Innenministerium beantwortet Frage nach der Schutzquote: Zwei Drittel aller Asylanträge im Vorjahr angenommen

15.07.2024 Die statistischen Angaben des BAMF für 2023 sind der Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Gruppe der Linken im Bundestag zu entnehmen. Diese wurden in einem Beitrag des nd ausgewertet, den wir zitieren.

Vorweg Stichworte daraus:

Die sogenannten bereinigte Schutzquote lag im vergangenen Jahr bei 68,6 Prozent und in den ersten vier Monaten des laufenden Jahres bei 63,5 Prozent. 2022 verzeichnete die Quote mit 72,3 Prozent ihren Höchststand.

Besonders hoch war die Anerkennungsquote mit 99,9 Prozent für Flüchtlinge aus dem Hauptherkunftsland Syrien. Von Januar bis April 2024 erreichte sie sogar 100 Prozent. Bei Menschen aus dem zweiten Hauptherkunftsland Afghanistan wurden 98,7 Prozent und zuletzt 97,1 Prozent der Anträge positiv entschieden. Bei Asylbewerbern aus dem dritten Hauptherkunftsland Türkei lag dieser Wert im vergangenen Jahr nur bei 17,8 Prozent.

Sehr hoch ist die derzeitige Schutzquote auch bei Geflüchteten aus Somalia (90,8 Prozent) und Eritrea (84,8 Prozent). Für Geflüchtete aus dem Iran lag sie zuletzt nur noch bei 39,5 Prozent. Bei Asylsuchenden aus der Russischen Föderation sank die Anerkennungsquote im April 2024 auf nur noch 11,7 Prozent.

Viele ablehnende Entscheidungen werden jedoch im Nachhinein aufgrund geänderter Umstände oder von Gerichten korrigiert. ... Jeder vierte gerichtlich überprüfte ablehnende Bescheid wurde laut der Antwort als rechtswidrig anerkannt, beim Herkunftsland Iran lag diese Fehlerquote sogar bei über der Hälfte.

Die Schutzquote bei Asylsuchenden ohne Papiere war 2023 fast genauso hoch (67,7 Prozent) wie im allgemeinen Durchschnitt (68,6 Prozent).

»Wir brauchen dringend mehr Sachverstand in der Asyldebatte«, sagt die Linke-Politikerin Bünger... Permanente Debatten über eine Begrenzung der Fluchtmigration führten zur Verhetzung der Gesellschaft und zu Menschenrechtsverletzungen gegenüber Schutzsuchenden. »Die vielen Gründe, die Menschen weltweit in die Flucht treiben, müssen politisch angegangen werden, dazu gibt es menschenrechtlich keine Alternative«.

Jetzt im Wortlaut:

 

Zwei Drittel aller Asylanträge, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) im Jahr 2023 inhaltlich prüfte, wurden angenommen. Besonders hoch war die Anerkennungsquote mit 99,9 Prozent für Flüchtlinge aus dem Hauptherkunftsland Syrien. Von Januar bis April 2024 erreichte sie sogar 100 Prozent. Bei Menschen aus dem zweiten Hauptherkunftsland Afghanistan wurden 98,7 Prozent und zuletzt 97,1 Prozent der Anträge positiv entschieden. Bei Asylbewerbern aus dem dritten Hauptherkunftsland Türkei lag dieser Wert im vergangenen Jahr nur bei 17,8 Prozent.

Die Angaben stammen aus einer noch unveröffentlichten Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Clara Bünger. Die Linke-Politikerin erkundigte sich nach der sogenannten bereinigten Schutzquote. Diese lag im vergangenen Jahr bei 68,6 Prozent und in den ersten vier Monaten des laufenden Jahres bei 63,5 Prozent. 2022 verzeichnete die Quote mit 72,3 Prozent ihren Höchststand.

Sehr hoch ist die derzeitige Schutzquote auch bei Geflüchteten aus Somalia (90,8 Prozent) und Eritrea (84,8 Prozent). Für Geflüchtete aus dem Iran lag sie zuletzt nur noch bei 39,5 Prozent. Bei Asylsuchenden aus der Russischen Föderation sank die Anerkennungsquote im April 2024 auf nur noch 11,7 Prozent. Ähnlich niedrig liegen die positiven Asylentscheidungen für das als »sicherer Herkunftsstaat« diskutierte Marokko. Für den als »sicher« deklarierten Herkunftsstaat Senegal lag die »bereinigte Schutzquote« 2023 bei 18,9 Prozent, inzwischen liegt sie nur noch bei 4,8 Prozent.

Nach Angaben des Bamf hatten 2023 in Deutschland 329 120 Menschen erstmals einen Asylantrag gestellt. Im ersten Quartal dieses Jahres wurden 65 419 Erstanträge gestellt, rund 19 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.

Etwa die Hälfte der Geflüchteten kommt ohne gültige Identitätspapiere nach Deutschland: 2023 waren es laut der Antwort fast die Hälfte aller Asylantragssteller, im ersten Drittel 2024 sogar 56,4 Prozent. Besonders Menschen aus Ländern wie Guinea, Somalia und Pakistan hatten oft keine Dokumente vorzuweisen – viele besaßen nie welche. Auf die Entscheidung über die Schutzbedürftigkeit hat dies offenbar kaum Einfluss: Die Schutzquote bei Asylsuchenden ohne Papiere war 2023 fast genauso hoch (67,7 Prozent) wie im allgemeinen Durchschnitt (68,6 Prozent).

Viele ablehnende Entscheidungen werden jedoch im Nachhinein aufgrund geänderter Umstände oder von Gerichten korrigiert. Diese Zahlen kommen zu der »bereinigten Schutzquote« hinzu. Jeder vierte gerichtlich überprüfte ablehnende Bescheid wurde laut der Antwort als rechtswidrig anerkannt, beim Herkunftsland Iran lag diese Fehlerquote sogar bei über der Hälfte.

Ein durchschnittliches Asylklageverfahren dauert dem Innenministerium zufolge derzeit im Schnitt 17,6 Monate (2023: 20,7 Monate). Eilanträge – etwa zu Dublin-Bescheiden, denen zufolge ein anderer Staat für das Asylverfahren zuständig ist, oder nach einer Ablehnung als angeblich unbegründet – werden von den Gerichten sogar nach etwa einem Monat entschieden.

Eilanträge gegen Dublin-Bescheide hatten trotz hoher Anforderungen im vergangenen Jahr in rund einem Drittel aller Fälle Erfolg. Für die übrigen Anträge lag die Quote erfolgreicher Eilanträge in diesem Zeitraum im Durchschnitt bei rund einem Viertel. Die verloren gegangenen Asylgerichtsverfahren schlagen beim Bamf mit 17,8 Millionen Euro zu Buche – vor allem durch die Übernahme der Kosten für rechtsanwaltliche Vertretungen der Asylsuchenden.

Unter den abgelehnten Schutzsuchenden, die 2023 nach einer Klage doch noch einen Schutzstatus erhielten, stechen vor allem Anordnungen der Gerichte für Menschen aus dem Iran und Afghanistan hervor. Von diesem Durchschnitt weicht jedoch das Verwaltungsgericht in Gera stark ab. Diese Ablehnungshaltung könnte in der politisch rechten Einstellung einzelner Richter begründet sein. Bekannt wurde dies zuletzt vom Richter Bengt Fuchs, der deshalb in eine andere Kammer versetzt wurde. Aus den Zahlen der Bünger-Anfrage geht hervor, dass auch 2023 am Verwaltungsgericht Gera keine einzige positive Asylentscheidung getroffen wurde. Statistisch gesehen hätte es bei der sonst üblichen Aufhebungsquote dort vier Anerkennungen geben müssen.

»Wir brauchen dringend mehr Sachverstand in der Asyldebatte«, sagt die Linke-Politikerin Bünger »nd«. Permanente Debatten über eine Begrenzung der Fluchtmigration führten zur Verhetzung der Gesellschaft und zu Menschenrechtsverletzungen gegenüber Schutzsuchenden. »Die vielen Gründe, die Menschen weltweit in die Flucht treiben, müssen politisch angegangen werden, dazu gibt es menschenrechtlich keine Alternative«, so die Bundestagsabgeordnete.

Bei Asylsuchenden aus der Russischen Föderation ist die Anerkennungsquote im April 2024 auf nur noch 11,7 Prozent gesunken.