Menschenverachtende und tödliche Brutalität von Europas Grenzschützern

30.06.2022 Bilder der Toten von Melilla - offenkundiger können die Verbrechen an der Menschlichkeit nicht werden, die an Europas Außengrenzen traurige Normalität besitzen. Beauftragt von Regierungen und EU-Kommission und gestützt durch Abkommen mit den Türsteher-Ländern, bleiben diese Verbrechen ungesühnt.

Pro Asyl fordert in einer Pressemitteilung "Melilla: Bundesregierung muss sich einsetzen für die Beendigung der tödlichen EU-Kooperation mit Marokko bei der Grenzabwehr" und fasst die Brutalität aus traurigem Anlass zusammen:

Dreckige Deals, Misshandlungen und Tod an den EU-Grenzen

Immer häufiger berichten Medien über systematische Verletzungen der Menschenrechte an den Außengrenzen, immer brutaler werden die Methoden der Grenzschützer. Doch ohne vernünftige Kontrollinstanzen bleiben die Taten ungestraft.

Die vergangenen Tage brachten schockierende Nachrichten von den europäischen Außengrenzen. In Melilla starben mindestens 23 Menschen beim Versuch, in die Europäische Union einzureisen. Trotz der zahlreichen Toten und dutzender Misshandelter lobte der Innenminister Spaniens das Vorgehen der Sicherheitsbehörden.

In Griechenland erpressen Grenzschützer Schutzsuchende, die zuvor selbst Opfer schwerster Menschenrechtsverletzungen durch eben jene Behörden geworden sind. Sie erpressen sie, zum Teil  versklaven sie diese und zwingen sie zur Mitwirkung bei ihren völkerrechtswidrigen Pushbacks – das zeigt eine neue Recherche verschiedener Medien, die Betroffene dieser Praktiken ausfindig machen konnten.

Die Betroffenen berichten von Schlägen, sollten sie ihre Arbeit verweigern. Während ihrer erzwungenen Arbeit wurden sie von der Polizei »Zellen« untergebracht. Nahrung, Wasser und medizinische Versorgung gab es nur unregelmäßig.

Griechenland hat ein massives Rechtsstaatsproblem

Angesichts dieses neuen Tiefpunkts ist das Vertrauen in den griechischen Rechtsstaat ein weiteres Mal erschüttert worden. Deutlich wird: Griechenland hat unter der Regierung Mitsotakis ein massives Rechtsstaatsproblem.

Seit Jahren beobachtet PRO ASYL mit den Partner*innen in Griechenland die Spirale der Gewalt gegenüber Geflüchteten mit Sorge und dokumentiert die Menschenrechtsverletzungen. Immer wieder kommt es zu Toten. Zuletzt schockierten Berichte über Flüchtlinge, die von der Küstenwache ohne Rettungswesten zurück ins Meer geworfen und dort zum Sterben zurückgelassen wurden.

Trotz zahlreicher, gut dokumentierter Menschenrechtsverletzungen gibt es bisher keinerlei Sanktionen gegen die EU-Mitgliedsstaaten!

Und erst im April war der bisherige Leiter der europäischen Grenzschutzagentur Frontex zurückgetreten, nachdem die Vertuschung illegaler Pushbacks durch seine Behörde bekannt geworden war.

Trotz der Berichterstattung fehlt es bislang an Konsequenzen. Die Regierung in Athen scheint die völkerrechtswidrigen Praktiken an den Außengrenzen zu billigen oder sogar zu befürworten. Doch auch die Europäische Union verschließt in Sachen Flüchtlingsschutz die Augen vor den Menschenrechtsverletzungen. Die EU-Kommission darf aber nicht weiter auf die »Selbstkontrolle«  des griechischen Staates bei Menschenrechtsverletzungen vertrauen. Diese »Selbstkontrolle« funktioniert offensichtlich nicht.

Während weiter Projekte zur Sicherung der Grenze unterstützt und Haftlager für Schutzsuchende mitfinanziert werden, machte die Europäische Kommission bisher keinerlei Anstalten, die völkerrechtswidrigen Praktiken einiger Mitgliedsstaaten zu unterbinden oder zu sanktionieren.

Mit EU Geldern zurück in die Folter- und Vergewaltigungslager Libyens

Während die griechischen Sicherheitsbehörden ihren schmutzigen Deal vor der Öffentlichkeit geheim hielten, werden solche Deals an anderen Grenzabschnitten formalisiert.

Im Mittelmeer macht sich die Europäische Union zum direkten Mittäter der systematischen Menschenrechtsverletzungen. So trägt Frontex etwa durch die Luftüberwachung dazu bei, Flüchtlingsboote im Mittelmeer zu erkennen und übermittelt Echtzeitdaten an die sogenannte »libysche Küstenwache«. Diese Milizen, die wiederholt zivile Seenotretter*innen mit dem Tode bedroht und deren Schiffe beschossen, werden von EU-Geldern finanziert und schleppen die flüchtenden Menschen in die Folter- und Vergewaltigungslager Libyens zurück.

Gelder für menschenrechtsfeindliche Monarchien

Auf dem afrikanischen Kontinent kooperiert die spanische Regierung mit den marokkanischen Behörden zur Grenzsicherung ihrer Exklaven Ceuta und Melilla.

Millionen von Geldern gehen an einen Staat, in dem Oppostionelle Inhaftierung und Folter fürchten müssen!

Marokko ist auch seit Jahren ein enger Partner der EU bei der sogenannten »Migrationskontrolle«. Für das Abschotten der europäischen Grenzen erhält der marokkanische Staat jährlich viele Millionen Euro. Dabei steht er selbst immer wieder in der Kritik, Menschenrechte zu verletzen. Der nordafrikanische Staat ist eine konstitutionelle Monarchie, in dem Oppositionelle Inhaftierung und Folter fürchten müssen. Auch die Rechte von Frauen oder Homosexuellen werden missachtet.

Am vergangenen Wochenende nun misshandelten marokkanische Grenzschützer Geflüchtete, die versuchten, die Grenzanlagen nach Melilla zu überwinden. Mindestens 23 Todesopfer waren die Folge. Dort fallen die letzten Tabus in der europäischen Abwehrpolitik, indem das Sterben von Migrant*innen nicht nur ignoriert oder in Kauf genommen, sondern bewusst herbeigeführt wird. Das Recht auf Leben und Schutz sowie die Menschenwürde lösen sich dort am Grenzzaun auf.

Es braucht einen RECHTS-Schutz an den Außengrenzen!

Angesichts all dieser eklatanten Menschenrechtsverletzungen braucht es jetzt endlich ein politisches Erdbeben. Seit Jahren dokumentieren UN- Organisationen, der Europarat,  Menschenrechtsorganisationen und Medien die Eskalation der Gewalt an den Außengrenzen, doch Konsequenzen blieben bislang aus.

Daher braucht es eine funktionierende, internationale Kontrollinstanz, die die vielfältigen Menschenrechtsverletzungen lückenlos aufklärt und die Verantwortlichen und ihre Hintermänner zur Rechenschaft zieht. Einen Vorschlag für einen solchen Überwachungsmechanismus hatte PRO ASYL bereits vor einigen Wochen vorgelegt.

(jo)