NRW: Nach Solingen - Kontroverse um Abschiebung von "Gefährdern"

08.10.2024 So einfach die Forderung nach schneller Abschiebung aller "Gefährder" ist, so komplex ist die Lage bei Beachtung der rechtlichen Grundsätze und der Urteile. In Nachbearbeitung des Anschlages in Solingen beschäftigte sich der Landtag mit den Zahlen, die aus dem Flüchtlingsministerium vorgelegt wurden. Es folgte ein Antrag der AfD. Und es wurde ein Abschiebeverbot ausgesprochen, das der in Bonn ansässige "Salafistenprediger" Hamza beantragt hatte, der seit September in Abschiebehaft saß. Dagegen ist die Stadt Bonn bereits in Berufung gegangen.

Im Folgenden eine Zusammenstellung von Beiträgen:

 

Exklusiv | Düsseldorf · Wieviele terroristische Gefährder halten sich in NRW auf, obwohl sie eigentlich das Land verlassen müssten? Dazu hat die Landesregierung jetzt Zahlen veröffentlicht. Und erklärt, warum von diesen Menschen nur ein einziger zurückgeführt werden kann.

In Nordrhein-Westfalen halten sich nach Angaben von Fluchtministerin Josefine Paul (Grüne) derzeit knapp drei Dutzend sogenannte terroristische Gefährder auf. In einem Bericht für den Integrationsausschuss des Landtages, der unserer Redaktion vorliegt, schreibt sie: „Mit Stand vom 24. September 2024 befinden sich 34 ausreisepflichtige Gefährder in Nordrhein-Westfalen. Tatsächlich rückführbar ist davon eine Person, die Rückführung ist in konkreter Planung.“ (weiter nicht kostenfrei lesbar)

Das Land hat offengelegt, wie viele Gefährder es in NRW gibt, die eigentlich abgeschoben werden müssten. Nur bei einer Person ist die Ausreise aktuell tatsächlich schon geplant.

02.10.2024 In NRW gibt es 34 sogenannte Gefährder, die eigentlich abgeschoben werden müssten. Nur bei einem Einzigen ist eine Rückführung zurzeit aber „in konkreter Planung“. Das geht aus einem Bericht der Landesregierung an den Integrationsausschuss des Landtags hervor.

In dem Papier führt Flüchtlingsministerin Josefine Paul (Grüne) aus, dass es diverse Gründe dafür geben könne, dass ein Gefährder nicht abgeschoben wird - so wie auch bei jedem anderen Ausreisepflichtigen: Zum Beispiel, weil die Staatsanwaltschaft dagegen ist, oder die Person keinen Reisepass hat und das entsprechende Land ihn so nicht wieder aufnimmt.

SPD-Abgeordnete: „Warum sind die noch hier?“

Die SPD-Abgeordnete Lisa-Kristin Kapteinat sagte zu dem Bericht für den Integrationsausschuss: „Wochenlang haben wir danach gefragt, wie viele Gefährder bei uns sind, die eigentlich abgeschoben werden müssen. Wochenlang haben sich Innenminister Reul und Integrationsministerin Paul diese Frage wie eine heiße Kartoffel hin und her geschmissen.“ Nun habe man die Zahl 34 vorliegen und frage sich: „Warum sind die noch hier? Die Landesregierung muss jetzt umgehend klären, wie eine Rückführung in jedem einzelnen Fall gewährleistet werden kann“, so Kapteinat.

Seit 2017 wurden laut Ministerium von NRW übrigens insgesamt 116 „sicherheitsrelevante Personen“ abgeschoben. Dazu zählen außer Gefährdern - also potenziellen Terroristen - aber auch andere Menschen. Fünf weitere seien freiwillig ausgereist. Hintergrund der aktuellen Debatte ist der Fall um den mutmaßlichen Attentäter von Solingen, dessen Abschiebung gescheitert war.

 

Stand: 02.10.2024 Das Ausländeramt der Stadt Bonn hatte einen Salafisten festnehmen lassen. Er sollte abgeschoben werden. Das scheint nun vom Tisch.

Das Verwaltungsgericht Köln hat die geplante Abschiebung eines Salafisten-Predigers aus Bonn in sein Heimatland Kosovo verboten. Der Mann, der sich in der Szene Abdul Alim Hamza nennen lässt, saß seit September in Abschiebehaft. Dagegen hat er sich mit einem Eilantrag gewehrt und Recht bekommen. Das Gericht entschied, dass die Stadt Bonn keine ausreichenden Belege dafür vorgelegt habe, dass der Prediger eine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung darstelle.

Allein Propaganda für den Salafismus, eine radikale Strömung im Islam, reiche nicht aus. Die Stadt Bonn hatte ihm vorgeworfen, Hasspropaganda im Internet zu verbreiten. Er sei eine Gefahr wegen seiner Tätigkeit als Prediger. NRW-Ministerpräsident Wüst und NRW-Innenminister Reul hatten die geplante Abschiebung begrüßt.

Mann war im "Haus der Integration" aufgefallen

Aufgefallen war Hamza, weil er im "Haus der Integration" in Bonn-Duisdorf als Imam predigte und Veranstaltungen mit bekannten radikalen Salafisten organisierte, darunter der Bonner Prediger Abu Dujana. Er war unter anderem bei der inzwischen verbotenen Gruppe "Die wahre Religion" aktiv.

Auch der Extremist Bernhard Falk war bei einem der Treffen dabei. Einst als Linksradikaler wegen Bombenanschlägen verurteilt, konvertierte er im Gefängnis zum Islam und radikalisierte sich schnell.

Aus Sicherheitskreisen heißt es, die geplante Abschiebung sei keine Schnellschuss-Aktion, um nach dem Anschlag von Solingen Stärke zu zeigen, sondern seit langem vorbereitet.

Unter Beobachtung der Sicherheitsbehörden

Offenbar hatten die Sicherheitsbehörden Hamza schon länger beobachtet. Im Mai dieses Jahres veröffentlichte der radikale Salafist im Internet Videos, auf denen er einen Peilsender zeigt, der sich an der Stoßstange seines Autos befand. Seinem Instagram-Profil folgen mehr als 28.000 User. Dort posiert er immer wieder mit Mitgliedern des berüchtigten Abou-Chaker-Clans.

Außerdem sind bis jetzt immer noch Videos mit ihm und dem bekannten salafistischen Prediger Pierre Vogel zu sehen. Doch das allein reicht nicht für eine Ausweisung.  

Die Stadt Bonn hat Beschwerde eingelegt

Die Stadt Bonn hat inzwischen Beschwerde gegen die Entscheidung am Oberverwaltungsgericht eingelegt. Nach Angaben einer Sprecherin ist die Beschwerde am 04.10.2024 in Münster eingegangen. Wann das Oberverwaltungsgericht in der Sache entscheiden werde, sei offen.

Wie es nun mit Hamza weitergeht, ist noch unklar. Hamza ist verheiratet und hat drei minderjährige Kinder mit deutscher Staatsangehörigkeit. Damit könnte ihm ein aus dem Recht der Europäischen Union resultierendes Aufenthaltsrecht zustehen, erklären die Richter.

 

  • LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 18. Wahlperiode Drucksache 18/10889

01.10.2024 Datum des Originals: 01.10.2024/Ausgegeben: 04.10.2024
Antrag der Fraktion der AfD
Terroristische Gefährder mit ausländischem Pass endlich konsequent abschieben!
Nach der seitenlangen Schilderung der I. Ausgangslage folgen II. Der Landtag stellt fest: ... und  III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf, ... 5. die Schwellen zur Begründung eines schweren Ausweisungsinteresses gem. § 54 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz deutlich herabzusenken insbesondere in Bezug auf das dafür notwendige Strafmaß.