Kabinett beschließt Entwurf zum GEAS-Anpassungsgesetz: Weitere Verschärfung droht ab 2026

03.09.2025 Die Bundesregierung beschloss heute den Entwurf zum GEAS-Anpassungsgesetz. Dazu Berichte und Stellungnahmen:

Die EU-Asylreform GEAS soll die illegale Migration stärker begrenzen und Asylverfahren beschleunigen. Das Kabinett hat sie nun für Deutschland auf den Weg gebracht. Zuvor gab es Streit über die Details. ...

Der Beschluss war wegen eines Streits zwischen den beteiligten Unions- und SPD-Ministerien verschoben worden. Ein zentraler Streitpunkt war die von Innenminister Alexander Dobrindt geplante Möglichkeit, Migranten bei Missachtung einer Aufenthaltspflicht in Haft zu nehmen, um einer Fluchtgefahr vorzubeugen. Das Justizministerium hatte hier rechtliche Bedenken geäußert. Zudem drang das Arbeitsministerium auf schnellere Arbeitsmöglichkeiten für Asylbewerber.

Dobrindt will Regeln weiter verschärfen

Die geplante Neuregelung sieht nun unter anderem vor, dass Migranten, die bereits in einem anderen Staat registriert wurden, in Asylzentren untergebracht werden. Zudem sollen Leistungen für Asylbewerber unter bestimmten Bedingungen auf ein Minimum gekürzt werden können, etwa bei Gewalt in Unterkünften oder der Missachtung von Meldepflichten...

 

Ab Som­mer 2026 gel­ten neue eu­ro­päi­schen Asyl-Re­geln mit ver­läss­li­cher Re­gis­trie­rung und Asyl­prü­fun­gen an den EU-Au­ßen­gren­zen. Die Bun­des­re­gie­rung macht den Weg für ihre Um­set­zung in Deutsch­land frei.

Damit die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) in Deutschland nächstes Jahr umgesetzt werden kann, hat die Bundesregierung zwei dafür notwendige Gesetzesänderungen beschlossen, das GEAS-Anpassungsgesetz und das GEAS-Anpassungsfolgegesetz.

GEAS sei "der Schlüssel, um Migration insgesamt zu steuern und zu ordnen, humanitäre Standards für Geflüchtete zu schützen und die irreguläre Migration zu begrenzen", heißt es in dem Entwurf, den das Kabinett verabschiedet hat. Deutschland werde "von der ausgewogenen Balance aus Verantwortung und Solidarität" deutlich profitieren.

Meldepflicht für Asylbewerber

Neben der Umsetzung der europäischen Vorgaben enthielten die nun beschlossenen Gesetzentwürfe "weitere Regeln, die eine restriktivere Gestaltung des Asylverfahrens ermöglichen", teilt das Bundesinnenministerium mit. Behörden sollten künftig verstärkte Möglichkeiten für klare Aufenthalts- und Meldepflichten bekommen, um die Anwesenheit von Asylbewerbern zu gewährleisten. Dadurch soll die Anzahl der Abschiebungen und der Rücküberstellungen von Asylbewerbern an andere, für ihre Verfahren zuständige europäische Staaten erhöht werden.

Überprüfungen an den EU-Außengrenzen

Die von den EU-Staaten im Frühjahr 2024 beschlossene GEAS-Reform gibt den Mitgliedstaaten für die Umsetzung eine Frist bis Juni 2026 – bis dahin gelten europaweit die bisherigen Regeln. Die Reform sieht unter anderem eine Verpflichtung zur Identitätskontrolle bei Ankommenden vor. Asylbewerber mit einer EU-weiten Schutzquote von unter 20% sollen ihr Verfahren an der EU-Außengrenze durchlaufen und gegebenenfalls direkt von dort abgeschoben werden.

Kritik kam von Pro Asyl. Die Organisation lehnt unter anderem eine Ausweitung der Asylverfahren an deutschen Flughäfen ab. Zuletzt waren vor allem aus Griechenland viele Menschen per Flugzeug eingereist, die in Griechenland als Flüchtlinge anerkannt wurden und in Deutschland erneut einen Asylantrag stellten. "Das Flughafenverfahren ist auf jeden Fall nicht die richtige Antwort auf dieses Phänomen", heißt es von der Flüchtlingsrechteorganisation.

Integrationsbeauftragte verteidigt geplante Änderungen

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Natalie Pawlik (SPD), sagt, sie habe sich in den vergangenen Wochen dafür eingesetzt, dass bei der Umsetzung der GEAS-Reform in nationales Recht "an vielen Stellen die Rechte von besonders schutzbedürftigen Geflüchteten – darunter Familien, Kinder und unbegleitete Minderjährige" – gewahrt würden.

Zu der Reform hatte es bereits im November einen Kabinettsbeschluss gegeben – wenige Stunden bevor die Ampel-Koalition zerbrach. Da sich dann keine Mehrheit mehr im Bundestag für den Gesetzentwurf fand, muss das Vorhaben jetzt noch einmal neu aufs Gleis gesetzt werden.

Linke will Protestaktionen organisieren

Die Linksfraktion kündigte Widerstand gegen die Gesetzesänderungen an, die noch vom Bundestag verabschiedet werden müssen. "Als Linke werden wir dagegen entschieden protestieren, sowohl im Parlament als auch auf der Straße", sagt die innenpolitische Sprecherin der Fraktion, Clara Bünger.

Die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Regelungen würden zur rechtswidrigen Inhaftierung Schutz suchender Menschen führen. "Auch Kinder sollen eingesperrt werden, wenn es ihrem eigenen Schutz dient, wie es die Bundesregierung formuliert", sagt Bünger und kommentiert: "Zynischer geht es nicht." Besonders problematisch sei "die Einrichtung von neuen teilweise geschlossenen Lagern, in denen Dublin-Fälle und Menschen mit Schutzstatus in einem anderen EU-Land festgesetzt werden sollen".

 

 

03.09.2025 In einer Pressemitteilung bewertet Pro Asyl den Kabinettsentwurf zum GEAS-Anpassungsgesetz:

 

Mit dem GEAS-Anpassungsgesetz, das heute im Kabinett beschlossen werden soll, möchte die Bundesregierung eine neue Form von zum Teil geschlossenen Zentren einführen: Sogenannte Dublin-Fälle und in anderen Mitgliedstaaten Anerkannte sollen dort untergebracht werden und in vielen Fällen die Einrichtungen nicht verlassen dürfen. Auch Familien mit Kindern sollen in diesen Zentren leben. PRO ASYL warnt davor, dass so reihenweise Geflüchtete in Deutschland de facto inhaftiert werden würden.

„PRO ASYL hat die Reform des Europäischen Asylsystems stets als Gefahr für den Flüchtlingsschutz kritisiert, vor allem wegen der geplanten Haftzentren an den Außengrenzen – und jetzt droht dies mit der geplanten harten Umsetzung auch in Deutschland“, befürchtet Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von PRO ASYL.

Als eine neue und eigentlich von der GEAS-Reform unabhängige Maßnahme sollen laut dem Entwurf „Aufnahmeeinrichtungen zur Durchführung von Verfahren der Sekundärmigration“ eingeführt werden – praktisch geht es hier um zumindest zum Teil geschlossene Zentren, in denen sich eine Vielzahl der in Deutschland ankommenden Schutzsuchenden aufhalten müssten. Das problematische Konzept der Dublin-Zentren soll damit ausgeweitet werden.

„Geflüchtete in Sonder-Einrichtungen zu isolieren und auszugrenzen ist unverantwortlich und verursacht bei den Betroffenen Verzweiflung, Stress und Depressionen. Das zeigt sich schon jetzt im Dublin-Zentrum Eisenhüttenstadt, wo Betroffene sich in ihrer Verzweiflung mit einem offenen Brief an die Öffentlichkeit gewandt haben. Die Bundesregierung muss von diesen Plänen Abstand nehmen. Insbesondere darf es nicht zu einer massenhaften De-Facto-Inhaftierung von Geflüchteten kommen“, fordert Judith.

Schon jetzt dürfen die im Dublin-Zentrum Eisenhüttenstadt untergebrachten Menschen die Einrichtung nachts nicht verlassen (sogenannte Nachtzeitverfügung). Einige der dort lebenden Menschen wandten sich im Juni 2025 mit einem offenen Brief hilfesuchend an die Öffentlichkeit und beschrieben, wie diese und weitere Einschränkungen sie massiv belasten. Ähnliche Einschränkungen sollen auch in den neuen Zentren gelten, in bestimmten Fällen soll sogar jegliches Verlassen der Unterkunft verboten werden – womit die Betroffenen de facto inhaftiert werden.

Mehr Inhaftierung – auch von Kindern

Die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) muss bis Mitte Juni 2026 in Deutschland umgesetzt und das nationale Recht entsprechend angepasst werden. PRO ASYL kritisiert, dass die Bundesregierung offensichtlich statt einer möglichst menschenrechtsfreundlichen eine harte Umsetzung der Reform anstrebt. Der Gesetzentwurf, der heute im Kabinett zur Beratung liegt, setzt auf eine starke Ausweitung von Maßnahmen zur Freiheitsbeschränkung und Freiheitsentziehung.

So sollen mit dem GEAS-Umsetzungsgesetz eine neue Asylverfahrenshaft eingeführt werden und eine „Schutzhaft“ für unbegleitete Kinder ermöglicht werden. Zwar soll der Grundsatz gelten, dass Kinder nicht in Haft genommen werden sollen. Doch begleitete Minderjährige können in Haft genommen werden, wenn sich der Elternteil oder die primäre Betreuungsperson in Haft befinden. Unbegleitete Minderjährige dürfen zu ihrem „eigenen Schutz“ inhaftiert werden. In beiden Fällen soll die Inhaftnahme ihrem Wohl dienen und nur als letztes Mittel angewendet werden.

„Kinder schützt man nicht, indem man sie einsperrt. Es ist gruselig, dass eine solche Norm ins deutsche Gesetz geschrieben werden soll. Weder ist dies durch die GEAS-Reform geboten noch in der Praxis nötig. Auch nach der UN-Kinderrechtskonvention ist ganz klar: Geflüchtete Kinder sollten nie inhaftiert werden“, kommentiert Judith.

Ausweitung deutscher Flughafenasylverfahren

Neben den neuen zum Teil geschlossenen Zentren möchte die Bundesregierung direkt mit Verabschiedung des Gesetzes eine weitere Maßnahme in Kraft setzen: eine Ausweitung der deutschen Flughafenasylverfahren, um die neuen Grenzverfahren zu erproben. Diese Verfahren unter besonders restriktiven Bedingungen sollen dann auch Flüchtlinge durchlaufen, die in anderen Mitgliedstaaten anerkannt wurden.

„Anerkannte Flüchtlinge dürfen legal innerhalb der EU reisen und kommen, wenn sie fliegen, in der Regel aus einem anderen Mitgliedstaat an deutschen Flughäfen an – also gerade nicht über eine EU-Außengrenze. Damit können sie auch nicht in ein Außengrenzverfahren genommen werden. Wenn in anderen Mitgliedstaaten anerkannte Flüchtlinge nach Deutschland kommen, um hier erneut Schutz zu suchen, liegt das meist an den dort oft sehr schlechten Lebensbedingungen. Das Flughafenverfahren ist in jedem Fall nicht die richtige Antwort auf dieses Phänomen. Die Bundesregierung sollte sich stattdessen für die Verbesserung der Lebensumstände von Flüchtlingen in allen Mitgliedstaaten stark machen“, fordert Judith.

PRO ASYL hatte im Rahmen der Verbändeanhörung den Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums kommentiert. Während des Ressortverfahrens kommt es meist noch zu Änderungen des Gesetzesentwurfs, der dann im Kabinett beschlossen wird. Die endgültige Fassung ist bisher noch nicht öffentlich.