17.09.2020 Moria - schon lange vor dem verheerenden Brand war dieser Ortsname zum Inbegriff inhumaner europäischer Flüchtlingspolitik geworden. Der Schock über die Vernichtung erreichte und bewegte viele, aber leider nicht alle Entscheidungsträger*innen in den Regierungen Europas.
Nach urlaubsbedingtem Schweigen auf unserer Seite (ausgerechnet jetzt!) kommen hier eine Woche später Bewertungen und eine Zusammenstellung verschiedener Aussagen von Politiker*innen.
- Rede von Rainer van Heukelum, Seebrücke Bonn, bei der Mahnwache am 16.09.2020: Politische Entwicklung zur Flüchtlingsaufnahme seit dem Brand in Moria
- STELLUNGNAHME DER BONNER KIRCHEN, DER CARITAS UND DER DIAKONIE
„Ich war obdachlos und ihr habt mich aufgenommen“
Humanität und Nächstenliebe fordern klares Handeln für Lesbos Geflüchtete - Kommentar von Susanne Rohde, weltoffen
- Hintergrund: Chronologie des größten Flüchtlingslagers Europas
- Hinweis: Bemerkenswerte Stimmen in den Medien siehe hierzu die laufend aktualisierte Sammlung https://www.weltoffen-bonn.de/forum/nach-dem-brand-moria-bemerkenswerte-stimmen
- Mahnwache und Kundgebung der Seebrücke Bonn am 16.9.20 - Rede von Rainer van Heukelum:
Politische Entwicklung zur Flüchtlingsaufnahme seit dem Brand in Moria
Vor einer Woche haben wir hier gestanden, um nach dem verheerenden Brand des Flüchtlingslagers
in Moria die verfehlte Flüchtlingspolitik der EU anzuklagen und schnelle Lösungen anzumahnen.
Was ist seitdem passiert?
Deutschland- und europaweit wurde große Hilfsbereitschaft signalisiert … aber nicht für eine
Aufnahme der Geflüchteten sondern für Infrastrukturmaßnahmen in Moria, für Zelte, Decken,
Befriedigung der Grundbedürfnisse usw. und nicht zuletzt den Neubau eines Lagers. Hinter all
dieser versprochenen Nothilfe stand sicher auch insgeheim das Motto: „Griechenland, halt uns die
Geflüchteten vom Leib“. Und immer wieder das Mantra: Es braucht eine europäische Lösung,
Deutschland kann die Migrationspolitik nicht alleine lösen!
Doch es gab sie auch, die anderen Stimmen, die auf Humanität und Menschenrechte setzen:
- Mit Verweis auf die Ratspräsidentschaft wurde vielfach gefordert, Deutschland müsse in dieser
Situation vorangehen und ein deutliches Zeichen setzen.
- Eine Initiative von 16 CDU-Bundestagsabgeordneten, darunter Norbert Roettgen, ein Kandidat für
den CDU-Bundesvorsitz, forderte die sofortige Aufnahme von 5000 Menschen aus Moria von der
EU und gegebenenfalls auch von Deutschland alleine.
- Mehrere Bundesländer und Kommunen erklärten sich zum wiederholten Male bereit, Geflüchtete
aufzunehmen, darunter NRW, dass signalisierte, alleine 1000 im Land unterzubringen.
- Grüne, Linke und SPD forderten die Übernahme eines großen Kontingents der in Not Geratenen.
- Iuventa 10 rechnete vor, dass bei 170 aufnahmebereiten Kommunen in Deutschland jede im
Schnitt nur 75 aufnehmen müsse, dann seien die 13000 jetzt Obdachlosen aus Moria untergebracht.
- Auch die Stadt Bonn, die unmittelbar vor dem Brand noch einen Antrag im Stadtrat abgelehnt
hatte, 200 Geflüchtete aus den griechischen Lagern zu beherbergen, signalisierte durch ihre
Stadtsprecherin, Bonn sei bereit, Geflüchtete aufzunehmen, wenn NRW sie ihr zuweise.
Am 10. und 11.9. kam dann der große Auftritt von Macron, Merkel und Seehofer: Sie kündigten an,
400 unbegleitete Flüchtlinge aus Moria würden auf ca. 10 europäische Länder verteilt. Herr
Seehofer war sich nicht zu schade, die Tatsache, dass Deutschland davon 100 bis 150 übernehme,
als „Tat praktizierter Nächstenliebe“ zu verkünden!
Der Aufschrei war groß! Einerseits von der AFD, die darin wie bei jeder humanitären Geste die
Verstärkung des Pullfaktors sah und eine Belohnung für Brandstifter, viel größer aber von Politik,
Kirche und Zivilgesellschaft. Mit diesem „Angebot“ so offensichtlich der konkreten aktuellen Not
der Menschen auf Moria die kalte Schulter zu zeigen, war vielen Beobachter*innen und
Aktivist*innen unerträglich, die immer noch an die viel strapazierten europäischen Werte wie
Achtung der Menschenwürde und Humanität glauben.
Schließlich stellte die SPD am 13.9. der CDU ein 48-stündiges Ultimatum zur Vereinbarung einer
hohen fünfstelligen Zahl bei der Geflüchtetenaufnahme.
Ergebnis: Gestern verkündete die Bundesregierung, dass sie zusätzlich 408 Familien mit Kindern,
insgesamt 1553 Menschen, die schon als asylberechtigt anerkannt sind, aus Griechenland (d.h. wohl
auch aus Moria, aber vor allem aus anderen griechischen Lagern und vom griechischen Festland)
aufnehmen wolle als „große Geste der Humanität“ (Originalton Seehofer). Zusätzlich werde
Deutschland sich auch noch mit einem Kontingent bei einer noch ausstehenden europäischen
Lösung beteiligen.
Wie ist dieser Beschluss zu bewerten?
- Immerhin hat der Druck aus der Zivilgesellschaft dazu geführt, dass die Aufnahmezahl mehr als
verzehnfacht wurde.
- Immerhin wartet Deutschland nicht nur auf eine sicher notwendige europäische Lösung, sondern
tut selber einen kleinen Schritt.
- Immerhin bleibt zu hoffen, dass sich andere Länder diesem Vorangehen Deutschlands anschließen.
Nur: Die konkrete Notsituation in Moria wird so nicht gelöst.
- Anstatt alle obdachlos Gewordenen schnell und unbürokratisch von der insel zu evakuieren, wird
ein neues Lager gebaut, das weder die Inselbewohner*innen noch die Geflüchteten wollen.
- Anstatt die hohe Aufnahmebereitschaft von vielen Kommunen in ganz Europa zu akzeptieren,
werden die ehemaligen Lagerbewohner*innen mit Polizeigewalt in die neuen Lager gezwungen, mit
der Aussicht auf weiteres jahrelanges Dahinvegetieren.
- Anstatt mit hohem Personaleinsatz allen Betroffenen wenigstens schnelle Asylverfahren
anzubieten und sie solange z.B. auf Fähren, Kreuzfahrtschiffen, leerstehenden Hotels
menschenwürdig unterzubringen,
wird ihnen von der griechischen Regierung die Annahme von Asylanträgen verweigert, solange sie
nicht in die neuen Lager einziehen.
Mit vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen, die hier in Deutschland oder in Moria aktiv sind,
fordern wir deshalb:
- Kein Neubau von Abschreckungslagern in Moria oder anderswo auf Lesbos!
- Evakuierung aller 13000 obdachlos gewordenen Menschen in Moria und ihre Verteilung auf
aufnahmbereite europäische Länder, zur Not auch auf die Länder und Kommunen in Deutschland
allein!
- Anerkennung der Hilfsbereitschaft der Kommunen bei der Flüchtlingsaufnahme in ganz Europa!
- Konkretes Tun jetzt ohne das Warten auf den Sankt-Nimmerleinstag einer europäischen Lösung!
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STELLUNGNAHME DER BONNER KIRCHEN, DER CARITAS UND DER DIAKONIE
„Ich war obdachlos und ihr habt mich aufgenommen“ - Humanität und Nächstenliebe fordern klares Handeln für Lesbos Geflüchtete
Seit der Brandkatastrophe auf der griechischen Insel Lesbos hat es zahllose Appelle gegeben, den dort obdachlos gewordenen Flüchtlingen zu helfen. Viele in Politik, Gesellschaft und Kirche fordern seit Tagen schnelle Hilfe. Zahlreiche Kommunen haben sich inzwischen schon zur Aufnahme von Geflüchteten bereit erklärt.
Auch in Bonn sprechen sich viele Bürgerinnen und Bürger sowie zahlreiche Vertreter der politischen Parteien für die schnelle Aufnahme von Geflüchteten aus. Sie sind bereit, einen Beitrag zur Hilfe zu leisten. Kirchliche Dienste und Gemeinden, Wohlfahrtsverbände und Stiftungen sowie ehrenamtliche Initiativen, die in der Begleitung von Geflüchteten erfahren sind, sichern ihre Unterstützung zu.
Es ist bekannt, dass schon vor der Brandkatastrophe die Lebensumstände der Flüchtlinge auf Lesbos menschenunwürdig waren. Das Lager Moria war vollkommen überfüllt, die Hygienezustände, zumal in der Coronakrise, total inakzeptabel und die Situation der Kinder und Jugendlichen einfach nur trostlos. Das Lager Moria zeigte ein Bild, das Europa beschämen muss und mit seinen Vorstellungen von Menschenwürde in keiner Weise in Übereinstimmung zu bringen ist. Für die Lage der tausenden Obdachlosen nach dem Brand trifft das umso mehr zu. Wenn man die Werte der Europäischen Union und das Ideal christlicher Nächstenliebe nicht verraten will, muss jetzt unverzüglich gehandelt werden
Katholische und evangelische Kirchen in Bonn erklären deshalb: “Wir fordern alle Mitglieder im neuen und alten Rat der Stadt Bonn sowie die Verwaltung der Stadt Bonn auf, eine klare Aussage für die Aufnahme von Geflüchteten aus Moria in Bonn zu treffen. Wir wünschen, dass sie diese Entscheidung der Bundesregierung übermitteln und die Aufnahme einer nennenswerten Zahl von Betroffenen verlangen. Bonn als internationale und weltoffene Stadt muss im Einsatz für die obdachlosen Geflüchteten unmissverständlich sein und sich entschieden dafür einsetzen, dass der Anspruch auf eine unverletzbare Menschenwürde nicht an den EU-Außengrenzen endet.”
Dr. Wolfgang Picken Stadtdechant Katholische Kirche in Bonn, Dietmar Pistorius Superintendent Evangelischer Kirchenkreis Bonn, Jean-Pierre Schneider Caritasdirektor Caritasverband für die Stadt Bonn, Ulrich Hamacher Geschäftsführer Diakonisches Werk Bonn und Region
18.09. Update: In Folge dieser Stellungnahme findet heute auf Einladung von Sridharan ein Gespräch zwischen den Fraktionsvorsitzenden und Stadtdechant Picken statt.
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Moria in Flammen. Das neue Leid der Menschen dort lässt niemanden unbewegt. So sollte man jedenfalls meinen. Aber es ist nicht so.
Ein Kommentar zur Debatte von Susanne Rohde
Moria – es gibt Namen, die viel mehr sind als Namen. Für mich zählt Moria zählt seit langem dazu. Mit diesem Namen ist das Leid aller Migrant*innen verbunden, die sich auf den Weg nach Europa machen (müssen). Moria fordert Reaktionen – Hoffnungslosigkeit oder kampfbereite Wut bei denen, die dort verharren müssen, Gefühle der Ohnmacht und des nie ausreichenden Einsatzes bei denen, die zur Hilfe gekommen sind, Scham und Empörung bei weiten Teilen der europäischen Zivilgesellschaft, auch vor Ort, auch bei Politiker*innen. Und Abwenden, Hinnehmen oder sogar Verschärfen bei anderen und leider maßgeblichen Teilen der griechischen und europäischen Politik und Zivilgesellschaft, ebenfalls auch vor Ort.
Ist es Zufall, dass gerade Moria und nicht ein anderes „Moria“ abgebrannt ist?
Das Feuer hat zuerst einmal die Tausende Kinder und Erwachsene vernichtend getroffen, die ihre letzte Habe, ein paar Decken und Hütten verloren. Nicht nur die ersten paar Stunden lang leben sie auf der Straße, kämpfen um ein bisschen Wasser, Nahrung, Erleichterung.
Eine Lösung, die eine Erlösung aus dem Elend wäre, wird ihnen wohl nicht gewährt. Denn auch das neue Leid der Menschen dort bewegt nicht alle gleichermaßen. Die Hardliner bleiben hart und unerbittlich. Das könnte ja Nachahmung finden… Europa könnte „erpressbar“ werden…
Die griechische Regierung und europäische Rechtskräfte wollen Moria beibehalten, ein Ersatzlager wird schnell aufgebaut. Nur ja keine Überführung der dort seit langem Festsitzenden aufs Festland zulassen...
Wie Deutschland, wie Europa sich verhält, ist noch umstritten. Da gibt es die Angebote aufnahmebereiter Städte und Länder. Da gibt es kräftige Stimmen der Humanität: Wir können (uns) das leisten! Und da gibt es die schon oft gehörten Stimmen des NEIN. Entgegen aller humanen Werte wird die „Einheit Europas“ beschworen – keinen „Alleingang“ soll es geben, keine „Sogwirkung“ erzielt wollen... Nur ja auch jetzt keine schnelle Aufnahme! Wird es nun ein Gefeilsche um Zahlen werden, das sich über Monate hinzieht, wie es seit Jahresende 2019 nach der doch lauten, breiten Forderung nach Aufnahme unbegleiteter Kinder und Jugendlicher geschah? Erste Zusagen betrafen nur Hilfslieferungen und Unterstützung fern auf Lesbos. Eine provokant geringe Zahl von Kindern und Familien wurde genannt, die nach Deutschland gelangen könnten, solche, die ohnehin kommen dürften...
So wie früher von der „Flüchtlingskrise“ die Rede war, kommt jetzt das Wort vom „Flüchtlingsstreit“ auf.
Zentrale Figur ist Seehofer, in Deutschland, aber auch auf europäischer Ebene. Ein neues 2015 soll es mit ihm nicht geben, das ist sein Credo seit Jahren. Das soll sein politisches Vermächtnis sein. Darauf wird vermutlich auch die europäische „Reform“ hinauslaufen, die in der kommenden Woche in Brüssel vorgelegt werden soll. Schutzsuchende sollen nur bis an Europas Außengrenzen gelangen, und die dürfen keinesfalls aufweichen, sondern müssen noch besser verteidigt werden. Dafür steht auch Moria, und deshalb soll es rekonstruiert werden.
Jetzt fühlt Seehofer sich missverstanden, zu Unrecht angeprangert. Er beklagt vor dem Bundestag eine Schwächung durch die "Moralkeule", die Forderungen nach deutlicher Aufnahme. Der arme alte Mann! Aber wenn wir uns auf eines bei ihm verlassen können, dann auf sein Durchhaltevermögen. Zurücktreten wird er nicht! Mit ihm wird im nächsten Jahr ein Parteifreund das Kabinett verlassen, der eine ganz andere Entwicklung durchlebt hat: Entwicklungshilfeminister Gerd Müller, für dessen klare Worte und Einschätzung ich dankbar bin, auch wenn er sich nicht durchsetzen kann.
In den vergangenen acht Tagen war ich in Urlaub, ausgerechnet in dieser Zeit fern vom Netz, und verfolgte die Nachrichten von Moria im Radio oder Fernsehen. Jetzt versuche ich, die Ereignisse und wichtigsten Stimmen im Nachhinein zusammenzufassen. Ich bekomme angezeigt, dass so viele Menschen wie nie zuvor auf unsere Webseite geschaut haben, und bedaure, dass sie ausnahmeweise keine Infos fanden. Nur die wöchentlichen Mittwochsmahnwachen der Seebrücke Bonn waren angezeigt, und hier fanden sich deutlich mehr Menschen ein als üblich, um für die effektive Unterstützung der Verzweifelten von Lesbos und eine markante Aufnahme der Schutzsuchenden zu demonstrieren. LEAVE NO ONE BEHIND – Wir haben Platz!, sagen und bekräftigen wir. sr
13000 Stühle zeigen: Es ist Platz genug für Menschlichkeit
Wir haben Platz, zeigten 13000 leere Stühle vor dem Reichstagsgebäude. Eine eindrucksvolle Aktion unmittelbar vor dem Brand in Moria, am 7.9.2020. Vertreter*innen von Seebrücke, Sea-Watch, der Gruppe #LeaveNoOneBehind und Campact setzten ein anschauliches Zeichen zum Motto "Lager evakuieren, der Platz ist da!" Presse dazu z.B. https://rp-online.de/politik/deutschland/fluechtlingshelfer-protestieren-mit-13000-stuehlen-vor-dem-bundestag_aid-53203743https://www.pressreader.com/germany/neues-deutschland/20200908/281492163721065 https://www.domradio.de/themen/fluechtlingshilfe-und-integration/2020-09-07/ein-meer-aus-stuehlen-fluechtlingshelfer-demonstrieren-am-bundestag
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Chronologie des größten Flüchtlingslagers Europas
2009: Nahe der Hauptstadt von Lesbos, Mytilini, kommt es immer wieder zu Protesten. In einer alten Fabrikhalle betreibt die griechische Regierung das Lager Mytilini. 300 Menschen sollen hier Platz finden, es sind viele mehr, die dort interniert werden. Zeitweise bis zu 1200 Schutzsuchende leben hier unter beengten Verhältnissen. Am 18. August 2009 beginnen 160 minderjährige Flüchtlinge, die in einem einzigen Raum, mit nur einer Toilette, festgehalten wurden, einen Hungerstreik und fordern sofortige Freiheit.
Das No-Border-Netzwerk organisiert 2009 wegen der unmenschlichen Zustände ein No-Border-Camp. Nach anhaltenden Protesten wird das Lager geschlossen. Die letzten Bewohner verlassen es am 1. November 2009. Parallel baut die griechische Regierung mit EU-Geldern elf neue Flüchtlingslager.
2015: Auf einem frühere Areal des griechischen Militärs wird in der Nähe des Dorfes Moria ein Flüchtlingslager eröffnet. Es ist von der Europäischen Union (EU) als Registrierungs- und Aufnahmezentrum (»Hotspot«) zur Erstregistrierung von Geflüchteten und zur Durchführung der Asylverfahren vorgesehen. Es wird einmal das größte Flüchtlingslager in Europa werden.
2016: Alle Migranten und Flüchtlinge, die nach dem 20. März 2016 auf den griechischen Inseln ankommen, dürfen gemäß des Eu-Türkei-Deals nicht mehr aufs griechische Festland gebracht werden, sonst nimmt die Türkei sie nicht zurück. Am 19. September 2016 zerstört ein Brand rund 60 Prozent des Flüchtlingslagers. Am 15. November 2016 liefern sich Insassen stundenlange Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften. In der Nacht sterben zwei Migranten bei einer Gasexplosion.
2019: Im August ist das für 2800 Menschen ausgelegte Lager mit dem Vierfachen seiner Kapazität überbelegt. Giannis Balpakakis, der das Lager seit 2016 leitete, gibt wegen der zunehmend chaotischen Umstände auf.
2020: Im Januar leben bereits 19 000 Menschen im Lager. Am 3. Februar 2020 marschieren etwa 2000 Flüchtlinge zum Hafen der Inselhauptstadt Mytilini. Sie fordern die Bearbeitung ihrer Asylanträge und protestierten gegen die Lebensbedingungen im überfüllten Camp. Dann kommt Corona. Humanitäre Organisationen fordern die Evakuierung des Lagers. Die griechische Regierung stellt Moria unter eine Ausgangssperre. Im September gibt es den ersten Corona-Fall. Wenige Tage später brennt das Lager ab.
Quelle: https://www.neues-deutschland.de/artikel/1141687.moria-hinter-ihnen-das-feuer.html
siehe hierzu auch die laufend aktualisierte Sammlung https://www.weltoffen-bonn.de/forum/nach-dem-brand-moria-bemerkenswerte-stimmen
10.09.2020 ARD Brennpunkt. https://www.tagesschau.de/inland/moria-brand-107.html
Deutsche Debatte nach Moria-Brand "Das sind Europas Flüchtlinge"
Entwicklungsminister Müller drängt auf die Aufnahme von Flüchtlingen aus Moria. In der ARD nannte er die Zahl von 2000 Migranten. Innerhalb der EU müsse eine "Koalition der Willigen" vorangehen. Aus NRW kommen andere Töne.
Die Feuer im griechischen Flüchtlingslager Moria haben die prekären Zustände im Camp erneut in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Mehr als 12.000 Menschen leben unter stetiger Mangelversorgung auf einem Raum, der ursprünglich darauf ausgelegt war, etwa 2800 Migranten unterzubringen.
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller "empören diese Bilder" - von dem Brand, von dem Leben im Camp. Er selbst hatte das Lager bereits vor zwei Jahren besucht. "Das ist kein Flüchtlingscamp", sagt er im ARD-Brennpunkt:
"Das ist ein Gefängnis. Flüchtlinge werden eingepfercht wie Verbrecher."
Viele Hilfsangebote, aber keine Lösung
Und Müller betont: "Das sind nicht die Flüchtlinge Griechenlands. Das sind Europas Flüchtlinge." Und daher sieht er auch Europa und die Europäische Union in der Pflicht, sich auf eine Lösung für die Flüchtlingskrise zu einigen.
Das etwas getan werden muss, darin waren sich heute viele EU-Politiker einig. Hilfsangebote kamen sowohl von der EU-Kommission als auch von der Bundesregierung. Auch aus den deutschen Parteien wurden die Forderungen laut, zu handeln: Moria müsse evakuiert werden und Deutschland mehr Flüchtlinge aufnehmen. Doch Bundesinnenminister Horst Seehofer drängt auf eine europäische Lösung bei der Aufnahme der Migranten.
Müller für Aufnahme von 2000 Flüchtlingen
CSU-Parteikollege Müller stellt in der ARD hingegen eine konkrete Zahl in den Raum: Die Bundesregierung solle die Angebote aus den Bundesländern und Kommunen annehmen und könne so 2000 Flüchtlinge aufnehmen. Und mit dem Blick auf die EU stellte Müller klar:
"Wir können nicht auf den Letzten warten. Es gibt hier keine Einstimmigkeit."
Die sogenannten Willigen, also die EU-Staaten, die sich offen für die Aufnahme von Migranten zeigen, könnten die Herausforderung innerhalb der nächsten Wochen meistern, zeigte sich Müller überzeugt: "Acht starke Staaten können das Problem jetzt lösen."
Eine Katastrophe mit Ansage
Die Eskalation der Lage in Moria war für Müller "eine Katastrophe mit Ansage". Und dabei meint er nicht nur die Brände, sondern auch den Corona-Ausbruch. Mehrere Bewohner des Camps wurden bereits positiv auf das Virus getestet. Das sei absehbar gewesen, kritisiert Müller, bei den "fürchterlichen Zuständen im Camp". Und für den Minister zeichnen sich bereits die nächsten Katastrophen ab: auf dem Balkan, im Libanon.
"Deutschland kann mehr tun"
Ähnliche Töne wie Müller schlägt auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet an. "Die Flüchtlinge betreten europäischen Boden", sagte der CDU-Politiker im Interview mit den tagesthemen. Daher sei die Flüchtlingskrise ein europäisches Problem. Und die EU sei in der Lage, eine Lösung zu finden - zwar "nicht mit allen europäischen Partnern, aber mit denen, die bereit sind, ein humanitäres Signal zu senden".
Auch Laschet zeigte sich überzeugt, dass Deutschland mehr tun könne. In Nordrhein-Westfalen hätten mehrere Städte angeboten, weitere Migranten aufzunehmen, über das von der Bundesregierung festgesetzte Kontingent von bundesweit 960 Familien mit Kindern hinaus.
Doch im Gegenzug zu Müller stellt sich Laschet mehr hinter den Kurs von Bundesinnenminister Seehofer. Dass der versuche, in Sachen Flüchtlingsaufnahme weitere EU-Staaten an Bord zu holen, sei der richtige Weg, so Laschet: "Deutschland wird einen großen Teil leisten können. Aber das Signal 'Deutschland schafft das allein' wäre falsch. Dann ziehen sich andere wieder zurück."
"Gewaltausbruch darf nicht belohnt werden"
Hessens Europaministerin Lucia Puttrich wandte sich gegen eine Aufnahme von Migranten aus Moria. "Dieser Gewaltausbruch einiger darf nicht belohnt werden. Weder durch eine Verlegung in andere europäische Länder noch bei der Dauer oder dem Ergebnis des Asylverfahrens", sagte die CDU-Politikerin der "Bild"-Zeitung. Die Europäische Union solle aber zugleich "alles dafür tun, die Bedingungen in diesen Einrichtungen zu verbessern" und "gemeinschaftlich Verantwortung tragen".
Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Marian Wendt will keine Aufnahme der von dem Brand betroffenen Migranten in Deutschland. "Wer Feuer legt und Löschmannschaften angreift, kann nicht nach Deutschland geholt werden", sagte er der Zeitung.
Weitere Stimmen:
Deutsche Reaktionen auf Moria "Es gibt keine Ausreden mehr"
09.09.2020 ARD Stand: 09.09.2020 17:15 Uhr https://www.tagesschau.de/inland/moria-brand-reaktionen-deutschland-101.html
Mit Entsetzen haben deutsche Politiker auf den Brand im Flüchtlingslager Moria reagiert. Deutschland müsse handeln, forderte etwa Grünen-Chefin Baerbock. Und SPD-Generalsekretär Klingbeil sagte: "Es gibt keine Ausreden mehr."
Die menschenunwürdigen Zustände im völlig überfüllten Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos sind lange bekannt - und gerne verdrängt. Der Brand in dem Camp bringt das Thema wieder in die Schlagzeilen.
Die Reaktion deutscher Politiker auf die Bilder aus Moria ist einhellig: Entsetzen, Bestürzung, scharfe Kritik. Aber auch Wut angesichts jahrelangen Wegsehens. "Deutschland muss handeln - nicht erst seit heute, sondern schon seit Jahren", sagte Grünen-Chefin Annalena Baerbock den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die griechischen Lager müssten evakuiert und die Menschen in Sicherheit gebracht werden. Sie verwies auf die Kapazitäten und eine überaus große Bereitschaft von Ländern und Kommunen zu helfen.
Brand im Lager Moria "Europäische Solidarität ist gefragt"
Stand: 09.09.2020 18:41 Uhr https://www.tagesschau.de/ausland/moria-brand-reaktionen-101.html
Parteiübergreifend haben EU-Politiker entsetzt auf den Brand im Flüchtlingslager Moria reagiert. Erste Finanzmittel sind zugesagt, doch der grundlegende Konflikt dauert an.
Erik Marquardt, Europaabgeordnete der Grünen, kennt das Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos sehr gut, seit 2015 war er immer wieder vor Ort. Er hat über unhaltbare Zustände berichtet, vor einer Katastrophe gewarnt und gefordert, dass sich dringend etwas ändern muss. Nach dem Großbrand wirft er den EU-Mitgliedstaaten Versagen vor. Er meint, dass sich die Debatte um die Migrationspolitik völlig von der Realität entkoppelt habe. Und weiter:
"Man hat viel zu viele Leute gehabt, die versucht haben, aus den Herausforderungen und Problemen, die wir an den Außengrenzen beobachtet haben, politisch Kapital zu schlagen."
Versagt haben die Mitgliedstaaten auch aus Sicht der Europaabgeordneten Birgit Sippel von der SPD: "Es gab eine Zusage, 1600 unbegleitete Minderjährige umzusiedeln - noch nicht einmal das ist zeitnah gelungen. Geschweige denn von der Umsiedlung weiterer 12.000 Menschen aus dem Lager."
400 unbegleitete Kinder sollen aufs Festland gebracht werden
Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen reagierte. Sie sei tief traurig, schrieb sie auf Twitter. Und dass die EU und ihre Mitgliedstaaten bereit seien, zu helfen.
Zuvor hatte bereits Innenkommissarin Ylva Johansson erklärt, dass die Kommission den unverzüglichen Transfer und die Unterbringung der verbleibenden 400 unbegleiteten Kinder und Jugendlichen aufs Festland finanzieren will.
Die Europaabgeordnete Lena Düpont von der CDU sagt: "Da können sich gerne einzelne Mitgliedstaaten anschließen. Denn in der akuten Situation ist vollkommen klar, dass europäische Solidarität gefragt ist." Düpont nennt die Lage an den EU-Außengrenzen "untragbar".
Forderungen an die Bundesregierung
Mehrere Parlamentarier fordern eine schnelle Evakuierung. Und dass die Mitgliedstaaten ganz konkrete Hilfe leisten. Die Bundesregierung zum Beispiel müsse umsetzen, was viele Kommunen angeboten hätten - nämlich freiwillig Flüchtlinge aufzunehmen - findet Europaabgeordnete Sippel. "Wir haben, glaube ich, 170 Kommunen, die das angeboten haben, da muss Herr Seehofer endlich diese Angebote nutzen und praktisch umsetzen."
12.09.2020 https://www.sueddeutsche.de/politik/norbert-roettgen-moria-cdu-laschet-1.5028610
Röttgen fordert stärkere Hilfsbereitschaft Deutschlands im Fall Moria
Der Kandidat für den CDU-Vorsitz ist der Auffassung, dass Deutschland notfalls im Alleingang 5000 Flüchtlinge aufnehmen soll. Er unterscheidet sich damit von seinen Mitbewerbern Laschet und Merz.
Der Brief ist nur wenige Zeilen lang, aber es mangelt ihm nicht an Klarheit. "Lieber Herr Seehofer", schreiben die Autoren. Angesichts "der furchtbaren Bilder aus dem brennenden Moria und der menschenunwürdigen Lage im Camp wenden wir uns gemeinsam mit der dringenden Bitte an Sie, Griechenland konkrete Hilfe anzubieten". Deutschland und Europa könnten und müssten mehr tun. Es gehe "jetzt nicht vorrangig darum, eine gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik zu gestalten", sondern darum, "offensichtliche menschliche Not zu lindern". Deutschland müsse deshalb "möglichst gemeinsam mit anderen EU-Staaten, aber notfalls auch alleine, 5000 Flüchtlinge" aus Griechenland aufnehmen. In einer humanitären Notlage dürfe Deutschland "nicht passiv bleiben oder auf andere warten".
Unterschrieben haben diesen Brief an Seehofer 16 Abgeordnete aus der Unionsfraktion - unter ihnen die Vorstandsmitglieder Michael Brand, Antje Tillmann und Roderich Kiesewetter sowie der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen. Wenn sich die Initiatoren Zeit gelassen hätten, hätten noch mehr Abgeordnete unterschrieben. Aber Röttgen & Co. war es wichtig, ihre Botschaft schnell loszuwerden.
Wie soll man mit dem Schrecken von Moria umgehen? Das beschäftigt natürlich auch die CDU. Und die Gruppe der 16 ist dabei der eine Pol in der Debatte. Zu dem anderen gehören Abgeordnete wie der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mathias Middelberg. Sie lehnen einen deutschen Alleingang vehement ab, weil das falsche Anreize setze und sich die anderen EU-Staaten dann zurücklehnen könnten. Zu diesem Lager gehört auch Friedrich Merz und der Großteil der Unionsfraktion. Armin Laschet, neben Röttgen und Merz dritter Kandidat für den CDU-Vorsitz, steht dazwischen.
Laschet: NRW nimmt bis zu 1000 Geflüchtete aus Moria auf
Anfang August hatte Laschet das Lager Moria selbst besucht. Er hat damals eindringlich auf die unzumutbare Situation dort hingewiesen. Einen "Aufschrei der Verzweifelten" habe er erlebt, sagte Laschet. Den Menschen müsse geholfen werden. Das war vor dem Brand in Moria, inzwischen ist die Lage dort noch schrecklicher als damals. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident hat angekündigt, dass sein Bundesland 1000 Flüchtlinge aufnehmen wolle. Aber er hat gleichzeitig vor einem deutschen Alleingang gewarnt. Der Aufforderung Röttgens an Seehofer, notfalls sogar 5000 Flüchtlinge im Alleingang aufzunehmen, hat sich Laschet nicht angeschlossen.
Röttgen greift seine zwei Mitbewerber um den CDU-Vorsitz zwar nicht direkt an. Aber er macht deutlich, dass er deren Positionen für unzureichend hält. "Auf diese humanitäre Notlage müssen wir schnell und angemessen reagieren, und das können wir auch", sagte Röttgen der Süddeutschen Zeitung. Es handele sich um eine "abgrenzbare humanitäre Notlage", bei der man deshalb "helfen könne, ohne falsche Anreize zu setzen". Und die Bereitschaft zur Hilfe sei "ja auch da: Es gibt zehn Großstädte in Deutschland, die Flüchtlinge aufnehmen wollen - auch Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen und Bayern haben sich bereit erklärt".
Röttgen hält deshalb nicht nur das, was die Bundesregierung bisher angeboten hat, für zu wenig. Er findet auch, dass das eine Situation ist, in der sich niemand politisch wegducken sollte. ... Seine Richtschnur: "Wir müssen uns auf die Stärke unserer Verantwortungsprinzipien besinnen - und dürfen keine Angst haben, menschlich zu handeln."
16.09.2020 Kritik an Seehofer: Stamp fordert mehr Engagement für Flüchtlinge https://www.aachener-zeitung.de/nrw-region/stamp-fordert-mehr-engagement-fuer-fluechtlinge_aid-53387511
Nordrhein-Westfalens Flüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP) hat der schwarz-roten Bundesregierung nach der Brandkatastrophe im griechischen Flüchtlingslager Moria mangelndes Engagement für eine europäische Lösung vorgeworfen. „Hier kommt vom Bundesinnenminister (Horst Seehofer/CSU) und auch vom Bundesaußenminister (Heiko Maas/SPD) einfach viel zu wenig“, sagte Stamp am Mittwoch in einer Aktuellen Stunde des Landtags. Es könne doch nicht der Anspruch der europäischen Ratspräsidentschaft sein, „dass man mal ein paar Abteilungsleiter in anderen Ländern antelefoniert, ob es dort Bereitschaft gibt“. Vielmehr müsse man in diese EU-Länder fahren und Hilfe konkret einfordern. „Da kommt mir von Horst Seehofer einfach zu wenig“, so Stamp. „Und ich finde, dass man am Ende einer Karriere ein Bundesinnenministerium auch nicht in Teilzeit führen kann.“ ...
16.09.2020 Bayerischer Rundfunk. https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/weber-und-muetzenich-kritisieren-andere-eu-staaten-wegen-moria,SAjvLpr
Weber und Mützenich kritisieren andere EU-Staaten wegen Moria
EVP-Fraktionschef Manfred Weber bezeichnet die Situation in Moria als "Weckruf" und begrüßt die Entscheidung der Koalition rund 1.500 Flüchtlinge aus Griechenland aufzunehmen. Rolf Mützenich (SPD) kritisiert die anderen EU-Staaten heftig.
Nach der Koalitionseinigung zur Aufnahme von Flüchtlingen fordert der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber, eine europäische Lösung. Das sagte er im Interview mit der radioWelt auf Bayern 2.
"Lösen können wir das nur, wenn es uns im Herbst gelingt (...) in der EU jetzt endlich eine gesamtheitliche Antwort auf die Flüchtlingspolitik zu geben." EVP-Fraktionschef Manfred Weber
Zurückhaltung in der EU liegt auch an 2015
Die Ereignisse von Moria bezeichnet Weber als "Weckruf". Als Erklärung für die Zurückhaltung der anderen EU-Statten verweist Weber auf die Debatte um die Flüchtlingspolitik im Jahr 2015. "Das Jahr 2015 steckt allen ganz fest in den Knochen". Seine Analyse sei, dass viele Staaten so lange "dem Frieden nicht trauen, solange nicht klar ist, dass an der Außengrenze für Sicherheit gesorgt wird und wir auch Abgelehnte wieder zurückführen."
Die Entscheidung der Koalition, rund 1.500 anerkannte Flüchtlinge aus Griechenland aufzunehmen, begrüßt der CSU-Politiker.
"Humanität ist notwendig, weil wir in Moria schlicht und einfach jetzt helfen müssen und da war die Entscheidung, die die Bundesregierung gefällt hat, richtig und notwendig." EVP-Fraktionschef Manfred Weber
Balance zwischen Härte und Humanität
Weber beklagte erneut, dass es Europa nicht gelänge, abgelehnte Asylbewerber wieder in ihre Heimatländer zurückzuschicken.
"Deswegen brauchen wir eine Balance zwischen Härte bei der Rückführung, beim Grenzschutz, und Humanität beim Umgang mit den Menschen, die wirklich Flüchtlinge sind." EVP-Fraktionschef Manfred Weber
Kritik an anderen EU-Staaten
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich übt derweil heftige Kritik an den anderen EU-Staaten. Im Interview mit der radioWelt auf Bayern 2 sagte er:
"Das ist ganz bitter. Ich bin manchmal auch sprachlos, wie einzelne Regierungen wie zum Beispiel in Österreich mit dem Leid von Menschen (...) umgehen und ich frage mich manchmal, wie die Grünen das in dieser Koalitionsregierung aushalten." Rolf Mützenich, SPD-Fraktionsvorsitzender
Mützenich hofft darauf, dass es nun in Österreich und auch in anderen europäischen Staaten, eine innenpolitische Debatte über die Aufnahme von Flüchtlingen geben wird.
Neuer Schub durch gemeinsames Verfahren
Der SPD-Fraktionschef sagte weiter:
"Wir haben in der Vergangenheit immer erlebt, dass, wenn zum Beispiel Flüchtlingsschiffe anlegen, dann waren am Ende doch einige europäische Staaten bereit zu helfen." Rolf Mützenich, SPD-Fraktionsvorsitzender
Er hoffe weiter darauf, dass durch die Vorstellung eines gemeinsamen europäischen Verfahrens kommenden Mittwoch, "ein neuer Schub entsteht."
Zusagen der deutschen Regierung - keine Hilfe für die Obdachlosen von Lesbos
15.09. Deutschland nimmt weitere 1500 Flüchtlinge auf
Fast eine Woche diskutiert die deutsche Politik schon darüber, welche und vor allem wie viele Menschen von den griechischen Inseln nach Deutschland geholt werden. Jetzt hat die Bundesregierung ihr Angebot an Griechenland verzehnfacht.https://www.dw.com/de/deutschland-nimmt-weitere-1500-fl%C3%BCchtlinge-auf/av-54938949
16.09.2020 Deutschland zur Aufnahme von 1500 Flüchtlingen bereit
Deutschland hat sich bereit erklärt, 1500, von Griechenland bereits als schutzbedürftig anerkannte, Flüchtlinge aufzunehmen. Jedoch nicht nur von Lesbos, wo das größte Flüchtlingslager abgebrannt ist, sondern auch aus anderen Flüchtlingslagern im Land. https://www.dw.com/de/deutschland-zur-aufnahme-von-1500-fl%C3%BCchtlingen-bereit/av-54954972
16.09.2019 BR zur Debatte im Bundestag
Seehofer: Flüchtlingsaufnahme überfordert uns nicht
Bundesinnenminister Horst Seehofer hat die Entscheidung der Bundesregierung, rund 1.500 anerkannte Flüchtlinge aufzunehmen, verteidigt. Im Bundestag sagte Seehofer, das Paket sei human und machbar. Es werde Deutschland auch nicht überfordern.
Eine Stunde lang steht Horst Seehofer den Abgeordneten aller Fraktionen Rede und Antwort. Im Mittelpunkt: Die Zusage der Bundesregierung, Flüchtlinge aus Griechenland aufzunehmen. Die AfD wirft dem Bundesinnenminister vor, die Bundesregierung lasse sich angesichts der Bilder vom brennenden Flüchtlingslager Moria "erpressen" und schaffe neue Anreize für Flüchtlinge. Grüne und Linke üben ebenfalls Kritik, wenn auch mit ganz anderen Vorzeichen: Ihnen gehen die Zusagen nicht weit genug und sie befürchten, dass die Bundesregierung ein derzeit geöffnetes Zeitfenster für eine echte europäische Lösung in der Asylpolitik nicht nutzt.
Seehofer: "Humane Antwort"
Seehofer betont immer wieder, die Zusage der Bundesregierung sei eine humane Antwort auf das, was sich auf den griechischen Inseln gerade abspiele. Und er, als deutscher Innenminister, sei im Übrigen der einzige aus der Runde der EU-Ressortchefs, der überhaupt einen Lösungsvorschlag auf den Tisch gelegt habe. Rund 1.500 anerkannte Flüchtlinge aufzunehmen, werde Deutschland nicht überfordern. Schon jetzt sei absehbar, dass Deutschland in diesem Jahr die Grenze von 100.000 Asylbewerbern ohnehin nicht überschreiten werde.
EU-Asylpolitik – "absolut armselig"
Der Forderung nach einer europäischen Asyl- und Flüchtlingspolitik schließt sich Seehofer dabei an. Er verweist darauf, dass die EU-Kommission in der kommenden Woche den lange angekündigten "Pakt für Migration und Asyl" vorlegen wolle. Hier wird der Bundesinnenminister deutlich: "Was die EU bisher abgeliefert hat, ist für die europäische Idee absolut armselig". Wobei zur Wahrheit dazu gehört, dass eine gemeinsame Linie nur mit einem einstimmigen "Ja" aller 27 Staats- und Regierungschefs zu bekommen ist. Diese Einstimmigkeit zur Aufnahme von Flüchtlingen ist weiter nicht in Sicht. Seehofer sieht hier einen Ausweg aus dem Dilemma: "Wer nicht solidarisch ist, muss das finanziell spüren".
"Ausbalancierte Lösung"
Am Vormittag hatte Seehofer bereits den innenpolitischen Experten der Bundestagsfraktionen Rede und Antwort gestanden. Dabei argumentierte er so: Die Meinungen zum Thema "Flüchtlinge aufnehmen" seien hierzulande "sehr heterogen", in einer solchen Situation sei man gut beraten, keine extremen Positionen zu verfolgen. Seehofer beansprucht für sich, eine "Politik mit Augenmaß" zu betreiben. Er habe sich gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel binnen kurzer Zeit auf eine "ausbalancierte Lösung" verständigt: Hilfe vor Ort in Griechenland und in Kombination dazu die Zusage, rund 1.500 Flüchtlinge aufzunehmen. Dabei handelt es sich um etwa 400 Familien, die sich derzeit auf fünf griechischen Inseln befinden, und die bereits als schutzbedürftig anerkannt wurden.
Unionsfraktion: CDU kritisiert, CSU nicht
In der Unions-Bundestagsfraktion stößt manchem diese politische Vereinbarung der Großen Koalition sauer auf. Fraktionschef Ralph Brinkhaus etwa moniert, warum Deutschland im Alleingang handele, statt regelkonform auf eine europäische Lösung zu warten.
Fraktions-Vize Carsten Linnemann befürchtet, dass mit Seehofers Plan genau diese angestrebte EU-Lösung in weite Ferne rückt. Auffallend dabei: Die Kritik am Bundesinnenminister kommt aus den Reihen der CDU-Politiker. Fragt man dagegen Abgeordnete der CSU, hört es sich ganz anders an. Sie stellen sich hinter ihren Parteifreund Seehofer. Landesgruppenchef Alexander Dobrindt findet, der Plan von Merkel und Seehofer sei "gut gelungen".
Wie geht es inzwischen weiter in Griechenland?
Nach Brand in Moria "Das neue Camp ist Pflicht"
14.09.2020 Die Flüchtlinge aus Moria sollen in einem Zeltlager bei Kara Tepe auf Lesbos unterkommen. Viele weigern sich aber und wollen aufs Festland. Doch die Regierung in Athen stellt klar, dass der Umzug "keine freiwillige Sache" sei.
Es soll das neue temporäre Zuhause auf der griechischen Insel Lesbos sein: ein provisorisch aufgebautes Camp nur wenige Kilometer neben dem abgebrannten Flüchtlinglager Moria, auf dem Gelände des ehemaligen Schießübungsplatzes Kara Tepe. Hier sollen die rund 12.000 Migranten hin, die bei dem Brand alles verloren haben.
Doch das wollen nicht alle, es regt sich Widerstand. Gerüchte machen die Runde, das provisorische Lager könnte eine Art Gefängnis werden, das niemand verlassen kann. "All die Menschen, sie wollen nicht im neuen Lager sein. Sie wollen hier sitzen, das ist besser als im neuen Camp. Alle Menschen wollen Freiheit, sie wollen nach Europa gehen und nicht hierbleiben", erklärte der junge Afghane Abdul Qadir.
Migrationsminister macht Druck
Dennoch sind die ersten 500 Migranten schon in das neue Camp gezogen. Die anderen sollen folgen. Zumindest, wenn es nach dem griechischen Migrationsminister Notis Mitarakis geht. Er hat alle obdachlos gewordenen Migranten aufgerufen, sofort das neue Zeltlager zu beziehen. Für einen schnellen Umzug hat der Integrationsminister ein Druckmittel.
"Asylanträge werden nur für diejenigen bearbeitet, die im neuen Camp sind. Das neue Camp ist keine freiwillige Sache, es ist Pflicht", stellte der Minister heute in einem Radio-Interview klar. Jeder der ins Land gekommen sei, müsse auch die Gesetze respektieren.
Quelle: https://www.tagesschau.de/ausland/lesbos-kara-tepe-zeltlager-101.html
Feuer auch auf Samos
15.09.2020 Auf der griechischen Insel Samos ist am Dienstagabend nahe dem Flüchtlingslager Vathy ein Feuer ausgebrochen. Inzwischen sei der Brand halbwegs unter Kontrolle, berichtete das Onlineportal Samos Today https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-09/griechenland-fluechtlingslager-samos-brand-feuer-moria