OECD-Bericht: Im internationalen Vergleich günstige Integrationsergebnisse in Deutschland, aber noch große Anstrengungen erforderlich

05.07.2024 Endlich mal gute Nachrichten: Nach einer aktuellen Studie der OECD schneidet Deutschland bezüglich der Integration von Eingewanderten und ihren Nachkommen im internationalen Vergleich gut ab. Trotzdem gibt die Studie keinen Anlass zu Zufriedenheit. Vielmehr wird bei genauem Hinsehen deutlich, dass die Herausforderungen der Gegenwart und jüngsten Vergangenheit keineswegs bewältigt und weiter größere Anstrengungen nötig sind.

Für den ersten Überblick Stichpunkte zum OECD-Länderbericht aus den anschließenden Texten:

... Unterschiede bei den Lebensbedingungen häufig kleiner als in anderen Ländern.

Der Anteil der Erwerbstätigen unter den Eingewanderten sei im Vergleich hoch, heißt es weiter. Ein positives Fazit zieht der Bericht zum Stand der Integration auch im Sprachbereich: Nahezu zwei Drittel der Eingewanderten, die seit mindestens fünf Jahren in Deutschland lebten, spreche fließend Deutsch.

Vor allem aber habe Deutschland erhebliche Fortschritte bei der Integration von Kindern der sogenannten zweiten Generation ins Bildungssystem erzielt, so die OECD-Studie. Die schulischen Leistungen von in Deutschland geborenen Kindern, deren Eltern eingewandert sind, seien besser als in den meisten anderen Hauptzielländern von Zuwanderung. Seit den frühen 2000er Jahren seien die Leistungen zudem deutlich gestiegen.

Keine Fortschritte sind laut Bericht hingegen bei im Ausland geborenen Schülern zu verzeichnen. Im Gegenteil: Die Differenz zwischen den Bildungsergebnissen von eingewanderten und in Deutschland geborenen Schülern habe sich in den vergangenen Jahren ausgeweitet. Ein Grund könnten die Schulschließungen während der Corona-Pandemie sein.

Der Aus- und Weiterbildung von Erwachsenen müsse ebenfalls mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, empfehlen die OECD-Experten. Mit 18 Prozent verfüge ein vergleichsweise hoher Anteil von Eingewanderten höchstens über eine Grundschulbildung. Mehr als die Hälfte der Menschen aus dieser Gruppe erreiche nach fünf Jahren noch kein mittleres Sprachniveau.

... eingewanderte Frauen mit kleinen Kindern ... seien in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern deutlich seltener in Arbeit. Angesichts der Geflüchteten aus der Ukraine und weiterhin vielen Asylsuchenden werde diese Herausforderung immer wichtiger.  (alles aus Evangelische Zeitung)

... Darüber hinaus ist Deutschland zu einem wichtigen Zielland für Geflüchtete geworden, die vor Kriegen und Verfolgung in ihren Herkunftsländern fliehen. (aus dem OECD-Bericht / Zusammenfassung, wie alles Folgende)

Die Arbeitsmarktergebnisse von Migrant*innen sind gut im Vergleich zu anderen Ländern. 2022 erreichte ihre Erwerbstätigenquote in Deutschland ein Rekordhoch von 70 % und war damit deutlich höher als in den meisten anderen EU-Vergleichsländern. Insbesondere die umfassende Sprachförderung scheint sich positiv auszuwirken: Die Sprachkenntnisse Eingewanderter haben sich in Deutschland stärker verbessert als in den meisten anderen EU-Ländern.

... Eingewanderte mit sehr niedrigem Bildungsniveau (höchstens Grundschulbildung) stehen bei der Integration in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt jedoch vor Herausforderungen. Diese Gruppe macht mehr als ein Sechstel der Einwanderungsbevölkerung aus, und ihr Anteil ist in den letzten zehn Jahren gestiegen. Nur die Hälfte dieser Migrant*innen ohne Grundqualifikationen ist erwerbstätig, und nur ein Viertel erreicht nach mindestens fünf Jahren Aufenthalt ein fortgeschrittenes Deutschniveau. Aufgrund ungünstiger Bedingungen in ihren Herkunftsländern hatten viele von ihnen vor der Migration nur begrenzte Bildungsmöglichkeiten und nur wenige setzen ihren Bildungsweg in Deutschland fort.

... Für Schüler*innen, die selbst nach Deutschland eingewandert sind, stellt sich die Situation allerdings ganz anders da. Ihre Bildungsergebnisse sind – unabhängig vom Alter bei der Einreise – ungünstiger als die vergleichbarer Schüler*innen in anderen Hauptzielländern.

... Diskriminierung stellt nach wie vor eine Herausforderung dar. Der Anteil der Eingewanderten aus Nicht-EU-Ländern, die den Eindruck haben, einer diskriminierten Gruppe anzugehören, hat in den vergangenen Jahren zugenommen und betrug zuletzt ein Fünftel.

aus dem OECD-Bericht / Schlussfolgerungen: ...Integrationsergebnisse sind in Deutschland im internationalen Vergleich in vielerlei Hinsicht günstig. Die Unterschiede bei den Lebensbedingungen sind häufig kleiner als in anderen Ländern, und die Erwerbstätigenquoten der Eingewanderten sind im internationalen Vergleich hoch. Außerdem sprechen nahezu zwei Drittel der Eingewanderten, die seit mindestens fünf Jahren in Deutschland leben, fließend Deutsch.

...Anders als bei den im Inland geborenen Kindern von Eingewanderten sind bei den im Ausland geborenen Schüler*innen keine Fortschritte zu verzeichnen. Die Differenz zwischen den Bildungsergebnissen von eingewanderten und im Inland geborenen Schüler*innen hat sich in den letzten Jahren ausgeweitet, was auf die Schulschließungen während der Coronapandemie zurückzuführen sein könnte.

Der Aus- und Weiterbildung von Erwachsenen muss ebenfalls mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Dadurch könnte das Bildungsgefälle verringert werden, insbesondere im Hinblick auf den hohen Anteil von Eingewanderten (18 %), die höchstens über Grundschulbildung verfügen. Mehr als die Hälfte dieser Gruppe erreicht nach mindestens fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland kein mittleres Sprachniveau, was sowohl auf dem Arbeitsmarkt als auch in der Gesellschaft mit großen Nachteilen verbunden ist.

Eine weitere Gruppe, der besondere Aufmerksamkeit zukommen muss, sind eingewanderte Frauen mit kleinen Kindern. Sie erzielen niedrigere Arbeitsmarktergebnisse als in den meisten anderen Hauptzielländern. Das hohe Beschäftigungsgefälle zwischen im Ausland und im Inland geborenen Müttern könnte sich z. T. aus Schwierigkeiten bei der Vereinbarung von Familie und Erwerbsarbeit sowie aus sozioökonomischen Unterschieden erklären.

Angesichts der über eine Million Geflüchteten aus der Ukraine, darunter vor allem Frauen mit Kindern, die jüngst nach Deutschland gekommen sind, und der hohen Zahl von Asylsuchenden wird die Bewältigung dieser Herausforderungen immer wichtiger.

 

Ein neuer Bericht der OECD zeichnet für Deutschland ein positives Bild in Sachen Integration. Herausforderungen gibt es dennoch – wie auch die zuständige Staatsministerin mahnt.

Bei der Integration von Eingewanderten und ihren Nachkommen schneidet Deutschland einer aktuellen Studie zufolge im internationalen Vergleich gut ab – auch wenn Herausforderungen bleiben. Deutschland habe in den vergangenen beiden Jahrzehnten “erheblich in Integration investiert, und diese Bemühungen scheinen sich gelohnt zu haben”, heißt es in einem am Donnerstag veröffentlichten Länderbericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). So seien etwa Unterschiede bei den Lebensbedingungen häufig kleiner als in anderen Ländern.

Der Anteil der Erwerbstätigen unter den Eingewanderten sei im Vergleich hoch, heißt es weiter. Ein positives Fazit zieht der Bericht zum Stand der Integration auch im Sprachbereich: Nahezu zwei Drittel der Eingewanderten, die seit mindestens fünf Jahren in Deutschland lebten, spreche fließend Deutsch.

Vor allem aber habe Deutschland erhebliche Fortschritte bei der Integration von Kindern der sogenannten zweiten Generation ins Bildungssystem erzielt, so die OECD-Studie. Die schulischen Leistungen von in Deutschland geborenen Kindern, deren Eltern eingewandert sind, seien besser als in den meisten anderen Hauptzielländern von Zuwanderung. Seit den frühen 2000er Jahren seien die Leistungen zudem deutlich gestiegen.

Keine Fortschritte sind laut Bericht hingegen bei im Ausland geborenen Schülern zu verzeichnen. Im Gegenteil: Die Differenz zwischen den Bildungsergebnissen von eingewanderten und in Deutschland geborenen Schülern habe sich in den vergangenen Jahren ausgeweitet. Ein Grund könnten die Schulschließungen während der Corona-Pandemie sein.

Der Aus- und Weiterbildung von Erwachsenen müsse ebenfalls mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, empfehlen die OECD-Experten. Mit 18 Prozent verfüge ein vergleichsweise hoher Anteil von Eingewanderten höchstens über eine Grundschulbildung. Mehr als die Hälfte der Menschen aus dieser Gruppe erreiche nach fünf Jahren noch kein mittleres Sprachniveau.

Eine weitere Gruppe, der besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden müsse, seien eingewanderte Frauen mit kleinen Kindern. Sie seien in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern deutlich seltener in Arbeit. Angesichts der Geflüchteten aus der Ukraine und weiterhin vielen Asylsuchenden werde diese Herausforderung immer wichtiger.

Deutschland ist nach den USA das OECD-Land mit der in absoluten Zahlen zweitgrößten Einwanderungsbevölkerung. 2022 lebten demnach mehr als 14 Millionen Eingewanderte im Land. Der OECD gehören 38 Mitgliedstaaten in Nord- und Südamerika, Europa und dem Asien-Pazifik-Raum an. Knapp die Hälfte der Staaten gelten für die Organisation als Hauptzielländer für Zuwanderung.

Integrationsstaatsministerin Reem Alabali-Radovan (SPD) sagte, die Integration in Deutschland gelinge viel besser, als es ihr Ruf nahelege. Dennoch bleibe viel zu tun, vor allem bei der schulischen und beruflichen Bildung. “Unser Bildungssystem ist immer noch nicht eingestellt auf diese Einwanderungsgesellschaft, die wir ja schon längst sind.”

Der Anteil an Schulabbrechern sei weiterhin viel zu hoch, sagte Alabali-Radovan. Jeder zehnte junge Mensch mit eingewanderten Eltern habe keinen Schulabschluss. Bei jungen Menschen, die selbst zugewandert seien, könne sogar jeder siebte weder eine formelle Schulbildung noch eine Ausbildung vorweisen. “Diese Befunde sind alarmierend.” Mit Blick auf die Schulen forderte die Staatsministerin unter anderem eine Aufwertung des Fachs Deutsch als Zweitsprache, mehr Sprachförderung sowie eine bundesweit einheitliche Erhebung der Sprachkenntnisse.

 

Bei der Integration von Eingewanderten und ihren Nachkommen schneidet Deutschland im internationalen Vergleich relativ gut ab. Zu diesem Ergebnis kommt die OECD in einem Länderbericht, für den verschiedene Indikatoren untersucht wurden. So habe die Erwerbstätigenquote von Migrantinnen und Migranten in Deutschland 2022 ein Rekordhoch von 70 Prozent erreicht – und sei damit deutlich höher gewesen als in den meisten anderen EU-Vergleichsländern. Insbesondere, so der Bericht, scheine sich die Sprachförderung auszuwirken: Die Sprachkenntnisse Eingewanderter hätten sich in Deutschland stärker verbessert als in den meisten anderen EU-Ländern.

Zum OECD-Länderbericht als PDF

Hier Auszüge:

DEUTSCHLAND – Stand der Integration von Eingewanderten

Inhalt

3 Zusammenfassung

5 I. Kontext der Integration von Eingewanderten

9 II. Das Potenzial von Eingewanderten ausschöpfen

9 II.1. Die Arbeitsmarktintegration fördern

12 II.2. Den Kompetenzerwerb fördern

16 III. Umgang mit besonders vulnerablen Gruppen

16 III.1. Geschlechtsspezifische und familiäre Aspekte berücksichtigen

18 III.2. Die Integration von Geflüchteten fördern

22 III.3. Chancengleichheit für Kinder von Eingewanderten sicherstellen

27 IV. Eine auf Gleichberechtigung und Teilhabe basierende

Gesellschaft schaffen

27 IV.1. Gleiche Lebensbedingungen fördern

28 IV.2. Die Herausforderungen im Bereich der öffentlichen

Wahrnehmung angehen

29 IV.3. Gegen Diskriminierung vorgehen

31 IV.4. Hindernisse für die politische und gesellschaftliche Teilhabe

beseitigen

34 V. Schlussfolgerung

35 Literaturverzeichnis

Zusammenfassung

Deutschland hat eine lange Einwanderungsgeschichte. Es ist das zweitgrößte Aufnahmeland von Migrant*innen im OECD-Raum. 2022 lebten dort über 14 Millionen Eingewanderte. Seit 2022 sind zudem mehr als eine Million vorübergehend Schutzberechtigte aus der Ukraine und rd. 600 000 Asylsuchende nach Deutschland gekommen. Dies sind absolut gerechnet mehr als in jedem anderen europäischen OECD-Land.

Die Eingewanderten in Deutschland kommen aus verschiedenen Ländern und unterschiedlichen sozioökonomischen Gruppen. Auch die Gründe, die sie zur Migration bewegten, sind sehr unterschiedlich. Daher unterscheidet sich auch ihr Integrationsbedarf. Zu den historisch bedeutenden Einwanderungsgruppen gehören die ehemaligen Gastarbeiter*innen und ihre Familien aus dem Mittelmeerraum sowie die deutschstämmigen (Spät-)Aussiedler*innen aus Mittel- und Osteuropa. In den letzten zehn Jahren kamen die meisten Migrant*innen jedoch im Rahmen der EU-Freizügigkeit nach Deutschland. Während die Bedeutung dieser Kategorie langsam abnimmt, führen Initiativen zur Gewinnung von Talenten aus dem Ausland zu einem steten Anstieg der Zahl der Arbeitsmigrant*innen aus Nicht-EU-Ländern. Darüber hinaus ist Deutschland zu einem wichtigen Zielland für Geflüchtete geworden, die vor Kriegen und Verfolgung in ihren Herkunftsländern fliehen.

Seit etwa zwanzig Jahren steht das Thema Integration weit oben auf der politischen Agenda und Deutschland investiert große Summen in die Integration von Neueingewanderten. Es gibt Anzeichen dafür, dass sich diese hohen Investitionen bezahlt machen. Die Arbeitsmarktergebnisse von Migrant*innen sind gut im Vergleich zu anderen Ländern. 2022 erreichte ihre Erwerbstätigenquote in Deutschland ein Rekordhoch von 70 % und war damit deutlich höher als in den meisten anderen EU-Vergleichsländern. Insbesondere die umfassende Sprachförderung scheint sich positiv auszuwirken: Die Sprachkenntnisse Eingewanderter haben sich in Deutschland stärker verbessert als in den meisten anderen EU-Ländern.

Eingewanderte mit sehr niedrigem Bildungsniveau (höchstens Grundschulbildung) stehen bei der Integration in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt jedoch vor Herausforderungen. Diese Gruppe macht mehr als ein Sechstel der Einwanderungsbevölkerung aus, und ihr Anteil ist in den letzten zehn Jahren gestiegen. Nur die Hälfte dieser Migrant*innen ohne Grundqualifikationen ist erwerbstätig, und nur ein Viertel erreicht nach mindestens fünf Jahren Aufenthalt ein fortgeschrittenes Deutschniveau. Aufgrund ungünstiger Bedingungen in ihren Herkunftsländern hatten viele von ihnen vor der Migration nur begrenzte Bildungsmöglichkeiten und nur wenige setzen ihren Bildungsweg in Deutschland fort.

Obwohl in Deutschland ein starker Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Hintergrund und dem Bildungserfolg besteht, erzielen im Inland geborene Kinder eingewanderter Eltern dort bessere Bildungsergebnisse als in den meisten vergleichbaren Ländern. Seit Anfang der 2000er Jahre haben sich ihre Schulleistungen deutlich verbessert. Zudem verzeichneten sie nach den langen bundesweiten Schulschließungen während der Coronapandemie nur einen leichten Leistungsrückgang. Für Schüler*innen, die selbst nach Deutschland eingewandert sind, stellt sich die Situation allerdings ganz anders da. Ihre Bildungsergebnisse sind – unabhängig vom Alter bei der Einreise – ungünstiger als die vergleichbarer Schüler*innen in anderen Hauptzielländern. Außerdem hat sich der bereits bestehende Leistungsabstand gegenüber den im Inland geborenen Schüler*innen in den letzten Jahren weiter vergrößert, was eine Folge der Schulschließungen während der Coronapandemie sein könnte.

Diskriminierung stellt nach wie vor eine Herausforderung dar. Der Anteil der Eingewanderten aus Nicht-EU-Ländern, die den Eindruck haben, einer diskriminierten Gruppe anzugehören, hat in den vergangenen Jahren zugenommen und betrug zuletzt ein Fünftel. Andere Indikatoren der sozialen Integration sind jedoch recht günstig, was auch für die Lebensbedingungen gilt. Der Anteil der Migrant*innen, die in relativer Armut leben, ist geringer als in den meisten anderen Hauptzielländern. Bei der gesellschaftlichen und politischen Teilhabe bestehen zwar noch Lücken, in den letzten zwanzig Jahren hat sich die Situation aber deutlich verbessert.

 

S. 18 • DEUTSCHLAND – Stand der Integration von Eingewanderten

III. Umgang mit besonders vulnerablen Gruppen (mit vielen Grafiken im PDF-Dokument)

... III.2. Die Integration von Geflüchteten fördern

Seit über 30 Jahren ist Deutschland ein Hauptziel für Geflüchtete, mit besonders starken Migrationsbewegungen Anfang der 1990er und Mitte der 2010er Jahre. In jüngerer Zeit hat Deutschland auch über eine Million Menschen aufgenommen, die vor dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine auf der Flucht waren – mehr als jedes andere Land. Die Arbeitskräfteerhebung der EU von 2021 enthält Informationen zu humanitären Migrant*innen auf der Basis von Eigenangaben zu Migrationsgründen. (Fußnote: Folglich können die Daten sowohl anerkannte Geflüchtete als auch Asylsuchende umfassen (d. h. Personen, die einen Asylantrag gestellt, deren Flüchtlingsstatus aber noch nicht anerkannt wurde). Allerdings dürfte sich der Anteil an Asylsuchenden in Grenzen halten, da sie häufig in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht und daher in der Erhebung nicht vertreten sind. Zur Vereinfachung werden in diesem Abschnitt Personen, die als Migrationsgrund internationalen Schutz angeben, allgemein als Geflüchtete bezeichnet. Menschen, die in einem EU- oder EFTA-Land geboren und eigenen Angaben zufolge aus humanitären Gründen eingewandert sind, bleiben in der Analyse unberücksichtigt.) Ukrainische Kriegsgeflüchtete sind allerdings noch nicht erfasst.

Die Erhebung erfasst nahezu 1,7 Millionen Geflüchtete im Alter von 15 bis 64 Jahren, die in Deutschland ansässig sind. Nahezu zwei Drittel dieser Geflüchteten im erwerbsfähigen Alter sind Männer. Unter den Geflüchteten in den nordischen Ländern (ohne Finnland), Italien und Österreich sind Männer ebenfalls stark überrepräsentiert, wohingegen Spanien und Frankreich eine ausgewogenere Geschlechterverteilung in ihrer Geflüchtetenpopulation im Erwerbsalter aufweisen.

Die Aufenthaltsdauer der Geflüchteten hat einen starken Einfluss auf ihre Integrationsergebnisse. Zur Migration gezwungene Geflüchtete hatten in der Regel keine Zeit, sich auf das Leben im Aufnahmeland vorzubereiten, insbesondere was das Erlernen der Sprache betrifft. Deshalb benötigen sie in der Regel mehr Zeit als andere Migrantengruppen, um sich im Aufnahmeland voll zu integrieren.

In Deutschland sind die meisten Geflüchteten (65 %) erst im vergangenen Zehnjahreszeitraum ins Land gekommen, wobei die Zahlen in den Jahren 2015 und 2016 besonders hoch waren. Ein Viertel der Geflüchteten lebt aber bereits seit mehr als zwanzig Jahren im Land. In den meisten anderen europäischen OECD-Ländern ist der Anteil der Geflüchteten mit weniger als zehn Jahren Aufenthalt an der Geflüchtetenpopulation dagegen geringer. In den Niederlanden und in Italien machen sie beispielsweise rd. 50 % der Geflüchtetenpopulation aus und in der Schweiz nur 20 %.

Die Bildungsabschlüsse der Geflüchteten in Deutschland sind niedriger als in anderen europäischen Hauptzielländern. Über die Hälfte (57 %) aller Geflüchteten im erwerbsfähigen Alter (ohne Personen in Bildungsmaßnahmen) hat höchstens einen Abschluss im Sekundarbereich I, von denen mehr als ein Drittel höchstens die Grundschule abgeschlossen hat. Nur etwa 15 % haben einen Hochschulabschluss. In Schweden dagegen haben beispielsweise doppelt so viele Geflüchtete einen Hochschulabschluss, und der Anteil der Personen mit höchstens Primarschulbildung ist halb so groß wie in Deutschland.

Insbesondere die Geflüchtetenkohorte, die in den vergangenen zehn Jahren nach Deutschland kam, hat generell niedrige Bildungsabschlüsse. Die IAB-BAMF-SOEP-Befragung bei Geflüchteten, die zwischen 2013 und 2016 nach Deutschland kamen, legt den Schluss nahe, dass ein beachtlicher Anteil die Bildungsbiografie wegen anhaltender Konflikte im Herkunftsland und der langen Reise ins Aufnahmeland, auf der sie häufig mehrmals in Übergangsunterkünften untergebracht wurden, unterbrechen musste (Brücker, Kosyakova und Schuß, 2020 [11] ; Edele et al., 2021 [12] ). Anders als in Ländern wie Schweden nahmen viele Geflüchtete ihren Bildungsweg nach ihrer Migration nach Deutschland nicht wieder auf.

Praktisch alle Geflüchteten haben bei ihrer Ankunft in Deutschland keine Deutschkenntnisse. Diese verbessern sich aber im Laufe der Zeit deutlich. Laut Abbildung 10 weisen Geflüchtete, die seit mindestens zehn Jahren in Deutschland sind, im Vergleich zur Situation in den meisten anderen Ländern verhältnismäßig gute Sprachkenntnisse auf. Nahezu 60 % geben an, flüssig Deutsch zu sprechen. Auf Geflüchtete, die in den letzten zehn Jahren eingereist sind, treffen diese guten Ergebnisse jedoch nicht zu.

Abbildung 10

Schon länger im Land ansässige Geflüchtete haben überall bessere Sprachkenntnisse, insbesondere aber in Deutschland

Fortgeschrittene oder muttersprachliche Kenntnisse der Sprache des Aufnahmelandes (Eigenangaben) von Geflüchteten, nach Aufenthaltsdauer, 15- bis 64-Jährige, 2021

Der Anteil der Geflüchteten, die angeben, über fortgeschrittene Kenntnisse der Sprache des Aufnahmelandes zu verfügen, ist in Deutschland zwar größer als in Österreich oder den Niederlanden, gegenüber den nordischen Ländern, die massiv in strukturierte Integrationsprogramme investiert haben, weist Deutschland jedoch nach wie vor einen Rückstand auf. In den letztgenannten Ländern ist die Lage ähnlich wie in Belgien und Frankreich, wo ein relativ großer Teil der Geflüchteten Französisch als Muttersprache hat.

Da Geflüchtete mit weniger als zehn Jahren Aufenthalt in Deutschland ihre Sprachkenntnisse immer noch weiter ausbauen, ist noch nicht klar, ob sie ähnlich gute Ergebnisse erzielen werden, wie Kohorten, die bereits länger im Land sind. Auf der einen Seite profitiert die in jüngerer Zeit ins Land gekommene Kohorte von einer besseren Förderstruktur und nimmt Eigenangaben zufolge viel häufiger an Sprachkursen teil als Geflüchtete, die vor mehr als zehn Jahren ins Land kamen (84 % vs. 60 %). Auf der anderen Seite weisen Neueingewanderte niedrigere Bildungsabschlüsse auf, was den Spracherwerb erschweren könnte. In der Tat haben Geflüchtete mit Grundschulbildung in der Regel deutlich geringere Sprachkompetenzen als Geflüchtete mit Abschluss im Sekundarbereich I. Dies legt den Schluss nahe, dass Investitionen in die Bildung der Geflüchteten auch ihre Sprachkenntnisse verbessern könnten.

Aufgrund ihrer erzwungenen Migration zählen Geflüchtete zu den vulnerabelsten Gruppen am Arbeitsmarkt, ihre Ergebnisse verbessern sich aber im Laufe der Zeit. Die Erwerbstätigenquoten von Geflüchteten sind in Deutschland zunächst sehr niedrig (34 %), steigen nach den ersten fünf Jahren aber stark. Unter den Geflüchteten, die seit mehr als zwanzig Jahren im Land sind, sind die Erwerbstätigenquoten doppelt so hoch wie unter Neueingewanderten. Sie liegen aber dennoch nach wie vor weit unter denen der im Inland Geborenen (Abbildung 11). Bei nach- oder mitgereisten Familienangehörigen, die bei ihrer Ankunft ebenfalls generell nur eine geringe Arbeitsmarktbindung aufweisen, ist ein ähnlicher Trend zu beobachten, mit zunehmender Aufenthaltsdauer verbessern sich jedoch ihre Beschäftigungsergebnisse. Im Gegensatz dazu haben Migrant*innen, die zu Beschäftigungszwecken ins Land kommen, gleich bei der Ankunft sehr hohe Erwerbstätigenquoten (85 %), die relativ hoch bleiben und allmählich zurückgehen, wenn die Eingewanderten sich dem Rentenalter nähern.

Abbildung 11

Die Beschäftigungsergebnisse von Geflüchteten verbessern sich im Zeitverlauf deutlich

Erwerbstätigenquote nach Migrationsgrund und Aufenthaltsjahren in Deutschland, 15- bis 64-Jährige, 2021

In Deutschland sind hochqualifizierte Geflüchtete bei der Suche nach einer ihren Qualifikationen entsprechenden Beschäftigung mit mehr Hindernissen konfrontiert als in anderen Hauptzielländern (Abbildung 12). Weniger als drei von fünf Geflüchteten mit Hochschulabschluss sind erwerbstätig, und nahezu die Hälfte derjenigen, die erwerbstätig sind, sind in Positionen tätig, für die sie formal überqualifiziert sind. Dagegen ist die Erwerbstätigenquote von Geflüchteten mit niedrigem und mittlerem Bildungsniveau mit der von Geflüchteten in der EU insgesamt vergleichbar.

Die formalen Qualifikationen der Geflüchteten werden zwar praktisch überall als nicht gleichwertig betrachtet, in Deutschland sind die Überqualifizierungsquoten jedoch besonders hoch. Dies ist z. T. darauf zurückzuführen, dass der Anerkennung ausländischer Qualifikationen auf dem deutschen Arbeitsmarkt eine hohe Bedeutung beigemessen wird. Hierdurch verschärft sich das Problem jener Geflüchteten, die keine Nachweise für die von ihnen erworbenen Diplome und Qualifikationen erbringen können. Außerdem spielen Sprachkenntnisse auf dem deutschen Arbeitsmarkt eine wichtige Rolle. Mangelnde Kenntnisse können für Geflüchtete, die hochqualifizierte Arbeitsplätze

anstreben, ein Hindernis sein. In einer Umfrage der OECD, des Deutschen Industrie- und Handelskammertags und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zur Arbeitsmarktintegration von Asylsuchenden und Geflüchteten gaben rd. 80 % der Arbeitgeber in Deutschland an, dass für hochqualifizierte Stellen in ihrem Unternehmen sehr gute Sprachkenntnisse erforderlich sind. Für Tätigkeiten mit mittlerem Qualifikationsniveau setzten 40 % der befragten Arbeitgeber sehr gute und 52 % gute Sprachkenntnisse voraus (OECD, 2017).

Abbildung 12

Weniger als ein Drittel der hochqualifizierten Geflüchteten arbeitet in Berufen, die ihren Qualifikationen entsprechen

Anteil der Eingewanderten mit Hochschulabschluss, die in hochqualifizierten Berufen tätig sind, 15- bis 64-Jährige, 2021

Eine weitere Gruppe, der besondere Aufmerksamkeit gebührt, sind weibliche Flüchtlinge. Aus früheren Arbeiten der OECD geht hervor, dass weibliche Geflüchtete aufgrund kumulierter Hindernisse in Verbindung mit ihrem Migrationsstatus, Geflüchtetenstatus und Geschlecht dreifach benachteiligt sind (Liebig und Tronstad, 2018). Weibliche Geflüchtete in Beschäftigung zu bringen, stellt überall eine Herausforderung dar. In Deutschland, wo weniger als ein Drittel von ihnen erwerbstätig ist, sind ihre Erwerbstätigenquoten aber besonders niedrig (Abbildung 13). Die Erwerbstätigenquoten weiblicher Geflüchteter variieren je nach Bildungsniveau stärker als bei männlichen Geflüchteten. In Deutschland ist mehr als die Hälfte der weiblichen Geflüchteten mit mittlerem und hohem Bildungsniveau erwerbstätig. Unter den weiblichen Geflüchteten mit niedrigem Bildungsniveau sind es dagegen nur zwei Fünftel. Das Geschlechtergefälle zwischen männlichen und weiblichen Geflüchteten ist folglich unter Migrant*innen mit niedrigem Bildungsniveau am größten.

Abbildung 13

Weibliche Geflüchtete sind auf dem Arbeitsmarkt eine vulnerable Gruppe, insbesondere in Deutschland

Erwerbstätigenquoten, 15- bis 64-Jährige, 2021

….

Schlussfolgerung

Deutschland hat in den letzten beiden Jahrzehnten erheblich in Integration investiert, und diese Bemühungen scheinen sich gelohnt zu haben. Die Integrationsergebnisse sind in Deutschland im internationalen Vergleich in vielerlei Hinsicht günstig. Die Unterschiede bei den Lebensbedingungen sind häufig kleiner als in anderen Ländern, und die Erwerbstätigenquoten der Eingewanderten sind im internationalen Vergleich hoch. Außerdem sprechen nahezu zwei Drittel der Eingewanderten, die seit mindestens fünf Jahren in Deutschland leben, fließend Deutsch.

Vor allem aber hat Deutschland erhebliche Fortschritte bei der Integration von in Deutschland geborenen Kindern eingewanderter Eltern ins Bildungssystem erzielt. Die schulischen Leistungen dieser Gruppe sind besser als in den meisten anderen Hauptzielländern und sie sind seit den frühen 2000er Jahren deutlich gestiegen.

Doch trotz der erzielten Fortschritte gibt es noch Herausforderungen. Anders als bei den im Inland geborenen Kindern von Eingewanderten sind bei den im Ausland geborenen Schüler*innen keine Fortschritte zu verzeichnen. Die Differenz zwischen den Bildungsergebnissen von eingewanderten und im Inland geborenen Schüler*innen hat sich in den letzten Jahren ausgeweitet, was auf die Schulschließungen während der Coronapandemie zurückzuführen sein könnte.

Der Aus- und Weiterbildung von Erwachsenen muss ebenfalls mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Dadurch könnte das Bildungsgefälle verringert werden, insbesondere im Hinblick auf den hohen Anteil von Eingewanderten (18 %), die höchstens über Grundschulbildung verfügen. Mehr als die Hälfte dieser Gruppe erreicht nach mindestens fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland kein mittleres Sprachniveau, was sowohl auf dem Arbeitsmarkt als auch in der Gesellschaft mit großen Nachteilen verbunden ist.

Eine weitere Gruppe, der besondere Aufmerksamkeit zukommen muss, sind eingewanderte Frauen mit kleinen Kindern. Sie erzielen niedrigere Arbeitsmarktergebnisse als in den meisten anderen Hauptzielländern. Das hohe Beschäftigungsgefälle zwischen im Ausland und im Inland geborenen Müttern könnte sich z. T. aus Schwierigkeiten bei der Vereinbarung von Familie und Erwerbsarbeit sowie aus sozioökonomischen Unterschieden erklären.

Angesichts der über eine Million Geflüchteten aus der Ukraine, darunter vor allem Frauen mit Kindern, die jüngst nach Deutschland gekommen sind, und der hohen Zahl von Asylsuchenden wird die Bewältigung dieser Herausforderungen immer wichtiger.