Jetzt endgültig: Mit Rückführungsverbesserungsgesetz" weiterer Abbau des Asylrechts

21.01.2024 Beschlossene Sache sind nun nicht nur "verbesserte" Abschiebungen, sondern auch die Einschränkung individueller Rechte bezüglich Identitätsklärung und die Verdoppelung des Zeitraums, während dem nur die niedrigeren Asylbewerberleistungen gezahlt werden, mögliche Kriminalisierung der Seenotrettung, und mehr... Während überall im Land eine vieltausendfache zivilgesellschaftliche Brandmauer gegen die AFD und alle weiteren faschistischen Kräfte gebildet wird, kommt der Bundestag in seiner Mehrheit deren Druck  nach.

Wir versammeln hier Stimmen zum am 18. Januar 2024 im Bundestag beschlossenen sogenannten Rückführungsverbesserungsgesetz. 

  1. Bundestagsdokumente: Bundestag stimmt Gesetz zur Verbesserung von Rückführungen zu
  2. RND: Rückführungsverbesserungsgesetz - Gesetz für schnellere Abschiebungen: Kritik von Union, Pro Asyl – und von der Grünen Jugend

  3. FR: Geflüchteten droht durch neues Gesetz mehr Schikane

1. Bundestag stimmt Gesetz zur Verbesserung von Rückführungen zu

20.01.2024 Mit der Mehrheit der Stimmen von SPD, FDP und mit einzelnen Ausnahmen Bündnis 90/Die Grünen hat der Bundestag am Donnerstag, 18. Januar 2024, das sogenannte Rückführungsverbesserungsgesetz (20/9463, 20/9642) beschlossen, dessen Kern erweiterte Durchsuchungsmöglichkeiten und eine Ausdehnung des Ausreisegewahrsams sind. Die Fraktionen von CDU/CSU und AfD stimmten gegen das zuvor im Innenausschuss noch in Teilen geändert Gesetz (20/10090).

Mehrheitlich abgelehnt wurde hingegen ein Entschließungsantrag (20/10091), den die Unionsfraktion zu dem Regierungsentwurf eingebracht hatte. Darin kritisierten die Abgeordneten das Gesetz als nicht ausreichend und forderten unter anderem, die gesetzlichen Kompetenzen der Bundespolizei für Rückführungen auszuweiten und die Möglichkeit, Asylanträge von illegal Eingereisten abzulehnen.

Gesetzentwurf der Bundesregierung

Die Fortdauer und die Anordnung von Abschiebungshaft soll künftig unabhängig von etwaigen Asylantragstellungen möglich sein, auch bei Folgeanträgen. Verstöße gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote werden laut Gesetz als eigenständiger Haftgrund außerhalb der Fluchtgefahr im Rahmen der Sicherungshaft geregelt; zudem ist ein behördliches Beschwerderecht für den Fall der Ablehnung des Abschiebungshaftantrags vorgesehen.

Beim Ausreisegewahrsam sieht das Gesetz vor, dessen Höchstdauer von derzeit zehn auf 28 Tage zu verlängern, um effektiver als bisher ein Untertauchen des Abzuschiebenden zu verhindern. Reduziert werden sollen die Fälle, in denen Staatsanwaltschaften bei Abschiebungen aus der Haft zu beteiligen sind. Auch sollen Abschiebungen nicht mehr angekündigt werden müssen, sofern nicht Familien mit Kindern unter zwölf Jahren betroffen sind.

Identitätsklärung soll erleichtert werden

Die Suche nach Daten und Dokumenten zur Identitätsklärung soll erleichtert werden, ebenso das Auffinden abzuschiebender Personen. Dazu sollen die Behörden auch andere Räumlichkeiten als das Zimmer des abzuschiebenden Ausländers in einer Gemeinschaftsunterkunft betreten können. Vorgesehen ist ferner, dass Widerspruch und Klage gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote keine aufschiebende Wirkung mehr haben. Wohnsitzauflagen und räumliche Beschränkungen sollen ebenfalls künftig von Gesetzes wegen sofort vollziehbar sein.

Daneben enthält das Gesetz weitere Maßnahmen etwa zur erleichterten Abschiebung von Straftätern und Gefährdern. Für den Bereich der Organisierten Kriminalität soll ein Ausweisungstatbestand geschaffen werden, der an die Angehörigkeit zu Strukturen der Organisierten Kriminalität anknüpft und unabhängig von einer strafrechtlichen Verurteilung ausgestaltet ist. Erleichtert werden soll die Ausweisung von Schleusern.

Änderungen im Innenausschuss

Mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP hatte der Innenausschuss zuvor einen Änderungsantrag der drei Koalitionsfraktionen angenommen, wonach Minderjährige und Familien mit Minderjährigen „grundsätzlich nicht in Abschiebehaft genommen“ werden sollen. Ausnahmen soll es der Begründung zufolge etwa bei minderjährigen Gefährdern oder Jugendstraftätern geben können. Ferner soll Betroffenen in Verfahren zur Abschiebungshaft oder Ausreisegewahrsam ein Pflichtverteidigung zur Seite gestellt werden.

Zur Bekämpfung der Schleusungskriminalität ist eine Verschärfung der bisherigen Strafandrohungen für entsprechende Delikte vorgesehen. Zugleich wird klargestellt, dass die Rettung Schiffbrüchiger auch künftig nicht strafbar ist.

Niedrigeren Asylbewerberleistungen

Asylbewerber sollen der Vorlage zufolge künftig drei Jahre statt 18 Monate lang die niedrigeren Asylbewerberleistungen erhalten. Ausländern, die in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen verpflichtet sind, soll die Aufnahme einer Beschäftigung bereits nach sechs statt nach neun Monaten ermöglicht werden. Die Erlaubnis zur Beschäftigung geduldeter Ausländer soll nicht mehr im freien Ermessen der Ausländerbehörde stehen. Damit soll ein Gleichklang mit der Regelung für Geduldete hergestellt werden, die verpflichtet sind, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen.

Die geforderte Vorbeschäftigungszeit vor der Erteilung einer „Beschäftigungsduldung“ will die Koalition von 18 auf zwölf Monate senken und das wöchentliche Mindestmaß der Beschäftigung von 35 auf 20 Stunden reduzieren. Damit mehr Menschen von der Beschäftigungsduldung profitieren können, soll der bisherige Stichtag für die Einreise bis zum 1. August 2018 auf Ende 2022 verlegt werden. 

Stellungnahme des Bundesrats

Der Bundesrat begrüßte in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf, „dass die Voraussetzungen für das Betreten von Wohnungen Dritter und gemeinschaftlich genutzter Räumlichkeiten konkretisiert wurden“. Zugleich bat er im Hinblick auf die Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, im Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, inwieweit die zutreffenden Ausführungen der Einzelbegründung unmittelbar im Gesetzeswortlaut verankert werden könnten. Gesetzlich klargestellt werden sollte der Stellungnahme zufolge, dass bei dem Betreten von Wohnungen Dritter und gemeinschaftlich genutzter Räumlichkeiten die Belastungen von Minderjährigen, Familien mit Minderjährigen und weiterer besonders schutzbedürftiger Personengruppen besonders zu berücksichtigen sind.

In ihrer Gegenäußerung führte die Bundesregierung dazu aus, dass in der Begründung zum Gesetzentwurf bereits ausdrücklich auf die Belastungen von Minderjährigen, Familien mit Minderjährigen und weiterer besonders schutzbedürftiger Personengruppen, die im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung besonders zu berücksichtigen sind, hingewiesen werde. (sto/ste/18.01.2024)

 

2.  Rückführungsverbesserungsgesetz - Gesetz für schnellere Abschiebungen: Kritik von Union, Pro Asyl – und von der Grünen Jugend

RND Der Bundestag hat das Ampel­gesetz für schnellere Abschiebungen beschlossen. Es verschärft eine Reihe von Regelungen, unter anderem können sich abgelehnte Asylbewerber der zwangsweisen Rückführung nicht entziehen. Zudem werden die Strafen für Schleusungen erhöht. Flüchtlings­helfer kritisieren die Reform – aber auch einige Grüne.

Berlin 19.01.2024. „Endlich im großen Stil abschieben“: Dieses Ziel hatte der Bundes­kanzler im Oktober öffentlich ausgegeben. Nach längerem internen Ringen hat nun die Ampel­mehrheit im Bundestag an diesem Donnerstag ein entsprechendes Gesetz verabschiedet: Das sogenannte Rückführungs­verbesserungs­gesetz aus dem SPD-geführten Innen­ministerium soll dafür sorgen, dass vor allem abgelehnte, ausreise­pflichtige Asylbewerber schneller und effektiver abgeschoben werden können.

Die wichtigsten Neuerungen sind dabei Verfahrens­vereinfachungen und ein vereinfachter Zugriff auf die Ausreise­pflichtigen, damit sie nicht untertauchen können, bevor sie abgeschoben werden könnten. Laut Bundes­innen­ministerium scheitern derzeit zwei von drei Rückführungen – oft, weil die Betreffenden nicht aufzufinden sind. Aber auch eine ungeklärte Identität oder die Weigerung des Herkunfts­staates, Staats­angehörige zurückzunehmen, stehen Abschiebungen entgegen.

Das Rückführungs­verbesserungs­gesetz sieht nun vor, die Höchstdauer des „Ausreise­gewahrsams“ von derzeit zehn auf 28 Tage zu verlängern. So erhalten die Behörden mehr Zeit, eine Abschiebung vorzubereiten. Außerdem soll die Polizei neue Zugriffs­rechte bei der Feststellung der Identität bekommen. Sie soll nicht mehr nur Wohnräume der Betroffenen durchsuchen dürfen, sondern auch Nachbar­wohnungen in Gemeinschafts­unterkünften betreten können. Bisher war das nicht erlaubt.

Die bisherige Pflicht, Menschen, die seit mindestens einem Jahr in Deutschland geduldet waren, eine Abschiebung mindestens einen Monat zuvor anzukündigen, wird gestrichen. Eine Vorwarnung erhalten nur noch Familien mit Kindern unter zwölf Jahren. Auch Abschiebungen in der Nacht sowie von Schleusern, die zu mindestens einem Jahr Freiheits­strafe verurteilt wurden, werden erleichtert. Geflüchtete in Gemeinschafts­unterkünften bekommen weniger Geld – mit der Begründung, dass sie dort auch weniger benötigen. Zudem unterstützt der Bund die Länder künftig stärker bei Abschiebungen.

Den Grünen fiel die Zustimmung zu den Asylrechts­verschärfungen nicht leicht, wie Co-Fraktions­chefin Katharina Dröge am Donnerstag erklärte. An der Basis der Partei gibt es nach wie vor viel Kritik daran, dass die Grünen das Gesetz mittragen. Die Grüne Jugend hält das zum Beispiel für einen Fehler: „Das Abschiebe­gesetz ist eine Entrechtungs­maßnahme. Es wird zu schlimmen Traumatisierungen von Geflüchteten führen, die oft ohnehin schon traumatisierende Erfahrungen gemacht haben“, sagte auch die Bundes­sprecherin der Grünen Jugend, Katharina Stolla, dem Redaktions­Netzwerk Deutschland (RND).

„Mit diesem Gesetz hilft die Ampel keiner einzigen Kommune, sondern will nur Handlungs­fähigkeit auf Kosten der Schwächsten demonstrieren“, so Stolla. „Wer Rechte wirklich bekämpfen will, sollte aufhören, nach unten zu treten, und sich für ein gutes Leben für alle einsetzen.“

80 Prozent dürfen nicht zurückgeschickt werden

Die Zahl der Schutz­suchenden lag laut dem Statistischen Bundesamt Ende vergangenen Jahres bei 3,08 Millionen. Etwa 80 Prozent davon dürfen laut Genfer Flüchtlings­konvention nicht zurück­geschickt werden, weil sie aus Staaten stammen, in denen sie verfolgt werden oder in denen Krieg herrscht.

Daneben gibt es abgelehnte und vollziehbar ausreise­pflichtige Asylbewerber, laut Innenministerium bis Ende September 2023 rund 255.000 Menschen. Die allermeisten von ihnen werden aber aus familiären, humanitären oder gesundheitlichen Gründen geduldet. Die Gruppe derer, die wegen des neuen Gesetzes tatsächlich das Land verlassen, dürfte also relativ klein sein. Das sorgt für Kritik.

„Das Gesetz wird kleinere Verbesserungen bringen, aber nicht zu Abschiebungen in großem Stil führen, wie Bundes­kanzler Scholz es versprochen hat“, sagte etwa Unions­fraktions­vize Andrea Lindholz dem Redaktions­Netzwerk Deutschland (RND). „Denn zeitgleich erlässt die Ampel neue Regelungen, die Abschiebungen verhindern: zum einen den schnelleren Arbeitsmarkt­zugang für Personen, die unser Land eigentlich verlassen müssen – und zum anderen einen Pflicht­rechtsanwalt für Abzuschiebende in Ausreise­gewahrsam und Abschiebehaft, obwohl durch alle Rechts­instanzen die Ausreise­pflicht festgestellt wurde.“ Im Gesetz­entwurf selbst sei nur von einigen Hundert zusätzlichen Abschiebungen die Rede. „So kommen wir bei dem Thema nicht voran“, beklagte Lindholz.

Gesetz könnte Seenotrettung kriminalisieren

Auch von der Gegenseite setzt es Kritik. Seenotretter, Bürgerrechts­organisationen und die Linkspartei kritisieren, dass das Gesetz zu einer Kriminalisierung der Seenot­rettung führen könne. Es soll nämlich auch die bestehende Rechtslage zur verbotenen Einschleusung von Ausländern in die EU konkretisieren – und verschärfen. Kritiker befürchten, dass uneigennützige Seenotretter künftig behandelt werden wie kriminelle Schlepper­banden. Das Innen­ministerium wies das zurück, zudem besserte die Koalition den Gesetz­entwurf in dem Punkt nach.

Ampel einigt sich bei Abschiebung und Einbürgerung

Folgt man jedoch zwei neuen Kurz­gutachten von Jura­professoren und Rechts­anwälten, die dem RND vorliegen, bleibt die Möglichkeit einer Kriminalisierung bestehen. Ein Fehler bei der Ausarbeitung des Gesetzes führt demnach sogar dazu, dass ausgerechnet die Seenot­rettung Minderjähriger bestraft wird.

Die Flüchtlings­organisation Pro Asyl lehnt das Gesetz insgesamt ab. „Wir haben massive verfassungs­rechtliche Bedenken, denn durch das Gesetz werden Grundrechte von Geflüchteten verletzt“, sagte ihr flüchtlings­politischer Sprecher, Tareq Alaows, dem RND. Die letzten Jahre hätten gezeigt, dass Verschärfungen des Asylrechts nicht zu mehr Abschiebungen führen. „Der Rechtsstaat hat die Aufgabe, Grundrechte zu schützen, mit diesem Gesetz werden sie abgeschafft – nicht nur für Geflüchtete, sondern auch Helfer.“ Es sei unfassbar, so Alaows, „dass eine Woche nach Bekannt­werden großangelegter Deportations­pläne so ein Gesetz verabschiedet wird“. RND/mit feh, mnd, mdc, sgey

 

3. Geflüchteten droht durch neues Gesetz mehr Schikane

FR, 18.01.2024 Ein neues Gesetz erleichtert Abschiebehaft und Razzien, stellt einige Geflüchtete aber besser.

Eines war schon vor der Bundestagsabstimmung am Donnerstagabend über das sogenannte „Rückführungsverbesserungsgesetz“ klar: Es wird die immer polemischeren Rufe migrationskritischer Kreise nach weiteren Verschärfungen nicht verstummen lassen. Denn mehr als 600 Abschiebungen pro Jahr zusätzlich, das hat die Bundesregierung selbst schon vorab mitgeteilt, dürfte das Gesetz nicht bringen. Das ist angesichts der gut 16 000 Rückführungen in 2023 (3500 mehr als im Vorjahr) nicht viel. Trotzdem sagt Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD): „Diese restriktiven Maßnahmen sind notwendig, damit wir die gesellschaftliche Akzeptanz für den Schutz von Geflüchteten erhalten.“

Am Donnerstagabend verabschiedete der Bundestag das Gesetz mit der Mehrheit der Ampel. Besondere Bauchschmerzen bereitet den Grünen die Reform – einige ihrer Abgeordneten stimmten dagegen. Helge Limburg, rechtspolitischer Fraktionssprecher, sagte der Frankfurter Rundschau: „Das Gesetz ist sicher nicht das, was wir als grünes Wahlprogramm verwenden würden, es ist eben ein politischer Kompromiss.“ Denn die Verschärfungen haben es in sich: Der Ausreisegewahrsam für terminierte Abschiebungen darf künftig bis zu 28 Tage dauern statt bisher zehn; Abschiebehaft, die bis zu 18 Monaten dauern kann und bisher meist nur bei Fluchtgefahr angesetzt werden konnte, soll künftig schon bei illegaler Einreise und Aufenthalt möglich sein. Amnesty International Deutschland kritisiert das als Angriff auf ein zentrales Grundrecht, nämlich das der Freiheit der Person.

„Rückführungsverbesserungsgesetz“: Mehrarbeit für Behörden

Überhaupt läuft die für Menschenrechte und Geflüchtete engagierte Zivilgesellschaft Sturm gegen das Gesetz. Denn es gibt den Behörden deutlich ausgeweitete Befugnisse bei Durchsuchungen und der Identitätsfeststellung von Betroffenen. So dürfen in Gemeinschaftsunterkünften künftig unangemeldet und zu jeder Tageszeit auch Räume durchsucht werden, die nicht der zur Abschiebung Gesuchte bewohnt. Pro Asyl sprach denn auch von „rechtsstaatlich fragwürdigen“ Verschärfungen und „Entrechtung“ von Geflüchteten. Die Organisation rief die Ampel auf, das Gesetz zu stoppen und „Geflüchtete nicht zu Sündenböcken“ zu machen.

Der Deutsche Anwaltsverein kritisierte schon in der Bundestags-Anhörung Ende 2023, es enthalte unverhältnismäßige Maßnahmen, die nicht nur zu Lasten Geflüchteter und ihrer Helfer:innen gingen, sondern auch zu erheblichen Mehrbelastungen der beteiligten Behörden und Gerichte führen würden. Zu der Anhörung war niemand aus den Reihen der Nichtregierungsorganisationen eingeladen. Auftreten durfte dagegen auf Vorschlag der AfD der Jurist Ulrich Vosgerau. Er war auch beim heftig kritisierten Potsdamer Geheimtreffen von Rechtsextremen mit AfD- und Unions-Politiker:innen dabei, bei dem es um Pläne für die Vertreibung von Menschen mit Migrationsgeschichte ging.

Söder sieht Italien als Vorbild

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat die umstrittene Flüchtlingsvereinbarung zwischen Italien und Albanien als mögliches Modell für Europa bezeichnet. „Eine solche Lösung könnte tatsächlich helfen“, sagte der CSU-Chef am Donnerstag bei der Klausurtagung der CSU- Landtagsfraktion in Kloster Banz bei Bad Staffelstein in Oberfranken. Zu Gast war dort der sozialistische albanische Ministerpräsident Edi Rama.

Albaniens Ministerpräsident hatte im Herbst mit Italiens rechter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni eine Absichtserklärung unterzeichnet, wonach Italien zwei Flüchtlingslager in Albanien betreiben soll. Ziel ist es, Migration über das Mittelmeer nach Italien und damit in die EU einzudämmen. Doch es gibt Zweifel, ob dies juristisch machbar ist. Rama betonte, alles, was Albanien tue, geschehe im Einklang mit Gesetzen und Werten der EU. dpa

ür breite Proteste insbesondere von Seenotrettungsorganisationen sorgte am Donnerstag die Nachricht, dass trotz jüngster Anpassungen im Gesetzentwurf bestimmte Rettungseinsätze für Flüchtende künftig doch strafbar sein könnten, und zwar ausgerechnet Seenotrettungen alleinreisender Minderjähriger. Diesen Vorwurf erheben Rechtsgutachten der Jurist:innen Aziz Epik und Valentin Schatz sowie des Rechtsanwalts David Werdermann von der Gesellschaft für Freiheitsrechte, die am Mittwoch bekannt wurden. Die Befürchtung bezieht sich auf die im Gesetz vorgesehenen Strafverschärfungen für Schleusungen, die demnach nicht eindeutig von altruistischen Einsätzen unterschieden werden.

Der Grünen-Abgeordnete Helge Limburg sagte der FR dazu, die Koalitionäre seien „einig, dass Seenotrettung nicht kriminalisiert werden darf.“ Man werde das neue Gutachten gründlich auswerten. „Sollten rechtliche Zweifel bestehen, ob Seenotretter:innen tatsächlich vor Kriminalisierung geschützt sind, wird es eine Klarstellung zum Gesetz geben.“ Anders gesagt: Der Wortlaut könnte sich nach Verabschiedung noch mal ändern. Limburg hob hervor, dass die Grünen im Gesetzgebungsprozess noch einige Entschärfungen durchgesetzt hätten. So sollen Geflüchtete künftig in Abschiebehaft und Abschiebegewahrsam immer einen Pflicht-Rechtsbeistand bekommen – was die Union kategorisch ablehnt, weil Anwält:innen das Verfahren verzögern könnten. Laut Limburg dürfen die umstrittenen Durchsuchungen nun nur von staatlichen Stellen, nicht von privaten Sicherheitsdiensten durchgeführt werden.

Bei aller Kritik enthält die Reform auch Punkte, die Geflüchtete besser stellen. So sollen Aufenthaltserlaubnisse für subsidiär Schutzberechtigte künftig drei Jahre (bisher ein Jahr) gelten, Asylsuchende bekommen Aufenthaltsgestattungen für sechs (bisher drei) Monate. Das soll auch die Ausländerbehörden entlasten. Die Wirtschaft lobt die Arbeitserleichterungen für Geflüchtete und Menschen mit Duldungen. Hier, wünscht sich der Grüne Limburg, „sollten wir gesetzgeberisch noch mehr tun.