Jahresbericht Sachverständige: Statt Turbo in der Gesetzgebung ein Praxischeck gefordert

15.05.2025 Das Jahresgutachten des Sachverständigenrates für Integration und Migration erzeugt Schlagzeilen zwischen "zu hohes Tempo" und "schleppende Umsetzung". Wir zitieren:

Qualität statt Quantität in der Gesetzgebung: Auf diesen Punkt kann die Kritik des Sachverständigenrates für Integration und Migration gebracht werden, die er in seinem Jahresbericht formuliert hat. Das ist aber nicht der einzige Kritikpunkt.

Der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) fordert effizientere Verwaltungsabläufe in Ausländerbehörden. Zuständigkeiten sollten künftig auf Bundesebene konzentriert und Arbeitgeber etwa bei der Anerkennung von Berufserfahrungen stärker beteiligt werden, sagte der Vorsitzende Winfried Kluth am Dienstag in Berlin bei der Vorstellung des Jahresgutachtens des Sachverständigenrates.

Zugleich sollten Gesetze und Maßnahmen regelmäßig evaluiert werden. In den vergangenen Jahren seien Gesetze „teilweise in schneller Folge geändert“ worden. Dies sei für die „ohnehin stark belasteten Verwaltungen eine Herausforderung“. Die Umsetzung von Gesetzen könne mit dem Tempo der Rechtsetzung „oft nicht Schritt halten“, sagte der Juraprofessor von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. 

... weiter für Abonnent*innen

 

Zu viele neue Gesetze überfordern Ausländerbehörden und Betriebe. Das stellt der Sachverständigenrat für Integration und Migration fest. Die Experten fordern einen Praxischeck.

Überlange Wartezeiten, abgeschreckte Fachkräfte aus dem Ausland, dazu frustrierte Mitarbeiter der Ausländerbehörden: Das alles sei "weit vom Leitbild der guten Verwaltung entfernt", konstatiert der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR).

Migration: Zu schnell zu viele Gesetze

In den vergangenen Jahren wurden sehr viele Gesetze in schneller Folge geändert, etwa um ausländische Fachkräfte leichter in den deutschen Arbeitsmarkt zu bringen. Die neuen Vorschriften und Verordnungen überforderten aber häufig Ausländerbehörden und Betriebe, weil es ihnen an Praxistauglichkeit fehle.

Raus aus dem Gesetzgebungsturbo, heißt es jetzt: "Schnelligkeit ist nicht alles", sagt der SRV-Vorsitzende Winfried Kluth. Bei Gesetzesvorhaben müsse künftig besser bedacht werden, wie sie vor Ort umgesetzt werden können.

Behörden stehen unter hohem Erwartungsdruck

Wenn Gesetzesänderungen an der ohnehin schon überlasteten Verwaltung scheitern, habe das Folgen: Da sind die Betroffenen selbst, für die Behördenentscheidungen oft existenziell sind, etwa bei Aufenthalts- oder Arbeitsgenehmigungen. Zudem gehe es auch um das Vertrauen in den Staat, denn gerade in der Migrations- und Integrationspolitik gebe es hohen Erwartungsdruck, sagt Kluth.

"Bürgerinnen und Bürger messen die Reaktionsfähigkeit von Politik nicht daran, ob der Bund schnell neue Gesetze erlässt, sondern ob diese auch wirken." Winfried Kluth, Vorsitzender Sachverständigenrat

Die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten gehe schleppend voran, genau wie Rückführungen derer, die kein Aufenthaltsrecht haben.

Praxischeck für Gesetze

Der neuen schwarz-roten Regierung empfiehlt der Sachverständigenrat künftig einen Praxischeck für Gesetze. Mit dabei sollten die Menschen sein, die Vorschriften anwenden müssten, also etwa Mitarbeiter einer örtlichen Ausländerbehörde. Die wüssten oftmals besser als der Berliner Ministerialbeamte, wie sich ein geändertes Gesetz im Alltag auswirke.

"Mehr Mut zur Vereinfachung" fordert die stellvertretende SVR-Vorsitzende Birgit Glorius. Deutschland brauche nicht immer mehr Gesetze, sondern eine bessere Umsetzung. Seit der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts gebe es etwa mehr Einbürgerungsanfragen, aber zu wenig Personal und die komplizierte Rechtslage verursachten einen Rückstau. So hatte der Bodenseekreis beispielsweise zeitweilig gar keine neuen Anträge auf Einbürgerung mehr angenommen.

Vorschläge zur Vereinfachung

Der Sachverständigenrat macht jetzt viele konkrete Vorschläge zur Verbesserung. So sollte die Zuständigkeit für komplizierte Fälle auf Landesebene gebündelt, Arbeitgeber bei der Anerkennung von Berufsabschlüssen miteinbezogen und bestimmte Abläufe digitalisiert werden. Vor allem aber fordern die Sachverständigen, Gesetzesvorhaben zu evaluieren, also ihre Wirkung nach einer bestimmten Zeit zu überprüfen.