Nach Corona-Ausbruch in ZUE St. Augustin - Kirchen drängen auf Konsequenzen

Dezentrale Unterbringung durch Kommunen, bei Weiterbetrieb der ZUE maximale Aufenthaltsdauer von 6 Monaten, Integrationsangebote und Beschulung der Kinder. / Musterbrief mit Forderungen  

02.07.2020 Durch die konzentrierte Unterkunft in den Landeseinrichtungen waren Gesundheit und Leben vieler Hundert Schutzsuchender massiv gefährdet. Abstands- und Hygieneregeln konnten nicht eingehalten werden. Nach und nach kam es zu massiver Ausbreitung von Corona-Infektionen in Bad Muffendorf, Königswinter, „Ermekeil“  und St. Augustin. In besonderem Ausmaß, das sogar bundesweit für Aufsehen sorgte, waren die in St. Augustin Untergebrachten betroffen. Dabei waren nicht einmal alle dort vorhandenen 500 Plätze belegt gewesen. Nun seien alle frei von Infektion, es gebe keine Verdachtsfälle, erklärt die zuständige Bezirksregierung.

Doch wenn sich an der zentralen Unterbringung in derartigen Sammelunterkünften nichts ändert, droht ständig eine weitere Infektionswelle, die Schutzsuchende, das Personal und Ehrenamtliche betreffen kann. Der Hauptausschuss von St. Augustin forderte nun eine Verkleinerung der ZUE. Die katholischen und evangelischen Kirchengemeinden in St. Augustin und die Diakonie an Rhein und Sieg gehen weiter und drängen auf ein Umdenken der Landesregierung und verstärkte Integrationsbemühungen, zum Beispiel durch dezentrale Unterbringung in den Kommunen, die genügend Platz dafür vorhalten, ebenso wie durch Begrenzung der Aufenthaltsdauer auf 6 Monate. (Die rechtlichen Rahmenbedingungen dagegen beinhalten bis zu 24 Monate Aufenthalt in den Landeseinrichtungen, solange nicht über das Asylverfahren entschieden ist; diese Dauer wird vielfach auch ausgeschöpft.)

In ihrer gemeinsamen Erklärung heißt es: „ Im März artikulierten bei uns Bewohner*Innen immer wieder die Sorge vor einer Ansteckung. Dies haben wir über die Stadt an die Bezirksregierung als Trägerin der Einrichtung weitergeleitet, die ihrerseits betonte,alle nötigen Vorkehrungen getroffen zu haben. Dies hat sich als viel zu optimistisch herausgestellt. Es war absehbar, dass auf absolut beengtem Raum ein Infektionsgeschehen nicht kontrollierbar ist. Aufgrund dessen, aber auch mit Blick auf die zu Beginn genannten Gründe, erschließt sich uns nicht, dass die Landesregierung an den zentralen Unterbringungen festhält. Auf kommunaler Ebene gibt es genügend freie Plätze zur dezentralen Unterbringung.

Es steht für uns außer Frage, dass Folgendes unabdingbar ist, falls die Landesregierung sich für einen Weiterbetrieb entscheidet:

Die Einrichtung darf nur betrieben werden, wenn ausreichend Personal (gerade auch an Sozialarbeitern)vor Ort ist.

Jeder Tag Bildung zählt! Auch für Kinder, die hierher geflüchtet sind. Daher muss eine Beschulung während des Aufenthalts in der ZUE sichergestellt sein.

•Die Aufenthaltszeiten für alle Bewohner müssen wieder auf max. 6 Monate reduziert werden. Gerade für Familien darf es hier keine Kompromisse geben.

•Wenn die Einrichtung in Corona-Zeiten betrieben wird, muss eine regelmäßige Kontrolle durch das Gesundheitsamt erfolgen. Werden die durch die Landesregierung getroffenen Vorgaben nicht erfüllt, muss der Betrieb umgehend eingestellt werden.“ Darauf wollen die Gemeinden nun verstärkt hinarbeiten.

Ihre bittere Bilanz am Ende der gemeinsamen Erklärung: „Es ist nicht vermittelbar, dass Menschen über Jahre unter solchen Bedingungen hier vor Ort leben müssen, und wir müssen uns selbstkritisch hinterfragen, warum wir dies über die letzten Jahre so mitgetragen haben.“

Quelle: https://www.ev-kirche-niederpleis.de/wp-content/uploads/2020/06/Stellungnahme-der-Kirchen-zum-Weiterbetrieb-der-ZUE-in-Sankt-Augustin.pdf

Der Bonner General Anzeiger berichtete am 1. 7. unter der Überschrift: In Sammelunterkunft ZUE : Kirchen kritisieren Unterbringung von Flüchtlingen in Sankt Augustin.

 

Der Flüchtlingsrat NRW hat einen "Musterbrief Infektionsschutz für alle: Flüchtlinge dezentral unterbringen!" erarbeitet. Damit soll es Engagierten erleichtern werden, Forderungen bezüglich der Sammelunterkünfte an Kommunen, Bezirksregierungen und Landesregierung zu richten. Weil "...Sammelunterkünfte aktuell ein besonderes Gesundheitsrisiko darstellen. ... muss nun akut Abhilfe geschaffen werden. Zudem sollte eingefordert werden, in den Kommunen zukünftig verbindliche Qualitätsstandards mit bevorzugt dezentraler Unterbringung in Privatwohnungen zu etablieren.", heißt es dazu.

Aus dem Textvorschlag:

In seinen Handlungsempfehlungen vom 07. Mai 2020 formuliert das RKI ausdrücklich, dass die gesetzlichen Kontaktbeschränkungen des Bundes und der Landesregierungen auch in Gemeinschaftsunterkünften für Flüchtlinge umsetzbar sein müssen. Ansonsten sind diese Unterkünfte als potentielle Hotspots eine Gefährdung nicht nur für alle Bewohner*innen und Mitarbeiter*innen, sondern für den gesamten Plan zur Eindämmung der Pandemie. Als Präventionsmaßnahme empfiehlt das RKI daher u. a. die Reduzierung der Belegung von Unterkünften und/oder die Nutzung weiterer Unterkünfte wie Wohnungen oder Hotels, insbesondere für Angehörige der Risikogruppe. Familien und Paare könnten weiterhin in einem Zimmer untergebracht werden, für andere Personen sollte eine Einzelzimmerunterbringung angestrebt werden.

Als Initiative XY sehen wir vor diesem Hintergrund akuten Handlungs- und Schutzbedarf!

Wir appellieren daher an Sie:

1. Insbesondere Gemeinschaftsunterkünfte ohne abgeschlossene Wohneinheiten, d.h. mit eigener Küche und Bad, aufzugeben. Wo dies kurzfristig nicht möglich ist:

2. Die Belegungsdichte in den Gemeinschaftsunterkünften deutlich zu reduzieren, d. h. Personen in Einzel- bzw. Familienzimmern unterzubringen; dafür ggf. freie Bereiche in bestehenden Unterkünften zu nutzen und weitere Kapazitäten durch Anmietung von Wohnungen und ggf. von Hotels und Jugendherbergen zu schaffen;

3. insbesondere Angehörige der vom RKI definierten Risikogruppen sowie vulnerable Personen zeitnah in Wohnungen bzw. abgeschlossenen Wohneinheiten unterzubringen und

4. langfristig in Zusammenarbeit mit […] ein Konzept zu entwickeln, das verbindliche Qualitätsstandards für die Unterbringung von Flüchtlingen mit bevorzugt dezentraler Unterbringung in Privatwohnungen vorsieht.

Mit freundlichen Grüßen ...."