Konferenzen zur Westbalkanroute: Faeser und EU setzen auf mehr Kontrollen, Zäune und Frontex-Einsatz

24.10.2022 Die "illegale Migration", d. i. die Zuwanderung über die Westbalkanroute, wurde seit Wochen schon skandalisiert. Dass viele Menschen aus Syrien, Afghanistan und weiteren Ländern Asiens und Afrikas  wegen Fehlens legaler Möglichkeiten sich weiterhin bemühen, Mitteleuropa als sicheres Ziel zu erreichen - trotz Zäunen, bewaffneter Abwehr und Pushbacks - wurde zu einem "neuen 2015" aufgebauscht, besonders durch Zahlenvergleiche, die einzig 2022 und 2021 berücksichtigten.(Bekanntermaßen gab es wegen der Coronapandemie 2021 eine ungewöhlich geringe Zuwanderung Flüchtender, die seither an den Außengrenzen der EU abgewartet hatten und nun ihre Flucht fortsetzten.) Einen großen Anteil an der Stimmungsmache hat Innenministerin Faeser, die sich nahe täglich mit Warnungen vor dem "Zustrom" über die Balkanroute zitieren ließ.

Zum (vorläufigen?) Ende der "Krise" wurden jetzt Maßnahmen in mehreren internationalen Treffen und Konferenzen beschlossen. Diese sollen sich in verdichteten Zäunen, verstärkten Grenzkontrollen und dem Ausbau von Frontex zeigen. Außerdem wurde Druck auf Serbien ausgeübt.

"Man wolle Menschen schützen, die vor Krieg und politischer Verfolgung fliehen, sagte Faeser. Kein Mensch sollte sich aber "auf gefährlichen Fluchtrouten in Lebensgefahr bringen müssen", um dann in Europa keine Bleibeperspektive haben, sagte sie." Welche "ungefährlichen Fluchtrouten" diesen Menschen geboten werden, sagte sie allerdings nicht. Denn es gibt sie nach wie vor nicht.

Eine echte Lösung ergaben diese Konferenzen nicht. Vielleicht werden für eine gewisse Zeit die Zahlen Aufzunehmender aus der "illegalen" Migration geringer, was in den überforderten Kommunen Erleichterung bringt. Doch "der Druck entsteht durch legale Migration", so erklärte MIgrationsforscher Gerald Knaus. "Der Migrationsforscher und Mitgründer der Denkfabrik European Stability Initiative, Gerald Knaus, hält Versuche, die Einwanderung über die Balkanroute in die EU zu verhindern, dagegen für nutzlos. Dem RND sagte er: "Das Schließen der Balkanroute hat bisher noch nie funktioniert." Weiter wird er mahnend zitiert: "Viele Menschen kämen derzeit zum Beispiel aus Serbien "über Ungarn in die EU, obwohl es dort einen Grenzzaun und Pushbacks gibt." Ob man jetzt Ungarn den Rücken stärken bei seiner Gewalt wolle, "die nichts bewirkt", fragte Knaus."

Wir müssen befürchten, dass den Schutzsuchenden erneut ein schwerer, vielleicht sogar mörderischer Winter bevorsteht in den ungeschützten Camps vor den EU-Außengrenzen.

 

Im Folgenden zitieren wir Pressestimmen:

aktualisiert: Beitrag in der TAZ am 26.10.2022

Frontex auf der Balkanroute: Eskalation und Achselzucken

Laut EU-Kommission soll die Grenzschutztruppe Frontex auf der Balkanroute ausgebaut werden – ein Plan, der sich jeder konstruktiven Lösung verweigert.

Immer wieder kommen über Privatnetzwerke erschreckende Nachrichten von der Balkanroute: Zwei marokkanischen Jugendlichen gelang kürzlich die Flucht nach Italien. Einen Monat lang seien sie zu Fuß unterwegs gewesen, vorbei an Leichen. Nun schicken sie triumphierende Fotos aus Italien, unfrei, arbeitslos, aber immerhin der Hölle entkommen. Ein Zurückgebliebener stellt sich die Frage, mit der er seit Jahren hadert: Ist mein Leben wertlos genug, zu sterben? Er ist noch nicht volljährig, als er sich das fragt.

Öffentlich sichtbar sind vor allem Nachrichten wie die aktuelle: Die sogenannte Grenzschutzagentur Frontex soll laut EU-Kommission auf der Balkanroute ausgebaut werden. Die EU-Staaten sollen darüber entscheiden. Die Kommission verabschiedete bereits Finanzhilfen von 39,2 Millionen Euro für Überwachungssysteme in der Region. Grund sei, dass dort rund dreimal so viele Menschen unterwegs seien wie im Vorjahr. Serbien hat bereits Abkommen zur Visafreiheit etwa mit Tunesien aufgekündigt.

Es ist ein reflexhaftes Reaktionsschema: Die Ukrainekrise und die fortschreitende Klimakatastrophe sorgen für mehr Fluchtbewegungen, diese wiederum für mehr Abschottung. Es ist eine Politik, die sich von kollektivem Achselzucken nährt und sich einer kon­struktiven Lösung verweigert.

Wohlstand, erkauft nach fortbestehenden kolonialen Prinzipien: im Kernland schlemmen, an der Peripherie prügeln. Das immer offener gewaltsame Zurücktreiben von Geflüchteten, verfälschte Einsatzprotokolle, die vielen Tausend Fälle schwerer oder tödlicher Gewalt an den Grenzen – unwahrscheinlich, dass je jemand zur Verantwortung gezogen wird. Die noch unbequemere Frage: Gäbe es überhaupt noch ein Unrecht, zu dem eine Mehrheit Nein sagen würde?

Wo eine Gesellschaft schon gar nichts von ihrer Gewalt versteht, müsste sie zumindest ihre Denkfehler verstehen. Zehntausende Talente, die sterben, arbeitslos in der Heimat sitzen oder in Lakaienjobs verschlissen werden – das muss sie sein, die berühmte Effizienz des Kapitalismus.

 

1. SZ 20.10.2022

Westbalkan-Staaten: Einreise unerwünscht

Die EU heißt Ukrainer willkommen, versucht andere Fluchtrouten aber zu schließen. Auch Bundesinnenministerin Faeser betont beim Treffen mit den Westbalkan-Staaten das Thema illegale Migration.

Ein Sonntagnachmittag im September: Fünf Syrer wandern nahe des bayerischen Grenzorts Furth im Wald eine Straße entlang, die von Tschechien nach Deutschland führt. Eine Streife der Bundespolizei "schnappt" sie, wie es in der Pressemitteilung heißt, und schickt sie zurück.

Einsätze wie diesen hat die Bundespolizeiinspektion Waldmünchen, die an einem 89 Kilometer langen Grenzstück zu Tschechien für verstärkte Binnenfahndung zuständig ist, in diesen Wochen öfter. Und sie sind von der Bundesregierung sehr erwünscht. Denn zwar fliehen auch Syrer vor dem Krieg in ihrer Heimat und haben somit grundsätzlich Anspruch auf Schutz. Deutschland aber und die EU insgesamt bemühen sich gerade, die Fluchtrouten, auf denen auch diese Menschen kommen, zu schließen.

Die steigende Zahl von illegalen Migranten, die zuletzt über die Balkanroute kamen, mache ihr Sorge, sagte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) zuletzt mehrmals. An diesem Mittwoch traf Faeser zusammen mit europäischen Kollegen die Innenminister der Westbalkan-Staaten. Das Thema illegale Migration stand ganz oben auf der Tagesordnung.

An der Grenze zu Tschechien wird jetzt intensiver kontrolliert

Bis Ende August kamen über die Balkanroute nach EU-Angaben mehr als 86 000 Menschen in die EU - dreimal so viele wie im selben Vorjahreszeitraum. Deshalb soll nun die EU-Grenzschutzagentur Frontex verstärkt in der Region Präsenz zeigen, wie Faeser gemeinsam mit der EU-Innenkommissarin Ylva Johansson nach den Beratungen ankündigte. Bei dem Treffen sei außerdem vereinbart worden, dass Serbien seine Visapolitik ändern werde.

Denn neben der Türkei, die im aufziehenden Wahlkampf derzeit rabiat gegen Geflüchtete im eigenen Land vorgeht und diese so zur Weiterflucht zwingt, hat die EU Serbien als Schuldigen für den Druck auf Europas Grenzen ausgemacht. Aufgrund von zum Teil alten Visaabkommen können Menschen etwa aus Indien und Tunesien visumfrei nach Serbien einreisen. Ein Teil schlug sich von dort offenbar weiter nach Europa durch. Man habe vermehrt Menschen aus Indien, Kuba, Tunesien und Burundi an den EU-Außengrenzen registriert, sagte Johansson.

Dass die langjährigen Visa-Abkommen das Hauptproblem der irregulären Migration nach Europa sind, glaubt man in Serbien nicht. Trotzdem hatte das Land schon vor dem Treffen eingelenkt und die Einreisebedingungen für Menschen aus Indien, Burundi, Kuba und Tunesien verschärft. Wer von dort kommt, muss jetzt etwa ein bezahltes Rückflugticket mit festem Abreisedatum vorweisen.

Man wolle Menschen schützen, die vor Krieg und politischer Verfolgung fliehen, sagte Faeser. Kein Mensch sollte sich aber "auf gefährlichen Fluchtrouten in Lebensgefahr bringen müssen", um dann in Europa keine Bleibeperspektive haben, sagte sie.

An der Grenze zu Bayern hielt die Polizei tatsächlich bereits Tunesier und Inder auf. Die allermeisten illegalen Migranten aber kamen aus Syrien und Afghanistan. Schaffen es diese Geflüchteten bis in die EU, haben sie grundsätzlich gute Chancen auf einen Schutzstatus. Das Verfahren aber müssen sie nach den geltenden Verteilungsregeln in den Staaten durchführen, in denen sie zuerst registriert wurden. Dass das nicht zu oft Deutschland ist, regelt die Ministerin auf dem praktischen Weg, indem sie die Fahndung an der Grenze zu Tschechien intensiviert und auch die Grenzkontrollen zu Österreich verlängert hat. Viele Menschen werden so an der Einreise nach Deutschland gehindert.

 

2. mdr 21.10.2022

West-Balkan-Route - Faeser will irreguläre Migration beschränken

Über die westlichen Balkan Staaten sind bis September 2022 fast dreimal so viele Menschen in die Europäische Union geflüchtet als noch ein Jahr zuvor. Die Europäische Kommission spricht von 86.000 irregulären Grenzübertretungen. Die Innenministerin sieht die Staaten des Westbalkans und vor allem Serbien in der Pflicht, ihre Grenzen besser zu bewachen und Visaverfahren anzupassen, um Durchreisen zu verhindern. In Berlin erhöht die Ministerin den Druck.

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine treibt immer mehr Ukrainerinnen und Ukrainer in die Flucht. Allein bis August dieses Jahres floh bereits eine Millionen Menschen nach Deutschland. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) geht davon aus, dass es bis Jahresende mehr Menschen sein werden als im Jahr 2015.

Die Solidarität in der EU und Deutschland ist groß. Nach Polen hat die Bundesregierung bisher das zweitgrößte Kontingent von Geflüchteten aufgenommen. Ukrainerinnen und Ukrainer müssen dank einer EU-Richtlinie, die temporären Schutz gewährleistet, keine Asylanträge stellen. Somit können sie, insofern vorhanden, direkt Wohnungen beziehen und ihre Kinder in Kitas und Schulen betreuen lassen.

Auch wenn die Asylbehörden damit nicht direkt für die ukrainischen Geflüchteten zuständig seien, kämen Sozialleistungsbehörden, Jobvermittlungen und NGOs an die Belastungsgrenze, erklärt Marcus Engler vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM).

Steigende Zahlen auch aus anderen Herkunftsstaaten

Zusätzlich steigt jetzt auch die Zahl Geflüchteter aus anderen Herkunftsstaaten wieder stärker an. Bis Ende September stellten 135.000 Geflüchtete aus diesen Staaten Asylanträge in der Bundesrepublik. Die meisten von ihnen kommen aus Nord-Afrika, und dem Nahen Osten. Für Engler gibt es einen klaren Zusammenhang mit dem Ende der Pandemie. Über zwei Jahre lang, sei an den Grenzen kaum ein Durchkommen gewesen. Jetzt würden viele Geflüchtete über die Westbalkan-Route ihr Glück versuchen. Manche von ihnen kämen aus Tunesien, Marokko, um in der EU eine Arbeit zu finden, andere flüchteten aus Afghanistan oder Syrien und erreichten den Balkan über die Türkei. Das seien jedoch nur wenige, da die Grenzkontrollen sowohl in der Türkei als auch in Staaten wie Griechenland oder Kroatien sehr repressiv und teilweise gewalttätig seien, sagt Engler.

Weiter sei klar, dass viele der Geflüchteten immer wieder durch illegale Push Backs und Zurückweisungen an den Grenzen zurückgedrängt würden, eine Weile abwarten und es dann wieder mit einer Einreise versuchen, so der Migrationsforscher. Wie groß die Zahl der Geflüchteten in den Westbalkan-Staaten sei, könne also keiner genau sagen. Es sei jedoch offensichtlich, dass viele der Geflohenen mehrfach in den Statistiken der Grenzbeamten erfasst würden.

Der serbische Sonderfall

Schon seit Wochen fordert Bundesinnenministerin Nancy Faeser Serbien dazu auf, seine Visa-Praxis an die EU anzupassen. Dabei betont die Ministerin immer wieder die EU Beitritts-Ambitionen des Landes. Serbien würde Bürgerinnen und Bürger von Staaten einreisen lassen, die das Kosovo nicht anerkennen, das sei unakzeptabel. Tatsächlich dürfen in Serbien Menschen aus Indien, Kuba, Tunesien, Burundi und anderen Staaten ohne Visa einreisen. Der EU ist das ein Dorn im Auge. Steht sie doch unter enormen Druck. Staaten wie Österreich und Ungarn werfen der EU immer wieder vor, zu wenig gegen illegale Grenzübertritte zu tun.

Faeser erhöht den Druck

In Berlin traten am Donnerstag EU Kommission, Bundesinnenministerin Faeser mit europäischen Kolleginnen und Kollegen und ihren Amtskollegen aus den Westbalkan-Staaten zusammen. Ein Teil des Ergebnisses stand schon Ende der Konferenz fest, hatte Serbien doch bereits angekündigt, die Visa-Verfahren bis zum Jahresende europäisieren zu wollen.

Doch der Nachdruck der europäischen Institutionen dürfte in Berlin klargemacht worden sein. Weiter verkündigen Faeser und EU Kommissarin Johansson, dass die Kontrollen der europäischen Grenzschutzagentur Frontex im Westbalkan verstärkt werden sollen. Man wolle Menschen schützen, die vor Krieg und politischer Verfolgung fliehen, so Faeser. Gleichzeitig müsse man aber auch gegen irreguläre Migration vorgehen, so die Innenministerin.

Die Frage bleibt offen, wie stark damit auch die Migration von Geflüchteten aus Afghanistan und Syrien begrenzt wird, die durchaus eine Chance auf ein erfolgreiches Asylverfahren in der EU hätten.

 

3. Tagesschau 20.10.2022

Balkanroute EU will Migration eindämmen

Die EU und die Westbalkanstaaten haben einen engeren Austausch in der Flüchtlingspolitik beschlossen. Nötig sei eine Angleichung der Visapolitik an EU-Regeln und eine effektive Sicherung der EU-Außengrenzen.

Deutschland und die EU wollen mit den Staaten des westlichen Balkans die irreguläre Migration über die sogenannte Balkanroute begrenzen. Dabei seien aber keine schnellen Lösungen zu erwarten, dämpfte Bundesinnenministerin Nancy Faeser nach einem Treffen mit ihren Amtskolleginnen und -kollegen aus 16 anderen Staaten in Berlin die Erwartungen.

Doppelt so viele Treffen angestrebt

Es sei aber vereinbart worden, sich im sogenannten Berliner Prozess nun halbjährlich statt jährlich zu treffen. Notwendig sei ein Bündel von Maßnahmen, um gegen die jüngsten Entwicklungen auf der Westbalkanroute vorzugehen, betonte Faeser.

Hierzu gehörten eine Angleichung der Visapolitik der Westbalkanstaaten an EU-Standards, die wirksame Bekämpfung von Schleuserkriminalität, ein effektiver Grenzschutz sowie verlässliche Verfahren zur Rückführung von Menschen, die in der EU kein Bleiberecht hätten. Da dies keine leichten Themen seien, sei "ein dauerhafter, umfassender und vertrauensvoller Austausch" mit den Westbalkanländern nötig.

Dreimal so viele Migranten wie in Vorjahren

Nach Angaben der EU-Grenzschutzagentur Frontex sind seit Jahresbeginn über die sogenannte Balkanroute mehr als 106.000 Menschen irregulär in die EU gelangt, 170 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Das ist der höchste Stand seit 2016.

EU-Innenkommissarin Ylva Johansson kommentierte: "Wir müssen und können in diesem Bereich wirklich mehr tun, und es ist sehr eng mit der Bekämpfung des organisierten Verbrechens verknüpft."

Laut EU-Innenkommissarin Ylva Johansson hat es dieses Jahr über die westliche Balkanroute dreimal so viele Ankünfte und Versuche gegeben, in die EU zu gelangen, wie in den Jahren zuvor.

Ausbau von Frontex

Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Faeser kündigte Johansson an, daher die Präsenz von Frontex-Beamten weiter auszubauen. Bisher seien im Westbalkan bisher 300 EU-Beamte im Einsatz. Johansson will nun dem EU-Rat vorschlagen, dass Frontex-Beamte künftig nicht mehr nur die Westbalkanstaaten bei der Sicherung der Außengrenzen unterstützten, sondern auch an den Binnengrenzen zwischen den Westbalkanländern eingesetzt werden könnten, sagte sie.

Hierzu will die Innenkommissarin die sogenannten Statusabkommen zum Frontex-Einsatz mit Serbien, Albanien, Kosovo und Montenegro neu verhandeln. Außerdem sollen die westlichen Balkanländer bei der Rückführung von Drittstaatsangehörigen in ihre Herkunftsländer stärker unterstützt werden.

Mit Blick auf die Aufnahme von Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, betonte Faeser auch: "Wir stehen zu unserer humanitären Verantwortung - gemeinsam." Laut Faeser geht es darum, nicht zuzulassen, dass irreguläre Migration letztlich den Menschen schade, die auf widrigsten Umständen auf diese Wege gezwungen würden. "Und vor allen Dingen auch nicht denjenigen, die unter einem enormen Schutzbedürfnis stehen und hier in Deutschland eine Heimat finden sollen", sagte Faeser.


4. ZDF 20.10.2022

Migrationsforscher Knaus : "Der Druck entsteht durch legale Migration"

Über die "Balkanroute" kommen wieder mehr Geflüchtete in die EU. Bundesinnenministerin Faeser will diese Einreisen eindämmen. Migrationsforscher Knaus hält das für nicht möglich.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat vor einer Konferenz mit Vertretern der Westbalkan-Staaten gefordert, die illegale Migration über die sogenannte Balkanroute einzudämmen. Migrationsforscher Gerald Knaus hält das für nicht möglich.

Faeser sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, man stehe in Europa gemeinsam in der Verantwortung, illegale Einreisen zu stoppen, "damit wir weiter den Menschen helfen können, die dringend unsere Unterstützung brauchen".

Wir haben seit Kriegsbeginn mehr als eine Million Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland aufgenommen. Nancy Faeser

Daneben kämen aber auch über das Mittelmeer und die Balkanroute wieder mehr Menschen nach Europa.

Migrationsforscher Knaus: "Der Druck entsteht durch legale Migration"

Der Migrationsforscher und Mitgründer der Denkfabrik European Stability Initiative, Gerald Knaus, hält Versuche, die Einwanderung über die Balkanroute in die EU zu verhindern, dagegen für nutzlos. Dem RND sagte er:

Das Schließen der Balkanroute hat bisher noch nie funktioniert. Gerald Knaus

"Der Druck entsteht derzeit nicht durch illegale, sondern durch legale Migration. Neun von zehn Flüchtlingen kommen aus der Ukraine", so Knaus.

Viele Menschen kämen derzeit zum Beispiel aus Serbien "über Ungarn in die EU, obwohl es dort einen Grenzzaun und Pushbacks gibt." Ob man jetzt Ungarn den Rücken stärken bei seiner Gewalt wolle, "die nichts bewirkt", fragte Knaus.

Diskussion über Balkanroute in Berlin

Am Donnerstag beraten Vertreter der Westbalkan-Länder und EU-Länder über die Migration über die Balkanroute in Berlin. Laut Faeser geht es dabei um ein Bündel von Maßnahmen. Dazu zählten die Angleichung der Visapolitik der Westbalkan-Staaten an EU-Standards, die Bekämpfung der Schleuserkriminalität und die Gewährleistung eines effektiven Grenzschutzes.


5. Die NZZ am 21.10.2022 in der Aktualisierung ihrer Übersicht

Die Migrationskrise in Europa - Die wichtigten Fakten und News

Die neusten Entwicklungen

Migrationskrise in Europa: Schleuserring in Griechenland zerschlagen

Die griechischen Inseln, die Balkanroute und der Ärmelkanal. Neben den Fluchtbewegungen aus der Ukraine versuchen noch immer täglich Migranten, unter Lebensgefahr nach Europa zu gelangen.

Die neusten Entwicklungen

  • Die griechische Polizei hat eine Schleuserbande mit mindestens 23 Mitgliedern zerschlagen. Wie Athens Polizeidirektion am Freitag (21. 10.) mitteilte, wurden drei Griechen und sechs Ausländer festgenommen. Nach 14 mutmasslichen Mittätern werde gefahndet. Die Schleuser hätten seit Monaten systematisch Migranten von der Türkei aus über den Grenzfluss Evros nach Griechenland gebracht. Dafür verlangten sie demnach 6000 Euro pro Person. In einem Unterschlupf der Bande seien 900 000 Euro sichergestellt worden, teilte die Polizei mit. Laut den Angaben wurden die Flüchtlinge nach Überquerung der griechisch-türkischen Grenze von Mitgliedern der Bande abgeholt und mit gestohlenen Fahrzeugen zum Hafen von Thessaloniki gebracht. Von dort an verlangten sie demnach weiteres Geld: Der Transfer bis nach Nordmazedonien kostete etwa 1500 Euro, die Schleusung bis nach Westeuropa 3000 Euro und ein gefälschter Pass bis zu 1600 Euro.
  • Die private Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen hat im zentralen Mittelmeer mehr als 100 Personen aus Seenot gerettet. Das Team der «Geo Barents» nahm in der Nacht zu Montag (17. 10.) vor der Küste Libyens in zwei Einsätzen knapp 120 Menschen an Bord, wie die Organisation auf Twitter schrieb. Es war bereits Wasser in das Boot der Migranten eingedrungen, wie es weiter hiess. Nach dem nun fünften Einsatz befinden sich nach Angaben der Organisation etwas mehr als 290 gerettete Menschen auf der «Geo Barents».
  • Frontex hat einen Vorfall bestätigt, bei dem 92 Migrantinnen und Migranten am vergangenen Freitag (14. 10) nackt über den Fluss Evros von der Türkei nach Griechenland getrieben worden sind. Frontex-Beamte hätten die griechischen Behörden bei der Rettung der Menschen unterstützt, teilte eine Sprecherin von Frontex am Sonntagabend mit. Am Samstag hatten griechische Medien ein Foto veröffentlicht, das die nackten Menschen zeigte. Athen und Ankara schoben sich am Wochenende gegenseitig die Schuld am Vorfall zu.
  • In den ersten neun Monaten des Jahres 2022 haben rund 228 240 Menschen versucht, illegal in die EU zu gelangen. Das waren 70 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres, wie die EU-Grenzschutzagentur Frontex am Donnerstag (13. 10.) in Warschau mitteilte. Es ist auch der höchste Wert für die ersten drei Quartale eines Jahres seit 2016. Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die in die EU einreisen, werden bei dieser Statistik nicht mitgezählt, wie Frontex betonte. Im September registrierte die Behörde insgesamt 33 380 illegale Grenzüberschreitungen, davon 19 160 über die Westbalkan-Route. Das waren doppelt so viele wie im selben Zeitraum 2021. 
  • Weissrussische Sicherheitskräfte haben nach Angaben des litauischen Grenzschutzes einer Gruppe von Migranten dabei geholfen, illegal die Grenze zum benachbarten Litauen zu überschreiten. Dazu sollen mehrere bewaffnete Beamte die Menschen an den von Litauen gebauten Grenzzaun begleitet und die Barriere beschädigt haben, wie der Grenzschutz am Freitag (7. 10.) auf Facebook mitteilte. Ein von der Behörde in Vilnius veröffentlichtes Video soll den Vorfall belegen. Die Aufnahmen seien an der litauisch-weissrussischen Grenze gemacht worden. Dort durchschnitten Beamte wohl den Stacheldraht und brachen ein Tor im Zaun auf, durch das die Migranten auf litauisches Territorium gelangen konnten. Litauen hat wegen des illegalen Überschreitens der Staatsgrenze ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
  • Nach zwei schweren Schiffsunglücken mit Migranten in der Ägäis ist die Zahl der Toten auf 23 gestiegen. Das berichtete der griechische Staatssender ERT am Freitag (7. 10.). Mindestens 14 Personen würden weiterhin vermisst. Die Such- und Rettungsarbeiten gingen an beiden Unglücksstellen weiter, würden jedoch durch stürmischen Wind erschwert. Von Mittwoch auf Donnerstag waren in der Ägäis bei schwerem Wetter nacheinander zwei Boote verunglückt. Vor der Ostküste der Insel Lesbos kenterte ein Boot mit rund 40 Personen. Bei den Insassen soll es sich fast ausschliesslich um Frauen gehandelt haben, bis am Abend wurden 18 von ihnen tot geborgen, wie die griechische Küstenwache mitteilte. Später wurde mitgeteilt, dass auch ein Bub unter den Opfern sei. Vor der Insel Kythira war kurz nach dem ersten Unglück ein Segelboot mit rund 95 Personen, unter ihnen 18 Minderjährige, an den Felsen zerschellt. 80 Personen konnten in den folgenden Stunden gerettet werden. Fünf wurden bisher tot geborgen, zehn blieben auch am Freitag vermisst.

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