30.01.2024 Der WDR berichtete über die Ergebnisse einer Befragung der Kommunen, wie und wo Schutzsuchende in NRW untergebracht sind. Der Titel des Berichts ist bezeichnend "Letzter Ausweg Hotel", Auch das landespolitische Magazin westpol sandte am 28.01.2024 einen Bericht mit dem selben Titel und der redaktionellen Anmoderation: "Die Not der Kommunen bei der Unterbringung von Flüchtlingen ist seit Jahren ein Thema in der Politik. Zu wenig Platz, zu hohe Kosten. Zahlreiche Kommunen sind dazu übergegangen Hotels und Pensionen zur Unterbringung anzumieten. Westpol hat hunderte Städte und Kommunen angefragt und etliche haben geantwortet. Demnach ist die Hotel-Unterbringung längst Teil einer Lösung. Auch das Land macht es. Doch wie lange reichen diese Kapazitäten? Manche Hotels haben Verträge bis zum Sommer mit den Kommunen gemacht, weil für die Europameisterschaft Kapazitäten benötigt werden. Wie geht es dann aber weiter?" Hier das Video Letzter Ausweg Hotel
Flüchtlinge in Kommunen: Letzter Ausweg Hotel
Stand: 26.01.2024
Fast 65.000 Asylsuchende sind im letzten Jahr neu nach NRW gekommen. Hinzu kommen die Schutzsuchenden aus der Ukraine. Für die Unterbringung nutzen große wie kleine Kommunen zunehmend auch Hotels.
257 Städte und Gemeinden haben dem WDR geantwortet. Mehr als 10 Prozent von ihnen nutzen Hotels oder ähnliche Beherbergungsstätten für Geflüchtete, haben dies bereits getan oder wollen es demnächst tun. Als Grund nennen die Städte und Gemeinden vor allem ausgelastete städtische Unterkünfte. Außerdem fehlt es an Wohnungen, um die Geflüchteten dezentral unterzubringen.
Kostspielig und nicht ideal
Mit den Hotels sein man flexibler, sagt der Kölner Sozialdezernent Harald Rau im WDR-Interview. Aktuell kommen 50 bis 60 Personen pro Woche neu in die Stadt, die man dann irgendwie unterbringen müsse. Das sei teuer und ein wirkliches Ankommen für die Geflüchteten in der Stadtgesellschaft so schwierig, so Rau.
Köln hat mit 41 gewerblichen Beherbergungsbetrieben Vereinbarungen getroffen, wie die Stadt es förmlich nennt. Das heißt, es werden vielerorts einzelne Zimmer in Hotels angemietet. Aktuell sind mehr als 2.200 Geflüchtete dort untergebracht. Die Kosten betragen zwischen 20 und 47 Euro pro Person und Nacht. Das belastet die Stadt finanziell. Und Köln ist kein Einzelfall.
Kommunen zahlen drauf
„Die Unterbringung der geflüchteten Personen erfolgt nicht kostendeckend. Im Ergebnis bedeutet das, dass die Stadt Duisburg hier eigene Mittel aufwendet, um eine ordnungsgemäße Unterbringung zu gewährleisten.“, schreibt Pressesprecherin Gabi Priem dem WDR. Die Hotelkosten lagen im letzten Jahr bei 6,1 Millionen Euro. Ende Dezember waren 317 Geflüchtete in Duisburger Hotels untergebracht.
Wer kann, vermeidet das. Die Stadt Plettenberg (Märkischer Kreis) schreibt dem WDR, dass Hotels „glücklicherweise bisher nicht von Nöten gewesen sind“. Und auch Heiligenhaus (Kreis Mettmann) konnte ein Unterbringung im Hotel umgehen, wie es von dort heißt.
Städte und Gemeinden bekommen für die Aufnahme der Geflüchteten pro Kopf jährliche Pauschalen. Und die, so schreiben viele, seien nicht kostendeckend. Köln etwa musste 70 Millionen Euro selbst beisteuern.
Lieber Hotels als Turnhallen für Geflüchtete
Dennoch entscheiden sich Kommunen für die Hotelunterbringung, damit sie nicht wieder Turnhallen dafür nutzen müssen. Das sei die denkbar schlechteste Möglichkeit, so Krefelds Stadtdirektor Markus Schön (SPD).
„Einerseits nimmt man nämlich Kindern und Sportvereinen die Turnhalle weg, um dort Sport zu treiben. Andererseits ist so eine Unterbringung in der Turnhalle auch unter humanitären Aspekten nicht gut für die Menschen mit einer Fluchtgeschichte.“
In Krefeld müssen sie seit November eine Sporthalle als Flüchtlingsunterkunft nutzen. Die soll möglichst schnell dem Verein zurückgegeben werden. Auch deshalb nutzt die Stadt lieber zwei Hotels.
Kommunen fordern mehr Unterstützung von Land und Bund
„Wir müssen in der Flüchtlingsunterbringung weg vom Krisenmodus – in einen strategisch planbaren Modus“, fordert deshalb der Krefelder Stadtdirektor. Die Kommunen wollen dauerhaft Unterkünfte schaffen, unabhängig von der Belegung der Plätze. Die Vorhaltekosten sollten dann aber Bund und Länder finanzieren, so Schön. Doch die wollen das bisher nicht.
Das Land verspricht stattdessen mehr Plätze in seinen eigenen Unterkünften zu schaffen, damit die Kommunen entlastet werden.
Auch Landesregierung setzt zunehmend auf Hotels
Bislang hatte das Land nur ein Hotel gemietet, seit 2016 in Bielefeld. Nun ändert sich das. Um bis Ende März die schon lange versprochenen 34.000 Plätze für Geflüchtete zu erreichen, mietet das Land Hotels in Dortmund, Remscheid, Ratingen und Wuppertal an. Weitere könnten folgen, wegen der schnelleren Verfügbarkeit, sagt Integrationsministerin Josefine Paul (B‘90/Grüne). Die Mietkosten liegen je nach Größe bei knapp 100.000 bis 250.000 Euro im Monat.
Flüchtlingsunterbringung: Letzter Ausweg Hotel?
„Ich kann Ihnen garantieren, dass es sich hierbei nicht um Luxusunterbringungen in Luxushotels handelt“, sagt Ministerin Josefine Paul gegenüber dem WDR und versucht, absehbarer Stimmungsmache vorzubeugen. Die Zimmer erhalten zum Beispiel Doppelstockbetten, es werden Küchen eingebaut, um den Anforderungen einer Flüchtlingsunterkunft zu genügen. In Dortmund kann das ehemalige IBIS-Hotel seit dieser Woche Geflüchtete aufnehmen.
SPD sieht darin falsches Signal
Lisa-Kristin Kapteinat, stellvertretende Fraktionsvorsitzende im NRW-Landtag, sieht diese Entwicklung kritisch. Zum einen sei das Leben im Hotel nichts, was Wege für die Integration aufzeige. Dann könnte bei einigen Menschen das Gefühl einer vermeintlichen Besserstellung von Geflüchteten entstehen, die nachvollziehbar ist. Und mit Blick auf die bevorstehende Fußball-Europameisterschaft könnten die Hotels für Kommunen, die keine langfristigen Vereinbarungen haben, richtig teuer werden. Denn dann werden tausende Fans aus ganz Europa in NRW erwartet, die auch Hotelzimmer brauchen werden.
Tatsächlich konnten einige Kommunen, wie etwa Krefeld, mit den Hotels teils nur Verträge bis Juni abschließen. Und Köln befürchtet, dass die Zimmer dann richtig teuer werden.