Jetzt in Kraft: 36 statt 18 Monate Dauer eingeschränkter Gesundheitsleistungen für Geflüchtete

02.03.2024 Erinnern Sie sich noch an die populistische Merz-Provokation "Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen.."? Sie erzielte Wirkung. Seit dieser Woche ist eine weitreichende Veränderung im Asylbewerberleistungsgesetz in Kraft, die im Asylpaket von Bund und Ländern enthalten war: Geflüchtete  erhalten sogenannte Analogleistungen – also Leistungen, die in Art und Höhe der Sozialhilfe entsprechen –  nun erst nach 36 Monaten statt wie bisher nach 18 Monaten. Dann bekommen sie auch eine elektronische Gesundheitskarte und Zugang zu den Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung. Das sind drei Jahre lang nur eingeschränkte Gesundheitsleistungen – eine Verschärfung der bisherigen Gesetzeslage.

Wir zitieren dazu t-online und den Merkur von heute:

Ende letzten Jahres kritisierte Friedrich Merz (CDU) die medizinische Versorgung Asylsuchender. Die Bundesregierung hat nun die Gesetzeslage verschärft.

Kaum ein Thema beschäftigt und polarisiert die Deutschen so sehr wie Migration. Selten kochten die Gemüter so hoch. Als Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) in der Talkshow "Welt Talk" im September letzten Jahres über Asylbewerber sagte: "Die sitzen beim Zahnarzt und lassen sich die Zähne neu machen und die deutschen Bürger kriegen keine Termine", führte das zu einer hitzigen Debatte.

Die einen warfen Merz Populismus und teils sogar Rassismus vor; andere teilten die Auffassung des CDU-Vorsitzenden. Merz selbst bezeichnete die Kritik an seinen Äußerungen später als "Schnappatmung".

Doch tatsächlich stellte Merz die Sachlage über die medizinische Versorgung von Asylbewerbern stark verkürzt dar. Für die ersten 18 Monate nach ihrer Ankunft in Deutschland erhielten Asylsuchenden und auch Geduldete bisher nämlich nur eine eingeschränkte medizinische Versorgung.

So regelte das Asylbewerberleistungsgesetz in Paragraf 4 bislang, dass medizinische Leistungen nur gewährt werden, wenn der Asylsuchende krank ist oder Schmerzen hat. Zudem erfolgte eine Versorgung mit Zahnersatz nur, soweit dies im Einzelfall aus medizinischen Gründen "unaufschiebbar" ist.

Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes mit weitreichenden Implikationen

Bei dem Migrationsgipfel am 6. November letzten Jahres einigten sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer dennoch auf eine weitreichende Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Die sind nun in Kraft getreten.

Demnach erhalten künftig Asylsuchende und Geduldete sogenannte Analogleistungen – etwa medizinische Leistungen – erst nach 36 Monaten, statt den zuvor geregelten 18 Monaten. Nach den 36 Monaten sollen die Asylbewerber und geduldete Personen dann eine elektronische Gesundheitskarte und damit uneingeschränkten zu den Leistungen gesetzlicher Krankenkassen erhalten.

Durch die neue Regelung erhalten Asylsuchende und Geduldete somit drei Jahre lang nur eingeschränkte Gesundheitsleistungen – eine Verschärfung der bisherigen Gesetzeslage. Wie das Bundessozialministerium auf Anfrage des "Münchener Merkurs" mitteilt, gehören zu den eingeschränkten medizinischen Leistungen "die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung sowie bestimmte Vorsorgeleistungen, Schutzimpfungen sowie Gesundheitsleistungen im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt".

Eine Versorgung mit Zahnersatz erfolge laut des Ministeriums nur, "soweit dies im Einzelfall aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist". Auch sonstige, über die Grundversorgung hinausgehende Leistungen, ergäben sich während der 36 Monate "nur im Einzelfall", wie der "Münchener Merkur" berichtet.

Eine Ausnahmeregelung besteht jedoch für Flüchtlinge aus der Ukraine. Sie sollen weiterhin von Anfang an uneingeschränkten Zugang zu den medizinischen Leistungen gesetzlicher Krankenversicherungen erhalten.

 

Die Politik schraubt am Asylbewerberleistungsgesetz. Es geht um den Zugang zur Krankenversicherungs-Leistung.

München – Der Satz hatte es in sich: „Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine“, hatte Friedrich Merz im September 2023 über abgelehnte Asylbewerber in Deutschland gesagt. Was folgte, war eine aufgeregte Debatte, die sich irgendwo zwischen „Geht gar nicht“ und „Im Kern ist da was dran“ bewegte.

Merz-Aussage über Asylbewerber: Neue Regelung zur Krankenversicherung

Zumindest in dieser Pauschalität war die Aussage des CDU-Chefs aber nicht haltbar. Denn selbst wenn es für einzelne Zahnärzte tatsächlich lohnend erscheinen würde, sich auf Leistungen für Asylbewerber zu spezialisieren, greifen gesetzliche Einschränkungen. In den ersten 18 Monaten im Land erhielten hilfebedürftige Asylbewerber und Geduldete auch damals schon nur eine eingeschränkte medizinische Versorgung.

Und doch scheinen Bund und Länder an dieser Stelle Anpassungsbedarf gesehen zu haben. Denn bei ihrem Migrationsgipfel am 6. November beschlossen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ministerpräsidenten eine weitreichende Veränderung im Asylbewerberleistungsgesetz, die in dieser Woche in Kraft getreten ist. Sogenannte Analogleistungen – also Leistungen, die in Art und Höhe der Sozialhilfe entsprechen – erhalten darunter fallende Asylbewerber und Geduldete statt bisher nach 18 Monaten nun erst nach 36 Monaten. Dann bekommen sie auch eine elektronische Gesundheitskarte und Zugang zu den Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung.

Asylbewerber in Deutschland: In ersten drei Jahren nur eingeschränkte Gesundheitsleistungen

Im Umkehrschluss heißt das, dass ihnen seit Dienstag drei Jahre lang nur eingeschränkte Gesundheitsleistungen zur Verfügung stehen. „Diese umfassen die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung sowie bestimmte Vorsorgeleistungen, Schutzimpfungen sowie Gesundheitsleistungen im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt“, teilt das Bundessozialministerium auf Nachfrage unserer Zeitung mit: „Eine Versorgung mit Zahnersatz erfolgt nur, soweit dies im Einzelfall aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist.“ Auch darüber hinaus gebe es alles, was über die Grundleistungen hinausgeht, während dieser Zeit nur im Einzelfall, „wenn die Leistungen zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich sind.“

In Bayern gibt es, was die Zahnbehandlung angeht, schon seit 2015 eine sogenannte Positivliste mit Behandlungen, die von Anfang an – und nun für 36 Monate – gewährt werden sollen. Sie umfasst vor allem, was notwendig ist, um „Schmerzfreiheit“ zu erreichen, erklärt die Kassenzahnärztliche Vereinigung Bayerns. „Dazu zählen Wurzelkanalbehandlungen, Füllungen und das Ziehen von Zähnen.“