11.05.2019 "Neues Pilotprogramm für die Aufnahme besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge - ein echtes Gemeinschaftswerk von Staat und Zivilgesellschaft - ein starkes Zeichen gelebter Solidarität - Der neue Ansatz: Staat und Zivilgesellschaft arbeiten dabei von Anfang an Hand in Hand." (Alles zitiert aus der Pressemitteilung des BMI)
NesT – das Pilotprogramm in Verantwortung von Bundesinnenministerium und BAMF mit diesem hübschen Kunstnamen wurde am 6.5 2019 vorgestellt. NesT – das soll „Neustart im Team“ heißen und für die Aufnahme zunächst von 500 besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen im Rahmen des Resettlements (Neuansiedlungsprogramm) gelten. Viele vollmundige Verheißungen begleiten das Programm in Zusammenarbeit mit UNHCR, Kirchen und Vertretern der Zivilgesellschaft: „Sie wollen den Menschenschleusern das Geschäft erschweren, deren Routen trocken legen, wenigstens einigen Tausend Menschen die lebensgefährliche Überfahrt über das Mittelmeer ersparen – und vor allem Geflüchteten, wenn sie in Deutschland ankommen, eine echte Perspektive auf Neustart geben“, erfuhr Holger Möhle, Korrespondent des Bonner General-Anzeiger beim Pressetermin. „Das Pilotprojekt sei Teil eines EU-Programmes zur Neuansiedlung, mit dem bis zu 50000 Flüchtlinge auf legalem Weg in EU-Staaten kommen und dort eine neue Perspektive erhalten sollen. Deutschland habe sich bereit erklärt, im Rahmen der Vereinbarung 10200 Flüchtlinge aufzunehmen.
Resettlement-Programme gab es bereits vor gut 10 Jahren. Sie wurden erheblich von der Save-me-Kampagne mitgetragen, deren Erfahrungen neben anderen auch in dieses Pilotprogramm einfließen. (Die Save-me-Kampagne-Bonn feiert in diesem Jahr 10-jähriges Bestehen.) Ganz neu ist die Idee also nicht.
Trotzdem: Die neue Aufnahmebereitschaft die Innenministers ist doch toll!?! Genau unter die Lupe genommen, finden wir ein paar unangenehme Dornen im schönen Nest.
Problem 1: Das ist keine zusätzliche Aufnahme von Flüchtlingen.
„Das Pilotprogramm "Neustart im Team" (NesT) ermöglicht die Aufnahme von bis zu 500 besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen innerhalb der von Deutschland für 2018/2019 vorgesehenen humanitären Aufnahmen.“ (Pressemitteilung des BMI
Problem 2: Die Ehrenamtlichen helfen nicht nur, sie sollen auch zahlen.
„Dreh- und Angelpunkt bei NesT sind die Mentorinnen und Mentoren: Mindestens fünf Personen müssen sich gemeinsam dazu verpflichten, Flüchtlingen das Ankommen zu erleichtern und sie ideell und finanziell zu unterstützen.
Die Verpflichtungen sind für die Mentorinnen und Mentoren zeitlich begrenzt und von vornherein kalkulierbar. Sie suchen eine geeignete Wohnung und finanzieren die Kaltmiete für zwei Jahre. Außerdem unterstützen sie die Schutzbedürftigen ein Jahr lang ideell auf ihrem Weg zur gesellschaftlichen Teilhabe. Sie sind Ansprechpartner und helfen beispielsweise bei Behördengängen, bei der Suche einer Schule, eines Ausbildungsplatzes und einer Arbeitsstelle. Zudem ermöglichen sie Begegnungen, zum Beispiel im Sportverein, in der Freizeit oder bei Festen.“ (Pressemitteilung)
Eine dreiste Zumutung von Regierung und Ämtern für die Zivilgesellschaft! Privatleute sollen eine Wohnung suchen (und finden!!) und die Miete für die Geflüchteten zahlen?!? Die Miete ist in der Regel bekanntlich der größte Posten bei den Lebenshaltungskosten. Es ist kaum zu erwarten, dass es viele Bewerber*innen unter diesen Bedingungen gibt. Was geschieht, wenn nicht genügend Mentori*innen zusammen kommen? Kippt dann die Aufnahme der 500 Schutzbedürftigen?
Problem 3: Die Bleibeperspektive ist ungewiss.
Korrespondent Holger Möhle notiert von der Pressekonferenz: „Flüchtlinge, die im Rahmen dieses Programms nach Deutschland dürfen, müssen keinen Asylantrag stellen, sie bekommen eine Aufenthaltserlaubnis für zunächst drei Jahre, die verlängert werden kann, ..“ Das klingt nicht wirklich nach einem tatsächlichen Neustart. Es bleibt die Ungewissheit, zurückgeschickt zu werden, wie sie gegenwärtig z. B. die aus Syrien Geflüchteten erleben, die nun nach all ihren Anstrengungen zum Sprache Lernen und zur Integration eine Rücknahme der Schutzberechtigung befürchten müssen.
Neben diesen Problemen ist folgende Widersprüchlichkeit eher am Rande zu bemerken als Hinweis darauf, dass in dieser Sache insgesamt viele schöne Worte über wunderbare Aussichten zusammengefügt wurden: „sie haben Anspruch auf Integrationskurse, Sozialleistungen und Zugang zum Arbeitsmarkt.“, schreibt Möhle weiter. Was soll der Anspruch auf Zugang zum Arbeitsmarkt bedeuten, wenn die Neuankömmlinge doch als „besonders schutzbedürftig“ ausgewählt wurden und damit, wie Möhle notiert, „allein flüchtende Frauen mit Kindern, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge oder Schwerkranke, die in ihrem Herkunftsland nicht behandelt werden können“ betrifft?
Hohles Geschwätz - leere Versprechungen? Jedenfalls fand die Pressekonferenz nur äußerst geringe Resonanz der Medien, wie die weitgehend erfolglose Google-Recherche zeigt.
Quellen:
Pressemitteilung des BMI vom 6.5.2019 https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2019/05/nest-neustart-im-team.html
Artikel im Bonner General-Anzeiger „Schutz für die Schwächsten“ von Holger Möhle, 7.5.2019
Susanne Rohde, 11.5.2019