in den Medien - im Wortlaut, Ausschnitten und Links.
zuletzt aktualisiert 06.10.2020
10.09.2020 Deutsche Debatte nach Moria-Brand "Das sind Europas Flüchtlinge" ARD Brennpunkt
Entwicklungsminister Müller drängt auf die Aufnahme von Flüchtlingen aus Moria. In der ARD nannte er die Zahl von 2000 Migranten. Innerhalb der EU müsse eine "Koalition der Willigen" vorangehen. Aus NRW kommen andere Töne.
Die Feuer im griechischen Flüchtlingslager Moria haben die prekären Zustände im Camp erneut in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Mehr als 12.000 Menschen leben unter stetiger Mangelversorgung auf einem Raum, der ursprünglich darauf ausgelegt war, etwa 2800 Migranten unterzubringen.
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller "empören diese Bilder" - von dem Brand, von dem Leben im Camp. Er selbst hatte das Lager bereits vor zwei Jahren besucht. "Das ist kein Flüchtlingscamp", sagt er im ARD-Brennpunkt:
"Das ist ein Gefängnis. Flüchtlinge werden eingepfercht wie Verbrecher."
Viele Hilfsangebote, aber keine Lösung
Und Müller betont: "Das sind nicht die Flüchtlinge Griechenlands. Das sind Europas Flüchtlinge." Und daher sieht er auch Europa und die Europäische Union in der Pflicht, sich auf eine Lösung für die Flüchtlingskrise zu einigen.
Dass etwas getan werden muss, darin waren sich heute viele EU-Politiker einig. Hilfsangebote kamen sowohl von der EU-Kommission als auch von der Bundesregierung. Auch aus den deutschen Parteien wurden die Forderungen laut, zu handeln: Moria müsse evakuiert werden und Deutschland mehr Flüchtlinge aufnehmen. Doch Bundesinnenminister Horst Seehofer drängt auf eine europäische Lösung bei der Aufnahme der Migranten.
Müller für Aufnahme von 2000 Flüchtlingen
CSU-Parteikollege Müller stellt in der ARD hingegen eine konkrete Zahl in den Raum: Die Bundesregierung solle die Angebote aus den Bundesländern und Kommunen annehmen und könne so 2000 Flüchtlinge aufnehmen. Und mit dem Blick auf die EU stellte Müller klar:
"Wir können nicht auf den Letzten warten. Es gibt hier keine Einstimmigkeit."
Die sogenannten Willigen, also die EU-Staaten, die sich offen für die Aufnahme von Migranten zeigen, könnten die Herausforderung innerhalb der nächsten Wochen meistern, zeigte sich Müller überzeugt: "Acht starke Staaten können das Problem jetzt lösen."
Eine Katastrophe mit Ansage
Die Eskalation der Lage in Moria war für Müller "eine Katastrophe mit Ansage". Und dabei meint er nicht nur die Brände, sondern auch den Corona-Ausbruch. Mehrere Bewohner des Camps wurden bereits positiv auf das Virus getestet. Das sei absehbar gewesen, kritisiert Müller, bei den "fürchterlichen Zuständen im Camp". Und für den Minister zeichnen sich bereits die nächsten Katastrophen ab: auf dem Balkan, im Libanon.
"Deutschland kann mehr tun"
Ähnliche Töne wie Müller schlägt auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet an. "Die Flüchtlinge betreten europäischen Boden", sagte der CDU-Politiker im Interview mit den tagesthemen. Daher sei die Flüchtlingskrise ein europäisches Problem. Und die EU sei in der Lage, eine Lösung zu finden - zwar "nicht mit allen europäischen Partnern, aber mit denen, die bereit sind, ein humanitäres Signal zu senden".
Auch Laschet zeigte sich überzeugt, dass Deutschland mehr tun könne. In Nordrhein-Westfalen hätten mehrere Städte angeboten, weitere Migranten aufzunehmen, über das von der Bundesregierung festgesetzte Kontingent von bundesweit 960 Familien mit Kindern hinaus.
Doch im Gegenzug zu Müller stellt sich Laschet mehr hinter den Kurs von Bundesinnenminister Seehofer. Dass der versuche, in Sachen Flüchtlingsaufnahme weitere EU-Staaten an Bord zu holen, sei der richtige Weg, so Laschet: "Deutschland wird einen großen Teil leisten können. Aber das Signal 'Deutschland schafft das allein' wäre falsch. Dann ziehen sich andere wieder zurück."
"Gewaltausbruch darf nicht belohnt werden"
Hessens Europaministerin Lucia Puttrich wandte sich gegen eine Aufnahme von Migranten aus Moria. "Dieser Gewaltausbruch einiger darf nicht belohnt werden. Weder durch eine Verlegung in andere europäische Länder noch bei der Dauer oder dem Ergebnis des Asylverfahrens", sagte die CDU-Politikerin der "Bild"-Zeitung. Die Europäische Union solle aber zugleich "alles dafür tun, die Bedingungen in diesen Einrichtungen zu verbessern" und "gemeinschaftlich Verantwortung tragen".
Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Marian Wendt will keine Aufnahme der von dem Brand betroffenen Migranten in Deutschland. "Wer Feuer legt und Löschmannschaften angreift, kann nicht nach Deutschland geholt werden", sagte er der Zeitung.
Quelle: https://www.tagesschau.de/inland/moria-brand-107.html
Deutsche Reaktionen auf Moria "Es gibt keine Ausreden mehr"
09.09.2020 Stand: ... ARD Tagesschau
Mit Entsetzen haben deutsche Politiker auf den Brand im Flüchtlingslager Moria reagiert. Deutschland müsse handeln, forderte etwa Grünen-Chefin Baerbock. Und SPD-Generalsekretär Klingbeil sagte: "Es gibt keine Ausreden mehr."
Die menschenunwürdigen Zustände im völlig überfüllten Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos sind lange bekannt - und gerne verdrängt. Der Brand in dem Camp bringt das Thema wieder in die Schlagzeilen.
Die Reaktion deutscher Politiker auf die Bilder aus Moria ist einhellig: Entsetzen, Bestürzung, scharfe Kritik. Aber auch Wut angesichts jahrelangen Wegsehens. "Deutschland muss handeln - nicht erst seit heute, sondern schon seit Jahren", sagte Grünen-Chefin Annalena Baerbock den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die griechischen Lager müssten evakuiert und die Menschen in Sicherheit gebracht werden. Sie verwies auf die Kapazitäten und eine überaus große Bereitschaft von Ländern und Kommunen zu helfen.
Brand im Lager Moria "Europäische Solidarität ist gefragt"
Stand: 09.09.2020 18:41 Uhr https://www.tagesschau.de/ausland/moria-brand-reaktionen-101.html
Parteiübergreifend haben EU-Politiker entsetzt auf den Brand im Flüchtlingslager Moria reagiert. Erste Finanzmittel sind zugesagt, doch der grundlegende Konflikt dauert an.
Erik Marquardt, Europaabgeordnete der Grünen, kennt das Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos sehr gut, seit 2015 war er immer wieder vor Ort. Er hat über unhaltbare Zustände berichtet, vor einer Katastrophe gewarnt und gefordert, dass sich dringend etwas ändern muss. Nach dem Großbrand wirft er den EU-Mitgliedstaaten Versagen vor. Er meint, dass sich die Debatte um die Migrationspolitik völlig von der Realität entkoppelt habe. Und weiter:
"Man hat viel zu viele Leute gehabt, die versucht haben, aus den Herausforderungen und Problemen, die wir an den Außengrenzen beobachtet haben, politisch Kapital zu schlagen."
Versagt haben die Mitgliedstaaten auch aus Sicht der Europaabgeordneten Birgit Sippel von der SPD: "Es gab eine Zusage, 1600 unbegleitete Minderjährige umzusiedeln - noch nicht einmal das ist zeitnah gelungen. Geschweige denn von der Umsiedlung weiterer 12.000 Menschen aus dem Lager."
400 unbegleitete Kinder sollen aufs Festland gebracht werden
Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen reagierte. Sie sei tief traurig, schrieb sie auf Twitter. Und dass die EU und ihre Mitgliedstaaten bereit seien, zu helfen.
Zuvor hatte bereits Innenkommissarin Ylva Johansson erklärt, dass die Kommission den unverzüglichen Transfer und die Unterbringung der verbleibenden 400 unbegleiteten Kinder und Jugendlichen aufs Festland finanzieren will.
Die Europaabgeordnete Lena Düpont von der CDU sagt: "Da können sich gerne einzelne Mitgliedstaaten anschließen. Denn in der akuten Situation ist vollkommen klar, dass europäische Solidarität gefragt ist." Düpont nennt die Lage an den EU-Außengrenzen "untragbar".
Forderungen an die Bundesregierung
Mehrere Parlamentarier fordern eine schnelle Evakuierung. Und dass die Mitgliedstaaten ganz konkrete Hilfe leisten. Die Bundesregierung zum Beispiel müsse umsetzen, was viele Kommunen angeboten hätten - nämlich freiwillig Flüchtlinge aufzunehmen - findet Europaabgeordnete Sippel. "Wir haben, glaube ich, 170 Kommunen, die das angeboten haben, da muss Herr Seehofer endlich diese Angebote nutzen und praktisch umsetzen."
12.09.2020 https://www.sueddeutsche.de/politik/norbert-roettgen-moria-cdu-laschet-1.5028610
Röttgen fordert stärkere Hilfsbereitschaft Deutschlands im Fall Moria
Der Kandidat für den CDU-Vorsitz ist der Auffassung, dass Deutschland notfalls im Alleingang 5000 Flüchtlinge aufnehmen soll. Er unterscheidet sich damit von seinen Mitbewerbern Laschet und Merz.
Der Brief ist nur wenige Zeilen lang, aber es mangelt ihm nicht an Klarheit. "Lieber Herr Seehofer", schreiben die Autoren. Angesichts "der furchtbaren Bilder aus dem brennenden Moria und der menschenunwürdigen Lage im Camp wenden wir uns gemeinsam mit der dringenden Bitte an Sie, Griechenland konkrete Hilfe anzubieten". Deutschland und Europa könnten und müssten mehr tun. Es gehe "jetzt nicht vorrangig darum, eine gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik zu gestalten", sondern darum, "offensichtliche menschliche Not zu lindern". Deutschland müsse deshalb "möglichst gemeinsam mit anderen EU-Staaten, aber notfalls auch alleine, 5000 Flüchtlinge" aus Griechenland aufnehmen. In einer humanitären Notlage dürfe Deutschland "nicht passiv bleiben oder auf andere warten".
Unterschrieben haben diesen Brief an Seehofer 16 Abgeordnete aus der Unionsfraktion - unter ihnen die Vorstandsmitglieder Michael Brand, Antje Tillmann und Roderich Kiesewetter sowie der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen. Wenn sich die Initiatoren Zeit gelassen hätten, hätten noch mehr Abgeordnete unterschrieben. Aber Röttgen & Co. war es wichtig, ihre Botschaft schnell loszuwerden.
Wie soll man mit dem Schrecken von Moria umgehen? Das beschäftigt natürlich auch die CDU. Und die Gruppe der 16 ist dabei der eine Pol in der Debatte. Zu dem anderen gehören Abgeordnete wie der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mathias Middelberg. Sie lehnen einen deutschen Alleingang vehement ab, weil das falsche Anreize setze und sich die anderen EU-Staaten dann zurücklehnen könnten. Zu diesem Lager gehört auch Friedrich Merz und der Großteil der Unionsfraktion. Armin Laschet, neben Röttgen und Merz dritter Kandidat für den CDU-Vorsitz, steht dazwischen.
Laschet: NRW nimmt bis zu 1000 Geflüchtete aus Moria auf
Anfang August hatte Laschet das Lager Moria selbst besucht. Er hat damals eindringlich auf die unzumutbare Situation dort hingewiesen. Einen "Aufschrei der Verzweifelten" habe er erlebt, sagte Laschet. Den Menschen müsse geholfen werden. Das war vor dem Brand in Moria, inzwischen ist die Lage dort noch schrecklicher als damals. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident hat angekündigt, dass sein Bundesland 1000 Flüchtlinge aufnehmen wolle. Aber er hat gleichzeitig vor einem deutschen Alleingang gewarnt. Der Aufforderung Röttgens an Seehofer, notfalls sogar 5000 Flüchtlinge im Alleingang aufzunehmen, hat sich Laschet nicht angeschlossen.
Röttgen greift seine zwei Mitbewerber um den CDU-Vorsitz zwar nicht direkt an. Aber er macht deutlich, dass er deren Positionen für unzureichend hält. "Auf diese humanitäre Notlage müssen wir schnell und angemessen reagieren, und das können wir auch", sagte Röttgen der Süddeutschen Zeitung. Es handele sich um eine "abgrenzbare humanitäre Notlage", bei der man deshalb "helfen könne, ohne falsche Anreize zu setzen". Und die Bereitschaft zur Hilfe sei "ja auch da: Es gibt zehn Großstädte in Deutschland, die Flüchtlinge aufnehmen wollen - auch Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen und Bayern haben sich bereit erklärt".
Röttgen hält deshalb nicht nur das, was die Bundesregierung bisher angeboten hat, für zu wenig. Er findet auch, dass das eine Situation ist, in der sich niemand politisch wegducken sollte. ... Seine Richtschnur: "Wir müssen uns auf die Stärke unserer Verantwortungsprinzipien besinnen - und dürfen keine Angst haben, menschlich zu handeln."
12.09.2020 Hinter ihnen das Feuer Mehr als 12.000 Menschen sind nach dem Brand des Flüchtlingslagers Moria ohne Obdach. Europäische Länder wollen 400 Minderjährige aufnehmen. Was wird aus den anderen?
»Wenn ich zurück ins Lager gehe, sterbe ich vielleicht.« Die erste Nacht hat Milad aus Afghanistan im Wald verbracht. Bis dahin hatte er das Lager in Moria auf der griechischen Insel Lesbos 176 Tage lang kaum mehr verlassen. 176 Tage währte eine Ausgangssperre im Camp. Obwohl es keine Corona-Fälle gab, wussten die griechischen Autoritäten ganz genau: Wenn sich das Virus hier ausbreitet, gibt es kein Halt mehr. Und das Elend, das in diesem Flüchtlingslager produziert wurde, die kalte Enge, die Not von Moria würde zum Problem für die ganze Insel werden, vielleicht für ganz Griechenland.
Am Tag 177 der Ausgangssperre brannte das Lager ab. Milad erzählt in einer Videoschalte der humanitären Organisation Mission Lifeline von dem Brand. Er ist einer Kundgebung zugeschaltet, deren Teilnehmer die Bundesrepublik auffordern, mehr Menschen als angekündigt aus Moria aufzunehmen. Milad deutet mit dem Arm auf den Bereich im Lager, wo sein Zelt stand. Der Boden ist verkohlt, es sind nur noch Ruinen zu sehen.
Das Lager wurde 2015 errichtet. Auf dem ehemaligen Militärgelände sollten 3000 Flüchtlinge Platz finden. Mit dem EU-Türkei-Deal und der Einrichtung des »Hotspot-Konzeptes« sind es zwischenzeitlich 20 000 Menschen, die im Camp und in den Olivenhainen um es herum lebten. Einige warten seit Jahren auf die Bearbeitung ihrer Asylanträge.
Schon vor dem Brand konnte Milad diesen Ort wohl kaum ein Zuhause nennen. Nun ist er gänzlich obdachlos. Aus Angst vor einem erneuten Feuer, aus Angst vor der Polizei, aus Angst vor den Bürgerwehren, die sich zusammengetan haben, um die Flüchtlinge davon abzuhalten, in den nahen Dörfern Obdach zu suchen, verbringt er die Nächte im Wald. Viele seiner Freunde schlafen auf dem Parkplatz eines Lidl-Supermarktes in der Nähe der Brandstelle. Wie lange sie ausharren müssen? Ob sie in ein neues Lager oder in ein neues Land kommen? Zurzeit ist ihr Schicksal völlig unklar.
Seehofers Blockade durchbrechen
Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) wünscht sich, dass die Menschen aus Moria evakuiert werden. Mehrere Bundesländer - darunter auch Bremen - haben sich schon länger bereit erklärt, Menschen aus Moria aufzunehmen - zusätzlich zur normalen Quote. Nach dem Brand in Moria appeliert Bovenschulte nun an Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Die sei gefordert, »die Blockadehaltung des Innenministers zu durchbrechen«, so der Bremer Bürgermeister.
Die Stadt Bremen verfüge derzeit über 28 kommunale Flüchtlingsunterkünfte, teilte der Senat dem »nd« mit. Für den Fall, dass Deutschland sich bereiterklären würde, alle Menschen aus Moria aufzunehmen, müsste man in Bremen 120 Menschen aufnehmen. Dazu kommen natürlich Sozialarbeiter, Betreuung und Sprachkurse. Trotzdem: eine überschaubare Aufgabe.
Bovenschulte kritisierte daher die Position, weiterhin zunächst auf eine Einigung unter den EU-Ländern zu warten: »Nachdem ähnliche Vorstöße in der Vergangenheit stets an Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) gescheitert sind, steht zu befürchten, dass der Minister auch die aktuelle humanitäre Hilfe der Bundesländer verhindern wird.« Dabei sei die Situation in Moria inzwischen »vollends unerträglich«. Wiederholt habe Bremens Sozialministerin Anja Stahlmann (Grüne) an Innenminister Seehofer geschrieben, lange vor den Bränden in Moria.
Mit seinem Aufnahmewillen steht Bremen nicht alleine da. »Wir sind bereit, Menschen aus Moria aufzunehmen, um die humanitäre Katastrophe zu entschärfen«, heißt es in einem Schreiben der Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister von Hannover, Potsdam, Freiburg, Oldenburg, Düsseldorf, Göttingen, Gießen sowie Köln, Bielefeld und Krefeld. In dem Brief an Kanzlerin Merkel und Innenminister Seehofer vom Donnerstag heißt es, die Bundesregierung müsse nun vorangehen und dürfe nicht weiter auf eine gesamteuropäische Lösung warten.
180 Kommunen sind bereit, sofort Menschen aufzunehmen, meint Liza Pflaum, Sprecherin der »Seebrücke«. Das Bündnis organisierte am Mittwoch und Donnerstag Proteste, bei denen Zehntausende Menschen in verschiedenen deutschen Städten für die Aufnahme der Flüchtlinge protestierten.
Am Freitag verkündete Horst Seehofer dann seine Entscheidung: 100 bis 150 minderjährige Flüchtlinge wolle Deutschland evakuieren und aufnehmen. Im Verbund mit zehn anderen europäischen Staaten nimmt Deutschland 400 Minderjährige aus Moria aus. Von geschätzt über 12.000 Menschen, die dort ausharren. Eine Koalition der Unwilligen.
Ohne die Zustimmung des Bundesinnenministeriums kann keine Kommune mehr Flüchtlinge aufnehmen. Als Thüringen und Berlin Flüchtlinge aus Moria aufnehmen wollten, verweigerte das Ministerium die Zustimmung. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik.
Lager sind Teil der Strategie
Warum diese Weigerung? Die Migrationsforscherin Clara Anne Bünger glaubt, die überfüllten Lager sind fester Bestandteil von dem, was sich Horst Seehofer unter einer Strategie vorstellt, Migration zu kontrollieren. Am 30. September will die EU-Kommission ein neues Migrationskonzept vorstellen. Drei Pfeiler sind bereits bekannt: Es soll mehr Deals mit Herkunfts- und Transitländern geben, ähnlich wie der EU-Türkei-Deal; mehr Grenzschutz; und ein EU-weites Verteilungssystem.
Das »Containment«, also die enge Zusammenpferchung von Schutzsuchenden in Lagern an den Außengrenzen, sei »ein zentraler Bestandteil dieser Strategie«, und diene auch der Abschottung, meint Bünger, die auch Mitgründerin der Rechtshilfe-Organisation »Equal Rights Beyond Borders« ist.
Die Lager oder »Hot-Spots«, in denen die Asylanträge schnell abgearbeitet werden sollen, von denen aus Menschen zurückgeschickt und auch inhaftiert werden können, sollen von einer temporären Lösung zu einem dauerhaften Zustand werden. Dazu passt, das laut dem Vizepräsident der EU-Kommission, Margaritis Schinas, in Moria erneut ein Camp - die Rede war von einem »Zentrum« - entstehen soll.
Bisher sind solche Zentren juristisch kaum im EU-Recht erwähnt. Die Beibehaltung der Lager, ja ihre rechtliche Absicherung, das ist Seehofers Vision. Der Brand in Moria kommt zu einem schlechten Zeitpunkt. Ob er seine Pläne trotzdem umsetzten kann, hängt wohl auch von der deutschen Reaktion ab.
Auf der Insel Lesbos luden derweil am Freitag Hubschrauber graue Pakete auf einem Feld ab. 12000 Zelte will das UNHCR und das griechische Militär hier aufbauen. Sie sollen auf einem umzäunten Gelände aufgestellt werden, das rund drei Kilometer vom Hafen entfernt ist. Die obdachlosen Flüchtlinge sollten »bald« dorthin gebracht werden, hieß es aus Polizeikreisen. Wie lange Milad und die anderen wohl dort bleiben werden?
nd-DIE WOCHE Quelle: https://www.neues-deutschland.de/artikel/1141687.moria-hinter-ihnen-das-feuer.html
15.09.2020 Der Deutsche Städtetag hat die Bundesregierung zu einer "mutigen Entscheidung" über die Aufnahme von Flüchtlingen aus Moria aufgefordert. Friedrich Merz kritisiert derweil Forderungen nach einer europäischen Lösung.
... Städtetagspräsident Burkhard Jung sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Viele deutsche Städte stehen bereit, sofort Menschen aus Moria aufzunehmen. Es geht hier um eine akute Notlage. Deshalb dürfen wir nicht zögern."
Der Kandidat für den CDU-Vorsitz, Friedrich Merz, sieht die Suche nach einer europäischen Lösung für die Verteilung von Flüchtlingen auf der griechischen Insel Lesbos äußerst skeptisch. "Wenn ich es richtig sehe, hat Griechenland bisher nicht darum gebeten, Flüchtlinge aus Lesbos in der Europäischen Union aufzunehmen und auf einzelne Länder zu verteilen", sagte Merz.
Bilder von 2015 seien noch in Erinnerung
"Außer Luxemburg und Deutschland ist dazu ohnehin zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein anderes Mitgliedsland der EU bereit. Es macht daher weder Sinn, weiter nach einer 'europäischen Lösung' zur Verteilung zu suchen, noch in einen Überbietungswettbewerb in Deutschland einzutreten, wie viele Migranten wir denn aufnehmen sollen", so Merz weiter.
Noch seien die Bilder von 2015 in Erinnerung und auch der Satz, "dass sich diese Lage nicht wiederholen darf", sagte der frühere Unionsfraktionsvorsitzende, der sich damit erstmals zu dem Thema positionierte.
Merz argumentierte weiter, er sehe "zwei Wege zur Lösung des Problems: Wir helfen den Griechen erstens mit allen Mitteln, die wir haben, die Flüchtlinge dort menschenwürdig unterzubringen. Dazu haben wir mit dem Roten Kreuz und dem Technischen Hilfswerk bestens ausgebildete und ausgerüstete Hilfsorganisationen." Zudem sollte man mit Griechenland "der bereits im Europäischen Parlament diskutierten Option nähertreten, stillgelegte Kreuzfahrtschiffe für die zeitweise Unterbringung an den Außengrenzen der EU zu nutzen. Diese Schiffe könnten dann auch zur Durchführung der Asylverfahren genutzt werden." Quelle: t-online. Nachrichten https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/id_88574272/merz-nach-moria-brand-es-macht-keinen-sinn-nach-einer-europaeischen-loesung-zu-suchen.html
16.09.2020 Bayerischer Rundfunk.
Weber und Mützenich kritisieren andere EU-Staaten wegen Moria
EVP-Fraktionschef Manfred Weber bezeichnet die Situation in Moria als "Weckruf" und begrüßt die Entscheidung der Koalition rund 1.500 Flüchtlinge aus Griechenland aufzunehmen. Rolf Mützenich (SPD) kritisiert die anderen EU-Staaten heftig.
Nach der Koalitionseinigung zur Aufnahme von Flüchtlingen fordert der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber, eine europäische Lösung. Das sagte er im Interview mit der radioWelt auf Bayern 2.
"Lösen können wir das nur, wenn es uns im Herbst gelingt (...) in der EU jetzt endlich eine gesamtheitliche Antwort auf die Flüchtlingspolitik zu geben." EVP-Fraktionschef Manfred Weber
Zurückhaltung in der EU liegt auch an 2015
Die Ereignisse von Moria bezeichnet Weber als "Weckruf". Als Erklärung für die Zurückhaltung der anderen EU-Statten verweist Weber auf die Debatte um die Flüchtlingspolitik im Jahr 2015. "Das Jahr 2015 steckt allen ganz fest in den Knochen". Seine Analyse sei, dass viele Staaten so lange "dem Frieden nicht trauen, solange nicht klar ist, dass an der Außengrenze für Sicherheit gesorgt wird und wir auch Abgelehnte wieder zurückführen."
Die Entscheidung der Koalition, rund 1.500 anerkannte Flüchtlinge aus Griechenland aufzunehmen, begrüßt der CSU-Politiker.
"Humanität ist notwendig, weil wir in Moria schlicht und einfach jetzt helfen müssen und da war die Entscheidung, die die Bundesregierung gefällt hat, richtig und notwendig." EVP-Fraktionschef Manfred Weber
Balance zwischen Härte und Humanität
Weber beklagte erneut, dass es Europa nicht gelänge, abgelehnte Asylbewerber wieder in ihre Heimatländer zurückzuschicken.
"Deswegen brauchen wir eine Balance zwischen Härte bei der Rückführung, beim Grenzschutz, und Humanität beim Umgang mit den Menschen, die wirklich Flüchtlinge sind." EVP-Fraktionschef Manfred Weber
Kritik an anderen EU-Staaten
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich übt derweil heftige Kritik an den anderen EU-Staaten. Im Interview mit der radioWelt auf Bayern 2 sagte er:
"Das ist ganz bitter. Ich bin manchmal auch sprachlos, wie einzelne Regierungen wie zum Beispiel in Österreich mit dem Leid von Menschen (...) umgehen und ich frage mich manchmal, wie die Grünen das in dieser Koalitionsregierung aushalten." Rolf Mützenich, SPD-Fraktionsvorsitzender
Mützenich hofft darauf, dass es nun in Österreich und auch in anderen europäischen Staaten, eine innenpolitische Debatte über die Aufnahme von Flüchtlingen geben wird.
Neuer Schub durch gemeinsames Verfahren
Der SPD-Fraktionschef sagte weiter:
"Wir haben in der Vergangenheit immer erlebt, dass, wenn zum Beispiel Flüchtlingsschiffe anlegen, dann waren am Ende doch einige europäische Staaten bereit zu helfen." Rolf Mützenich, SPD-Fraktionsvorsitzender
Er hoffe weiter darauf, dass durch die Vorstellung eines gemeinsamen europäischen Verfahrens kommenden Mittwoch, "ein neuer Schub entsteht."
Quelle: https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/weber-und-muetzenich-kritisieren-andere-eu-staaten-wegen-moria,SAjvLpr
16.09.2019 BR zur Debatte im Bundestag
Seehofer: Flüchtlingsaufnahme überfordert uns nicht
Bundesinnenminister Horst Seehofer hat die Entscheidung der Bundesregierung, rund 1.500 anerkannte Flüchtlinge aufzunehmen, verteidigt. Im Bundestag sagte Seehofer, das Paket sei human und machbar. Es werde Deutschland auch nicht überfordern.
Eine Stunde lang steht Horst Seehofer den Abgeordneten aller Fraktionen Rede und Antwort. Im Mittelpunkt: Die Zusage der Bundesregierung, Flüchtlinge aus Griechenland aufzunehmen. Die AfD wirft dem Bundesinnenminister vor, die Bundesregierung lasse sich angesichts der Bilder vom brennenden Flüchtlingslager Moria "erpressen" und schaffe neue Anreize für Flüchtlinge. Grüne und Linke üben ebenfalls Kritik, wenn auch mit ganz anderen Vorzeichen: Ihnen gehen die Zusagen nicht weit genug und sie befürchten, dass die Bundesregierung ein derzeit geöffnetes Zeitfenster für eine echte europäische Lösung in der Asylpolitik nicht nutzt.
Seehofer: "Humane Antwort"
Seehofer betont immer wieder, die Zusage der Bundesregierung sei eine humane Antwort auf das, was sich auf den griechischen Inseln gerade abspiele. Und er, als deutscher Innenminister, sei im Übrigen der einzige aus der Runde der EU-Ressortchefs, der überhaupt einen Lösungsvorschlag auf den Tisch gelegt habe. Rund 1.500 anerkannte Flüchtlinge aufzunehmen, werde Deutschland nicht überfordern. Schon jetzt sei absehbar, dass Deutschland in diesem Jahr die Grenze von 100.000 Asylbewerbern ohnehin nicht überschreiten werde.
EU-Asylpolitik – "absolut armselig"
Der Forderung nach einer europäischen Asyl- und Flüchtlingspolitik schließt sich Seehofer dabei an. Er verweist darauf, dass die EU-Kommission in der kommenden Woche den lange angekündigten "Pakt für Migration und Asyl" vorlegen wolle. Hier wird der Bundesinnenminister deutlich: "Was die EU bisher abgeliefert hat, ist für die europäische Idee absolut armselig". Wobei zur Wahrheit dazu gehört, dass eine gemeinsame Linie nur mit einem einstimmigen "Ja" aller 27 Staats- und Regierungschefs zu bekommen ist. Diese Einstimmigkeit zur Aufnahme von Flüchtlingen ist weiter nicht in Sicht. Seehofer sieht hier einen Ausweg aus dem Dilemma: "Wer nicht solidarisch ist, muss das finanziell spüren".
"Ausbalancierte Lösung"
Am Vormittag hatte Seehofer bereits den innenpolitischen Experten der Bundestagsfraktionen Rede und Antwort gestanden. Dabei argumentierte er so: Die Meinungen zum Thema "Flüchtlinge aufnehmen" seien hierzulande "sehr heterogen", in einer solchen Situation sei man gut beraten, keine extremen Positionen zu verfolgen. Seehofer beansprucht für sich, eine "Politik mit Augenmaß" zu betreiben. Er habe sich gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel binnen kurzer Zeit auf eine "ausbalancierte Lösung" verständigt: Hilfe vor Ort in Griechenland und in Kombination dazu die Zusage, rund 1.500 Flüchtlinge aufzunehmen. Dabei handelt es sich um etwa 400 Familien, die sich derzeit auf fünf griechischen Inseln befinden, und die bereits als schutzbedürftig anerkannt wurden.
Unionsfraktion: CDU kritisiert, CSU nicht
In der Unions-Bundestagsfraktion stößt manchem diese politische Vereinbarung der Großen Koalition sauer auf. Fraktionschef Ralph Brinkhaus etwa moniert, warum Deutschland im Alleingang handele, statt regelkonform auf eine europäische Lösung zu warten.
Fraktions-Vize Carsten Linnemann befürchtet, dass mit Seehofers Plan genau diese angestrebte EU-Lösung in weite Ferne rückt. Auffallend dabei: Die Kritik am Bundesinnenminister kommt aus den Reihen der CDU-Politiker. Fragt man dagegen Abgeordnete der CSU, hört es sich ganz anders an. Sie stellen sich hinter ihren Parteifreund Seehofer. Landesgruppenchef Alexander Dobrindt findet, der Plan von Merkel und Seehofer sei "gut gelungen".
16.09.2020 Kritik an Seehofer: Stamp fordert mehr Engagement für Flüchtlinge
Nordrhein-Westfalens Flüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP) hat der schwarz-roten Bundesregierung nach der Brandkatastrophe im griechischen Flüchtlingslager Moria mangelndes Engagement für eine europäische Lösung vorgeworfen. „Hier kommt vom Bundesinnenminister (Horst Seehofer/CSU) und auch vom Bundesaußenminister (Heiko Maas/SPD) einfach viel zu wenig“, sagte Stamp am Mittwoch in einer Aktuellen Stunde des Landtags. Es könne doch nicht der Anspruch der europäischen Ratspräsidentschaft sein, „dass man mal ein paar Abteilungsleiter in anderen Ländern antelefoniert, ob es dort Bereitschaft gibt“. Vielmehr müsse man in diese EU-Länder fahren und Hilfe konkret einfordern. „Da kommt mir von Horst Seehofer einfach zu wenig“, so Stamp. „Und ich finde, dass man am Ende einer Karriere ein Bundesinnenministerium auch nicht in Teilzeit führen kann.“ ...
Quelle: https://www.aachener-zeitung.de/nrw-region/stamp-fordert-mehr-engagement-fuer-fluechtlinge_aid-53387511
17.09.2020 ARD-DeutschlandTrend
87 Prozent der Wahlberechtigten befürworten grundsätzlich eine Aufnahme von Flüchtlingen aus Moria.
Im ARD-DeutschlandTrend sprechen sich 87 Prozent der Befragten für die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem abgebrannten Lager Moria aus. Rund die Hälfte von ihnen macht aber zur Bedingung, dass es eine europaweite Verteilung gibt.
Eine große Mehrheit der Deutschen spricht sich grundsätzlich dafür aus, Menschen aus dem abgebrannten griechischen Flüchtlingslager Moria aufzunehmen. Zu diesem Ergebnis kommt der DeutschlandTrend im ARD-Morgenmagazin. Demnach sind vier von zehn Wahlberechtigten (43 Prozent) der Ansicht, dass Deutschland auf jeden Fall Flüchtlinge aus Moria aufnehmen sollte. 44 Prozent finden, Flüchtlinge aus dem zerstörten Lager sollten nur unter der Bedingung aufgenommen werden, dass sich die EU-Staaten auf eine europaweite Verteilung der Hilfssuchenden einigen. Jeder Zehnte ist prinzipiell gegen eine Aufnahme.
Zusagen der deutschen Regierung - keine Hilfe für die Obdachlosen von Lesbos
15.09. Deutschland nimmt weitere 1500 Flüchtlinge auf
Fast eine Woche diskutiert die deutsche Politik schon darüber, welche und vor allem wie viele Menschen von den griechischen Inseln nach Deutschland geholt werden. Jetzt hat die Bundesregierung ihr Angebot an Griechenland verzehnfacht.https://www.dw.com/de/deutschland-nimmt-weitere-1500-fl%C3%BCchtlinge-auf/av-54938949
16.09.2020 Deutschland zur Aufnahme von 1500 Flüchtlingen bereit
Deutschland hat sich bereit erklärt, 1500, von Griechenland bereits als schutzbedürftig anerkannte, Flüchtlinge aufzunehmen. Jedoch nicht nur von Lesbos, wo das größte Flüchtlingslager abgebrannt ist, sondern auch aus anderen Flüchtlingslagern im Land. https://www.dw.com/de/deutschland-zur-aufnahme-von-1500-fl%C3%BCchtlingen-bereit/av-54954972
Wie geht es inzwischen weiter in Griechenland?
Nach Brand in Moria "Das neue Camp ist Pflicht"
14.09.2020 Die Flüchtlinge aus Moria sollen in einem Zeltlager bei Kara Tepe auf Lesbos unterkommen. Viele weigern sich aber und wollen aufs Festland. Doch die Regierung in Athen stellt klar, dass der Umzug "keine freiwillige Sache" sei.
Es soll das neue temporäre Zuhause auf der griechischen Insel Lesbos sein: ein provisorisch aufgebautes Camp nur wenige Kilometer neben dem abgebrannten Flüchtlinglager Moria, auf dem Gelände des ehemaligen Schießübungsplatzes Kara Tepe. Hier sollen die rund 12.000 Migranten hin, die bei dem Brand alles verloren haben.
Doch das wollen nicht alle, es regt sich Widerstand. Gerüchte machen die Runde, das provisorische Lager könnte eine Art Gefängnis werden, das niemand verlassen kann. "All die Menschen, sie wollen nicht im neuen Lager sein. Sie wollen hier sitzen, das ist besser als im neuen Camp. Alle Menschen wollen Freiheit, sie wollen nach Europa gehen und nicht hierbleiben", erklärte der junge Afghane Abdul Qadir.
Migrationsminister macht Druck
Dennoch sind die ersten 500 Migranten schon in das neue Camp gezogen. Die anderen sollen folgen. Zumindest, wenn es nach dem griechischen Migrationsminister Notis Mitarakis geht. Er hat alle obdachlos gewordenen Migranten aufgerufen, sofort das neue Zeltlager zu beziehen. Für einen schnellen Umzug hat der Integrationsminister ein Druckmittel.
"Asylanträge werden nur für diejenigen bearbeitet, die im neuen Camp sind. Das neue Camp ist keine freiwillige Sache, es ist Pflicht", stellte der Minister heute in einem Radio-Interview klar. Jeder der ins Land gekommen sei, müsse auch die Gesetze respektieren.
Quelle: https://www.tagesschau.de/ausland/lesbos-kara-tepe-zeltlager-101.html
Feuer auch auf Samos
15.09.2020 Auf der griechischen Insel Samos ist am Dienstagabend nahe dem Flüchtlingslager Vathy ein Feuer ausgebrochen. Inzwischen sei der Brand halbwegs unter Kontrolle, berichtete das Onlineportal Samos Today https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-09/griechenland-fluechtlingslager-samos-brand-feuer-moria
21.09.2020 Wie erleben migrierte und geflüchtete Jugendliche auf Lesbos ihre Lage nach dem Feuer in Moria?
"ICH DACHTE, ICH WÜRDE VERBRENNEN": KINDERSCHICKSALE AUS MORIA
GEFLÜCHTETE JUGENDLICHE ERZÄHLEN IHRE GESCHICHTE
Zum ersten Mal haben sie alles verloren, als sie ihre Heimat verließen, um Krieg, Armut und Gewalt hinter sich zu lassen. Zusammen mit ihren Familien – oder manche auch alleine, ganz auf sich gestellt – waren Tausende Kinder aus Afrika oder Asien nach Europa geflüchtet. Worauf sie hofften? Auf Sicherheit und ein friedliches Leben.
weiter lesen hier
20.09.2020 Von Elisabeth Heinze, Thessaloniki: nd DER TAG https://www.neues-deutschland.de/artikel/1142052.moria-k-ein-neues-moria.html
(K)ein neues Moria
Kara Tepe gilt als griechisches Vorzeigelager. Doch Flüchtlinge klagen bereits über katastrophale Verhältnisse
»Vorübergehend geschlossen« - gibt man »Flüchtlingslager Moria« in die Internetsuchmaschine ein, wird ein rotes Banner mit dieser Aufschrift angezeigt. Seit das riesige Lager auf der griechischen Insel Lesbos am 9. September vollständig abbrannte, kam es landesweit zu Verhaftungen: Mittlerweile wurden sechs Verdächtige festgenommen. Es handelt sich um junge Afghanen, darunter zwei Minderjährige. Auf der Insel Samos sind 13 Männer afghanischer Herkunft wegen des Verdachts auf Brandstiftung im dortigen Lager festgenommen worden. Zehn von ihnen wurden inzwischen wieder entlassen. Als Beweismittel dient der Polizei die Kommunikation auf den Handys. Allerdings wurden laut der Zeitung »Efimerida ton Sintakton« bis Ende vergangener Woche keine belastenden Mitteilungen gefunden.
15 Brände wurden vergangene Woche in und in der Nähe von Flüchtlingslagern auf dem griechischen Festland gemeldet. Einige Feuer entstanden offenbar, weil sich Geflüchtete oder Viehzüchter nachts wärmen wollten. Vergangenen Freitag wurden auf Samos ein syrischer und ein gambischer Mann verhaftet, die die dortigen »Insassen« über den Onlinenachrichtendienst Whatsapp animiert haben sollen, Feuer im Lager zu legen. Der TV-Sender Star TV legte mit mutmaßlichen Flyern nach, in denen zur Revolte im Lager aufgerufen wird. Migranten könnten sich womöglich vernetzt haben - dieses »Schreckbild« zeichnen sowohl einige Medien als auch Regierung und Polizei. Letztere äußert die Sorge, dass Lagerbewohner an anderer Stelle dem Beispiel Moria folgen könnten.
Die Kriminalisierung der Migranten wurde erneut nach dem Brand in Moria deutlich. Regierungssprecher Stelios Petsas bezeichnete die Bewohner von Moria als »undankbare« Schuldige: »Einige respektieren das Land nicht, in dem sie leben. Sie nutzen jede Gelegenheit, um eine Lösung in Flammen aufgehen zu lassen«, sagte er. »Sie haben es getan, weil sie dachten, wenn sie Moria in Brand stecken würden, würden sie die Insel wahllos verlassen. Wir antworten ihnen, dass sie es nicht verstanden haben.«
Die Opposition kritisierte den Fokus der Regierung auf die Straftat der Brandstiftung: »Wenn ich 16, 17 Jahre alt und durch Millionen Wellen gegangen wäre, um das Gelobte Land Europa zu erreichen, und stattdessen in der Hölle von Moria gelandet wäre, hätte ich auch einen Brand gelegt«, so der Syriza-Politiker Antonis Liakos in einem Facebook-Post vom Freitag.
21.09.2020 Beitrag Rechte Kampagne gegen Flüchtlinge, nd https://www.neues-deutschland.de/artikel/1142051.afd-rechte-kampagne-gegen-fluechtlinge.html
AfD und Medien machen gegen Moria-Schutzsuchende Stimmung
In den letzten Monaten stagnieren rechte Parteien auch in Deutschland in der Wählergunst. Analyst*innen nennen als Gründe neben dem innerparteilichen Streit in der AfD auch den Bedeutungsverlust, den das Flüchtlingsthema in großen Teilen der Bevölkerung gerade in Zeiten von Corona erlitten hat. Nach dem Brand in dem Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos versuchen nichtsdestotrotz rechte Gruppen und Medien, mit einer Kampagne gegen die weitere Aufnahme von Schutzsuchenden hierzulande wieder zu punkten. »Keine weiteren Flüchtlinge aus Moria aufnehmen«, lautet etwa die Überschrift einer Petition der rechten Wochenzeitung »Junge Freiheit« (JF), die in wenigen Tagen von fast 19 000 Menschen unterschrieben wurde. In der Begründung werden die Bewohner*innen des Lagers zu Brandstifter*innen erklärt. »Durch eine jetzige Aufnahme der Migranten aus Moria würde das fatale Signal in die Welt gesendet, dass es sich auszahlt, Lager in Brand zu setzen«, heißt es dort.
Damit gibt die JF eine Argumentationslinie vor, die von unterschiedlichen Spektren der Rechten derzeit wiederholt wird. Auf der Onlineplattform PI-News, in der viele Autor*innen dem rechten Flügel der AfD nahestehen, werden die in der »Jungen Freiheit« formulieren Thesen in hetzerischem Ton aufbereitet. »Willkommen in Deutschland, ihr Brandstifter«, lautet dort ein Beitrag. Auf einem Foto sind Geflüchtete zu sehen, die gegen ihre schlechten Lebensverhältnisse protestieren. Obwohl keine Brände zu sehen sind, heißt es in der Bildunterschrift: »Der Protest der Brandstifter des Lagers Moria hat sich gelohnt. Deutschland hilft.«
Damit soll eine neue flüchtlingsfeindliche Kampagne in Deutschland befördert werden. Das rechte Magazin »Compact« von Jürgen Elsässer titelte reißerisch: »Erst Moria - dann Samos - und wann brennt Europa?« Auch AfD-Politiker*innen, wie deren innenpolitischer Sprecher Gottfried Curio, versuchen, mit der Kampagne wieder in die Offensive zu kommen. Hilfestellung bekommen sie auch aus der sogenannten Mitte der Gesellschaft. So sendete der Deutschlandfunk vor wenigen Tagen den Kommentar von Silke Hasselmann, der die Thesen der Rechten zusammenfasst: »Doch zumindest solange der begründete Verdacht im Raum steht, dass einige Lagerbewohner nicht nur die Löscharbeiten behindert, sondern die Feuer selbst gelegt haben, darf Deutschland niemanden von dort herholen.«
Anders als die rechten Medien räumt die Deutschlandfunk-Korrespondentin ein, dass höchstens einige Lagerbewohner*innen für die Brandstiftung verantwortlich sein können - und will aber trotzdem alle Lagerbewohner*innen kollektiv dafür in Haftung nehmen. Ihr Beitrag sorgte für Empörung in den sozialen Medien, weil sie sich auch Gedanken machte, wie die Migrant*innen selektiert werden sollen. Im Onlinetext wurde der inkriminierte Begriff durch »ausgewählt« ersetzt. »Wir haben den Begriff ausgetauscht, der bedauerlicherweise NS-Konnotationen hervorgerufen hat, die von unserer Autorin in keinem Fall beabsichtigt waren«, schrieb die Deutschlandfunk-Redaktion. Über die Frage, wie stark ein solcher Kommentar die rechte Kampagne gegen Geflüchtete befeuert, macht sich wohl im Sender dagegen niemand Gedanken.
23.09 Die EU-Kommissare kündigen an, dass eine "schnelle Eingreiftruppe der EU" nach Lesbos entsandt werden soll, um das neue Ersatzlager "Kara Tepe" zu managen.
Dort sind bis zu 10.000 Migranten untergebracht, die nach dem Brand im Lager "Moria" vor zwei Wochen obdachlos wurden. Diese Eingreiftruppe, EU-Beamte aus der Asylagentur EASO und von der Grenzschutzbehörde "Frontex", sollen die griechischen Behörden entlasten. Bislang waren allerdings auch schon 400 EU-Beamte auf Lesbos im Einsatz. Quelle: https://www.dw.com/de/eu-kommission-schl%C3%A4gt-neuen-migrations-pakt-vor/a-55028303
05.10.2020 Ausführlicher Bericht des Sozialmediziners Gerhard Trabert, der nach dem Brand in Moria war:
Lesbos: Hölle für geflüchtete Menschen auf europäischem Boden
Darin auch die Anmerkung: Es ist mir wichtig hervorzuheben, dass Moria und jetzt das neue Kara-Tepe-Camp exemplarisch für die Situation so vieler geflüchteter Menschen in all den Flüchtlingslagern auf dieser Erde steht. Wir dürfen die Situation der Menschen in Libyen, im Libanon, in Jordanien, aber besonders auch in Syrien nicht vergessen. Gerade die Situation der Menschen in den Flüchtlingslagern in Nordsyrien, in der Rojava-Region, in Ain Issa, in al-Hol, in der Efriî-Region ist katastrophal, und niemand spricht über die Menschen, die dort leben müssen.