angebliche Begrenzung der Migration“ vor, doch sei GEAS „vollkommen wirkungslos“ und die ganze Reform „reine Makulatur“. 

Auf der Ebene der Europäischen Union sei über GEAS „von der links-grünen Ampel“ verhandelt worden, die die Migration nicht habe begrenzen wollen. Diese Politik setzten CDU und CSU nun fort und „verkaufen das noch als Migrationswende“.  GEAS verteile die Migranten „per Zwangsquoten auf die Mitgliedsstaaten“, die sie „unbegrenzt“ aufnehmen oder „horrende Strafen zahlen“ müssten.

Migrationsbeauftragte: Nicht das Ende des Flüchtlingsschutzes

Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Natalie Pawlik (SPD), sagte, auch wenn mit der GEAS-Reform der „Weg zu mehr Steuerung“ genommen werde, sei dies nicht das Ende des internationalen Flüchtlingsschutzes. Bei den Verhandlungen über die Regierungsvorlagen sei der SPD unter anderem wichtig gewesen, dass die Einrichtung von Sekundärmigrationszentren „eine Option und keine Pflicht für die Bundesländer“ seien. 

Pawlik betonte zugleich, Kritik aus der Zivilgesellschaft an den Gesetzentwürfen ernst zu nehmen. Es werde Regelungen geben, „die an die Grenze dessen gehen, was das Grundgesetz, die EU-Grundrechtecharta und die Genfer Flüchtlingskonvention zulassen“. Diese blieben aber „unser Kompass“.

Grüne: Frontalangriff auf Schutzsuchende

Dr. Irene Mihalic (Bündnis 90/Die Grünen) warf der Bundesregierung einen „Frontalangriff auf Schutzsuchende“ vor. Die geplanten Sekundärmigrationszentren dienten keinen anderen Zweck, „als Menschen de facto zu inhaftieren“. Auch sollten nach den Regierungsplänen Asylsuchende spätestens zwei Wochen, nachdem die Zuständigkeit eines anderen EU-Staates für ihr Verfahren feststeht, von allen Leistungen ausgeschlossen werden. 

In diesem Zeitraum wolle die Regierung „aber nicht dafür sorgen, dass diese Menschen den zuständigen Staat auch praktisch erreichen können“. Man könne ihnen jedoch nicht Nahrung und Unterkunft verweigern, wenn nicht die Möglichkeit eines Transfers in das zuständige Land garantiert sei.  

Linke beklagt „faktische Haftbedingungen“

Clara Bünger (Die Linke) kritisierte, die GEAS-Reform sehe beschleunigte Asylverfahren direkt an der Grenze vor, „oft unter faktischen Haftbedingungen, mit eingeschränktem Rechtsschutz und kaum Zugang zu Rechtsberatung“. Dies habe mit Asylrecht nichts mehr zu tun. Menschen, die vor Krieg fliehen, sollten eingesperrt werden, „obwohl sie nichts gemacht haben, außer einen Asylantrag zu stellen“. 

Auch in Deutschland werde „Haft künftig zum Normalfall im Asylverfahren“. Hinter den von der Koalition geplanten Aufnahmeeinrichtungen für Sekundärmigration verberge sich „nichts anderes als ein neues System geschlossener Lager“, in denen bereits in einem anderen EU-Staat registrierte Menschen „vollkommen isoliert“ untergebracht werden sollten. Dies gehe weit über die GEAS-Vorgaben hinaus.  

Union erwartet Sekundärmigrationszentren in allen Ländern

Alexander Throm (CDU/CSU) äußerte die Erwartung, dass alle Bundesländer künftig Sekundärmigrationszentren einrichten. Wenn die Bundesregierung diese Möglichkeit schaffe, „dann müssen die Länder diese auch entsprechend nutzen“, sagte Throm. 

Auch werde man ausreisepflichtigen Personen, für deren Asylverfahren Deutschland nicht zuständig sei, die Sozialleistungen entsprechend kürzen. Wenn feststehe, dass Deutschland für ein Verfahren nicht zuständig sei, stehe es jedem „Dublin-Flüchtling“ frei, die Bundesrepublik „freiwillig in das für ihn zuständige Land zu verlassen“.

SPD: Ordnung und Humanität

Sonja Eichwede (SPD) betonte, mit der Reform werde ein „wichtiger Schritt für mehr Ordnung und Humanität“ umgesetzt und klar geregelt, welcher Mitgliedsstaat die Zuständigkeit für das jeweilige Asylverfahren trägt. Durch ein verbessertes Screening an den Außengrenzen würden Schutzsuchende erfasst, wodurch besser nachzuvollziehen sei, wo Personen bereits registriert wurden und welches Land zuständig ist. 

So komme man zu einer gerechteren Steuerung und weniger Sekundärmigration, was zu einer Entlastung der Binnengrenzen führen werde. Funktioniere alles, könnten damit auch die Grenzkontrollen in Deutschland wieder entfallen. 

Erster Gesetzentwurf der Bundesregierung 

Das GEAS-Anpassungsgesetz zielt darauf ab, das nationale Recht an die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) anzupassen und umfasst wesentliche Änderungen im Asyl- und Aufenthaltsrecht. Das GEAS sei die Grundlage, um Migration insgesamt zu steuern und zu ordnen, humanitäre Standards für Geflüchtete zu schützen und irreguläre Migration zu begrenzen, schreibt die Regierung. 

Von der ausgewogenen Balance aus Verantwortung und Solidarität werde Deutschland als Zielstaat von irregulärer Sekundärmigration deutlich profitieren. 

„Klarheit und Rechtssicherheit schaffen“

Die Anpassungen des Europäischen Rechts haben nach Angaben der Bundesregierung weitreichende Auswirkungen auf die Praxis; dort seien die Verfahren den neuen Vorgaben anzupassen. Um der Verwaltungspraxis in Bund, Ländern und Kommunen für die konkrete Umsetzung möglichst frühzeitig Klarheit und Rechtssicherheit zu verschaffen und Zeit für die operativen Vorkehrungen zu belassen, sei die Verabschiedung der Anpassung des nationalen Rechts an die GEAS-Reform bereits deutlich vor der Anwendbarkeit der Rechtsakte erforderlich.

Aufgrund des EU-rechtlichen Verbots, Vorschriften aus Verordnungen im nationalen Recht zu wiederholen (Wiederholungsverbot), müssten entsprechende Regelungen in bestehenden Gesetzen gestrichen werden. Die GEAS-Rechtsakte würden zahlreiche Regelungen vorsehen, die von den Mitgliedstaaten gesetzlich ausgefüllt werden müssen. 

Ebenso müssten Zuständigkeiten gesetzlich geregelt werden. Als Zielstaat irregulärer Sekundärmigration seien für Deutschland insbesondere die umfassende Registrierung nach der Eurodac-Verordnung sowie funktionierende Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats wichtig

Zweiter Gesetzentwurf der Bundesregierung 

Zur Anpassung des nationalen Rechts in der Zuständigkeit des Bundes an die Vorgaben der GEAS-Reform sind dem Entwurf zufolge insbesondere das AZR-Gesetz (Ausländerzentralregistergesetz) sowie die AZRG-Durchführungsverordnung anzupassen. Auch weitere Gesetze seien vom Änderungsbedarf betroffen. 

So werde sichergestellt, dass zum einen die nationalen leistungsrechtlichen Regelungen den Vorgaben der EU-Rechtsakte entsprechen und dass zum anderen die Änderungen von Begrifflichkeiten und Verfahren sowie die Anpassung von Zuständigkeiten durch die GEAS-Reform im Ausländerzentralregister abgebildet werden. (sto/hau/ste/09.10.2025)

 

  • DW 08.10.2025 Deutschland schafft schnellere Einbürgerung ab

    Seit 2024 konnte man unter bestimmten Bedingungen schon nach drei Jahren den deutschen Pass bekommen. Nun wurde die sogenannte Turboeinbürgerung gestrichen. Innenminister Alexander Dobrindt freut sich.

Wer als Ausländerin oder Ausländer schon eine Weile in Deutschland lebt und gerne eingebürgert werden will, musste bis Juni 2024 sehr viel Geduld haben: mindestens acht Jahre. Diese lange Wartezeit wurde von der damaligen Regierung aus Sozialdemokraten (SPD), Grünen und Freien Demokraten (FDP) deutlich verkürzt: "Eine Einbürgerung soll in der Regel nach fünf Jahren möglich sein, bei besonderen Integrationsleistungen nach drei Jahren", hieß es dazu im Koalitionsvertrag.

Die doppelte Staatsbürgerschaft bleibt weiter möglich

Das Versprechen wurde eingelöst, aber an Bedingungen geknüpft: Um den deutschen Pass schnellstmöglich zu bekommen, muss man über ein ausreichendes eigenes Einkommen verfügen, gut Deutsch sprechen und sich gesellschaftlich engagieren – zum Beispiel bei der Freiwilligen Feuerwehr. Diese sogenannte Turboeinbürgerung nach drei Jahren wurde nun aber von der seit Mai 2025 amtierenden Koalition aus konservativen Unionsparteien (CDU/CSU) und SPD gestrichen.

Mit dieser Änderung lässt auch die von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) angeführte Regierung den Worten aus ihrem Koalitionsvertrag Taten folgen, betont aber zugleich: "Darüber hinaus halten wir an der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts fest." Das bedeutet: Einbürgerung frühestens nach fünf Jahren. Erhalten bleibt auch die Möglichkeit, zwei Pässe zu haben – also die doppelte Staatsbürgerschaft.

"Natürlich ist die Einbürgerung ein bedeutender Faktor"

Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) zeigte sich mit dem Ergebnis der von ihm maßgeblich initiierten Änderung schon zufrieden, als sie noch gar nicht beschlossen war: während der ersten Debatte über die geplante Gesetzesnovelle Ende Juni im Bundestag. Bei dieser Gelegenheit lobte er den Wunsch vieler Migrantinnen und Migranten, Deutsche werden zu wollen: "Natürlich ist die Einbürgerung ein bedeutender Faktor für den Zusammenhalt in einem Land", sagte er zu Beginn seiner Rede.

Doch dann tadelte er die "Turboeinbürgerung" als falschen Anreiz, der im Ausland als Pull-Effekt wahrgenommen worden sei. Dieser Begriff ist in der Werbung weit verbreitet und bedeutet, Kaufanreize für ein angepriesenes Produkt zu setzen. Dobrindt ging es aber auch um die von ihm wahrgenommene Wirkung in Deutschland: "Nach innen war es ein falscher Anreiz, weil es gegenüber der Bevölkerung den Eindruck erweckt hat, als würde der deutsche Pass in einer Art Sonderangebot vergeben werden."

"Wie lange muss man in Deutschland gelebt haben?"

Jannes Jacobsen vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) in Berlin hält die Begründung des Innenministers für reine Symbolpolitik. Dahinter stecke die Frage: "Wie lange muss man in Deutschland gelebt haben, bis man Deutscher mit Pass werden darf?" Das sei ein "Kulturkampf", sagt der Experte im DW-Interview. 

Grundsätzlich wird sich nach Jacobsens Einschätzung durch die erneute Reform des Staatsangehörigkeitsrechts aber nur wenig ändern: "Kern der Einbürgerungsreform war die Verkürzung der Wartezeit auf fünf Jahre, den lässt die neue Koalition bestehen." Tatsächlich habe die Vorgängerregierung die Hürden qualitativ sogar nach oben gesetzt, betont der Migrationsforscher.

    

Schwarz-Rot schafft »Turbo-Einbürgerung« ab und bringt neue Asylrechtsverschärfungen auf den Weg

Was der Bundestag am Mittwochabend beschlossen hat, war im Grunde genommen eher Symbolpolitik: die Abschaffung der Möglichkeit einer schnelleren Einbürgerung von Migranten. Damit wird eine von der Vorgängerregierung von SPD, Grünen und FDP beschlossene Regelung schon ein Jahr nach ihrem Inkrafttreten wieder kassiert. Diese sah ohnehin nur für wenige, »besonders gut integrierte« Einwanderer den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft bereits nach drei Jahren vor.

Künftig dürfen Menschen die deutsche Staatsbürgerschaft wieder ohne Ausnahme erst nach fünf Jahren in Deutschland beantragen. Dafür stimmten 450 bzw 77 Prozent der anwesenden Abgeordneten. Die Koalition von Union und SPD kommt zusammen auf insgesamt 328 Abgeordnete. Grüne und Linke dürften geschlossen dagegen gestimmt haben.

Die Union hatte suggeriert, mit der »Turbo-Einbürgerung« werde diese »zum Schleuderpreis« vergeben. Das hat nichts mit der Realität zu tun, denn die Hürden sind so hoch, dass sie kaum jemand erfüllen könne, sagte zum Beispiel Mohammad Alabbadi, Leiter der Einbürgerungsbehörde Neumünster, dem NDR. Die Anwärter müssten sehr gut Deutsch sprechen, ihren Lebensunterhalt unabhängig bestreiten und sich darüber ehrenamtlich engagieren. Daher machen solche Fälle in Ländern wie Schleswig-Holstein nur ein bis zwei Prozent aller Einbürgerungen aus. Und sie betreffen fast ausschließlich gut verdienende Hochqualifizierte wie Ärzte.

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Alexander Throm (CDU), erklärte am Mittwoch, mit der Gesetzesänderung korrigiere man »einen zentralen Fehler der Ampel-Regierung«. Die Einbürgerung müsse »am Ende eines gelungenen Integrationsprozesses stehen«. Drei Jahre seien dafür zu kurz. Throms Fraktionskollegin Cornell-Anette Babendererde (CDU), befand, man gebe »dem deutschen Pass heute den Wert zurück, den er verdient«. Es gebe nämlich »leider auch schwarze Schafe, die sich mit falschen Sprachzertifikaten die Staatsangehörigkeit erschleichen wollen«.

Derweil kam scharfe Kritik von den Grünen und der Linken – aber auch von Martin Werding, Mitglied des Sachverständigenrates für wirtschaftliche Entwicklung. Solche Einbürgerungsmöglichkeiten gehörten zu einer guten Zuwanderungspolitik, vor allem in alternden Gesellschaften, sagte er am Mittwoch im RBB24-Inforadio. Die Koalition denke nicht an die Erwerbsmigranten, die »bei Fachkräftemangel enorm hilfreich« seien. Ohnehin seien die Ziele der Regelung verfehlt worden, mit der man gut ausgebildete und ehrgeizige Erwerbsmigranten habe anziehen wollen. Die Hürden seien aber auch für sie sehr hoch gewesen.

Derweil wird der Bundestag an diesem Donnerstag über die Umsetzung der Verschärfungen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (Geas) in deutsches Recht beraten. In Arbeit ist auch ein Gesetzentwurf zur Bestimmung sogenannter sicherer Herkunftsstaaten durch einfache, von der Bundesregierung erlassene Rechtsverordnung einerseits und zur Abschaffung des anwaltlichen Pflichtbeistandes für Menschen in Abschiebehaft andererseits. Diese Pläne hatten zahlreiche Experten am Montag in einer Anhörung des Innenausschusses des Bundestages bereits als rechtswidrig eingestuft.

Am Mittwoch ließ die Bundestagsfraktion der Grünen ihrerseits Fachleute zu Wort kommen, deren Einschätzungen in dieselbe Richtung gehen. Filiz Polat, Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, erinnerte an den sogenannten Asylkompromiss von 1993, mit dem das Grundrecht auf Asyl im Grundgesetz bereits stark eingeschränkt wurde. Aus jener Zeit rühre das »Konzept der sicheren Herkunftsstaaten«, ausformuliert im neuen Artikel 16a des Grundgesetzes. Damals sei aber die Entscheidung über sichere Herkunftsstaaten Bundestag und Bundesrat zugewiesen worden, um die Beteiligung der Bundesländer und Oppositionsparteien zu sichern, so Polat.

Thorsten Kingreen, Professor für öffentliches Recht, Sozialrecht und Gesundheitsrecht an der Uni Regensburg, unterstützte Polats Auffassung, dass eine Festlegung solcher Staaten ohne Befassung des Parlaments und des Bundesrates damit nicht verfassungskonform sei. Beschließt die schwarz-rote Koalition die Neuregelung dennoch, so sei eine Verfassungsklage dagegen erfolgversprechend, so seine Einschätzung. Helge Limburg, rechtspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, betonte indes: »Unser Hauptziel ist es, die Koalition auf den Pfad der rechtsstaatlichen Tugend zurückzuführen.«

Limburg kritisierte auch die geplante Abschaffung des Pflichtbeistands in Ausreise- und Abschiebegewahrsam deutlich. Asylverfahren würden durch den Verzicht darauf nicht beschleunigt, im Gegenteil. Anwälte könnten Gerichten Arbeit bei der juristischen wie sprachlichen »Übersetzung« von Verfahrensinhalten gegenüber den Betroffenen abnehmen.

Jara Al-Ali, Hannah Franz und Lina Marie Tietze von der Uni Hamburg stellten erste Ergebnisse zu einer Studie zum Pflichtanwalt in Abschiebungshaft vor. Sie betonten am Mittwoch, dass Menschen, die keine Straftat begangen haben, bis zu 18 Monate lang ihrer Freiheit beraubt werden dürfen. Mithin sei ein Verfahrensbeistand rechtlich zwingend. Notwendig sei das auch angesichts der enormen Zahl der Rechtsfehler bei Bescheiden, die eine Abschiebehaft verfügten, so Limburg. Dies betreffe mehr als 60 Prozent der Bescheide.

Freilich haben die Grünen in der Ampel mit dem Rückführungsverbesserungsgesetz die Möglichkeiten zur Ausweitung der Abschiebehaft auf 18 Monate mitbeschlossen. Ein Rechtsbeistand in Abschiebehaft ist nicht für Widersprüche gegen negative Asylbescheide zuständig, sondern kann lediglich die Abschiebehaft anfechten.