20.11.2016 Im Frühling 2016 wurde bereits deutlich, dass sich in Bonn Protest gegen die Flüchtlingsaufnahme vor allem an der Frage der Standorte großer Wohnheime entwickeln würde.
Dies bestätigte sich im November bei einer Informationsveranstaltung wegen der bevorstehenden Eröffnung zweier Container-Wohnanlagen im Beueler Ortsteil Pützchen.
Dort sollen bis zu 400 Personen untergebracht werden können. [Bericht im Generalanzeiger Bonn, 10.11.2016]
Im mit mehr als 200 Anwesenden gut gefüllten Pfarrsaal traf die referierende Verwaltung auf eine deutlich gespaltene Zuhörerschaft: Die, bei denen das Projekt auf völlige Ablehnung stieß und die, die - von noch zu erklärenden Fragen abgesehen - dem Vorhaben grundsätzlich zustimmten.
Kritik und Ablehnung ...
Neben berechtigten Einwände seitens der Ablehnenden, die sich auf die Größe der Unterkünfte und die Zusammenballung im Ortsteil bezogen, wurden auch die enormen Kosten von 20 Millionen für eine temporäre Unterbringung von drei Jahren angeführt.
Außer den Sachargumenten kam es aber auch zu sehr emotional vorgetragenen Beiträgen, die von eigenen Erfahrungen sprachen, aber auch sehr beeinflusst waren durch die Kölner Silvesterereignisse. Es wurde Besorgnis bezüglich der Schüler_innen des Mädchengymnasiums, der Gesamtschule und der Grundschule geäußert. Verstärkte Polizeipräsenz und Kontrollen wurden gefordert, dem Polizeivertreter aber gleichzeitig die Glaubwürdigkeit abgesprochen, als er mit Hinweis auf Statistiken ausführte, dass es im Umfeld größerer Flüchtlingsunterkünften lediglich (etwas?) mehr Ladendiebstähle gebe, nicht aber Zunahme anderer Straftaten.
... Solidarität mit Geflüchteten und Wunsch nach langfristigen Lösungen
Dem jeweiligen Applaus nach zu urteilen, war die mit den Flüchtlingen solidarische Gruppe etwa gleich stark im Saal vertreten. Hier meldeten sich verschiedene Frauen und Männer zu Wort, die aus der Begegnung mit Geflüchteten von positiven Erfahrungen berichteten, die für deren Unterstützung zum Beispiel durch ehrenamtlichen Einsatz plädierten, die sich Sorgen um die Sicherheit der Flüchtlinge machten.
Es wurde auch bemängelt, dass für das teure Geld keine nachhaltige Lösung durchmischten Wohnens, sondern kurzzeitige Unterbringung mit den Nachteilen einer Ghettoisierung und zu dichter und damit problembehafteter Belegung erfolgt.
Die Mitteilungen der Verwaltung, dass je 200 Bewohnerinnen nur 1 Sozialarbeiter/in vorgesehen ist und für Integration und Hilfe im Alltag ausschließlich auf Ehrenamtliche gesetzt werde, riefen besorgten Widerspruch und Stirnrunzeln hervor.
Schweigen der Politik
Keine der beiden Seiten konnte nach den Stunden der Veranstaltung zufrieden heimgehen, vielleicht auch nicht die Verwaltungsvertreter_innen, die sich möglicherweise von der Politik verlassen fühlten. Es fiel schon sehr auf und wurde zu Recht in Wortbeiträgen moniert, dass die Beschlüsse für das Verwaltungshandeln von den gewählten Ratspolitiker_innen gefasst wurden, die dazu auch Rede und Antwort stehen sollten.
Ein einziger Politiker war im Saal anwesend – Bezirksbürgermeister Guido Déus. Und er, obwohl angesprochen, schwieg beharrlich. So schön es ist, wenn Politiker aufmerksam der Bevölkerung zuhören, sie sollten auch Stellung beziehen. Als Stadtverordneter war er an der Beschlussfassung dieses Blocks 0 der Temporär-unterkünfte beteiligt, und als Bezirksbürgermeister hatte er wesentlichen Anteil am Zustandekommen einer einvernehmlichen Beschlussfassung der Beueler Bezirksvertretung bezüglich der Standorte der weiteren Blöcke 1 bis 3. Seine Erklärungen wären wären sehr angebracht gewesen.
So stellt sich die Frage, ob er als Landtagskandidat bei der Wahl im Mai 2017 befürchtet, Stimmen zu verlieren. Aber das würde nicht funktionieren. Die letzten Wahlen haben deutlich gezeigt, dass vor allem die sogenannten Volksparteien mit Wegducken, Schweigen und Scheuen der Auseinandersetzung nichts gewinnen können. Der seit langem vorhandenen rechten Wählerschaft ist inzwischen allemal das Original lieber. Alle anderen WählerInnen / NichtwählerInnen sind nur mit klarer Position zu gewinnen.
Unbestritten ist die Frage der Aufnahme, Unterbringung und Integration von Geflüchteten eine der zentralen Fragen des letzten, dieses und mindestens auch des kommenden Jahres; und zwar täglich und nicht nur bei Wahlentscheidungen. Die PolitikerInnen in Stadt, Land und Bund sind gefordert, gemeinsam mit der Bürgerschaft die besten Wege zur Bewältigung der Aufgaben zu finden.
Bei der Veranstaltung in Pützchen dagegen schien es, als sei die Flüchtlingsaufnahme und -unterstützung einzig Sache von Verwaltung und Ehrenamtlichen. Das kann nicht sein!
Susanne Rohde, weltoffen Bonn, 18. 11. 2016